Mutmaßlicher Drahtzieher hinter Schildkröten-Schmuggel bleibt ungestört

Ein Vietnamese wurde wegen illegalen Wildtierhandels zu 4,5 Jahren Gefängnis verurteilt, aber der Drahtzieher des Unterfangens wird nicht verfolgt.

Von Jani Actman
Veröffentlicht am 15. Juni 2018, 19:00 MESZ
Ende 2014 entdeckten Beamte Tausende Echte Karettschildkröten in einem Lagerhaus in Nha Trang, Vietnam.
Ende 2014 entdeckten Beamte Tausende Echte Karettschildkröten in einem Lagerhaus in Nha Trang, Vietnam.
Foto von of Education for Nature - Vietnam

Mehr als drei Jahre, nachdem er sich den Behörden gestellt hatte, wurde ein Vietnamese für den Handel mit vom Aussterben bedrohten Meeresschildkröten zu viereinhalb Jahren Gefängnisstrafe verurteilt. Es ist eines der härtesten Urteile, die in den letzten Jahren im Rahmen der Naturschutzgesetze Vietnams ausgesprochen wurden, sagt Bui Thi Ha. Sie ist die Vizedirektorin der gemeinnützigen Organisation Education for Nature-Vietnam (ENV), die den Fall schon seit Langem verfolgt.

„Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden“, sagt Ha. „Eine so lange Gefängnisstrafe haben wir seit sehr langer Zeit nicht mehr gesehen.“

Das Urteil über Hoang Tuan Hai beruht auf einem Fall aus dem Jahr 2014. Damals wurden 7.000 teilweise oder vollständig präparierte Meeresschildkröten in einer Lagerhalle und auf einem Hof in einer ländlichen Region bei Nha Trang gefunden, einer Küstenstadt etwa 400 Kilometer von Ho-Chi-Minh-Stadt entfernt. ENV zufolge handelt es sich um die bislang umfangreichste Konfiszierung von Meeresschildkröten. Auch Große Riesenmuscheln, die ebenfalls vom Aussterben bedroht sind, wurden von der Polizei beschlagnahmt.

Während seiner Verhandlung sagte Hai, er hätte die Schildkröten nicht gekauft, sondern sie gegen Alkohol, Bier und Zigaretten eingetauscht. Zudem hätte er nicht gewusst, dass sein Handeln illegal war, wie vietnamesische Medien berichteten. Ha zufolge hatte Hai zwar dementiert, dass er die Schildkröten verkauft hat, aber es gab Beweise, die erkennen ließen, dass er sie zu kommerziellen Zwecken aufbewahrte. Ein Ermittler der ENV hatte Wildlife Watch zuvor berichtet, dass die Schildkröten wohl für China bestimmt waren, wo sie als Trophäen verkauft werden sollten.

Hai sah sich einer Gefängnisstrafe von maximal sieben Jahren gegenüber. Das letztendlich ausgesprochene Strafmaß kommt der Anklage entgegen, die Ha zufolge eine Gefängnisstrafe von vier bis fünf Jahren gefordert hat.

 

Echte Karettschildkröten, die in den tropischen Gewässern des Atlantiks, Pazifiks und des Indischen Ozeans leben, machten den Großteil der von der Polizei beschlagnahmten Schildkröten aus. Da die Art ohnehin schon als vom Aussterben bedroht gilt, hat sich der Fang von Tausenden Exemplaren wahrscheinlich verheerend auf den Bestand ausgewirkt, wie Ha erzählt. Ihr Lebensraum an Küsten und Korallenriffen wird durch Bebauung, den Klimawandel und andere Faktoren bedroht. Zudem werden sie für ihre gemusterten Panzer massenhaft gejagt und getötet. In Vietnam ist es illegal, Echte Karettschildkröten zu töten, zu verkaufen oder zu exportieren.

„Wir wissen nicht, wie viele Schildkröten seit Hais Involvierung im Jahr 2010 verarbeitet und nach China verkauft wurden. Das muss einen gewaltigen Einfluss auf die Biodiversität gehabt haben“, sagt Ha.

Um die Meeresschildkröten zu schützen, begann ENV mit Ermittlungen zu einer möglichen Verbrecherorganisation, die es auf die Tiere abgesehen hat. ENV wurde erstmals 2011 auf diesen spezifischen Fall aufmerksam, als ein Fischerboot mit etwa 200 toten Schildkröten in philippinischen Gewässern beschlagnahmt wurde. Bald darauf wurden noch weitere Boote entdeckt – allesamt mit Schildkrötenkadavern an Bord, allesamt in Vietnam registriert, am Hafen von Sa Ky in der Provinz Quang Ngai.

Also begaben sich die Teammitglieder nach Quang Ngai und gaben sich dort als Käufer, Verkäufer und Studenten aus, die Forschung betrieben. Sie entdeckten eine Gruppe von Tauchern, die Schildkröten fingen, und sprachen mit Schwarzmarkthändlern, die die Tiere kauften. Schließlich führte die Spur zu den Lagerhallen von Nha Trang, wo es den vorherigen Aussagen eines Ermittlers zufolge nach Chemikalien und Tod roch, und wo die Schildkröten vom Boden bis zur Decke gestapelt lagerten.

„Dieses Urteil ist ein bedeutender Sieg für den Schutz der Meeresschildkröten in Vietnam und der Region. Wir sind allen dankbar, die unermüdlich daran gearbeitet haben, dieses Ergebnis herbeizuführen“, sagt Earl Possardt. Er leitet den Marine Turtle Conservation Fund des U.S. Fish and Wildlife Service, der die ursprünglichen Ermittlungen von ENV finanziell unterstützt hat.

BELIEBT

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    Die vom Aussterben bedrohten Echten Karettschildkröten sind in Asien aufgrund der Musterung ihrer Panzer beliebt.
    Foto von of Education for Nature - Vietnam

    Hais Urteil fiel fast zwei Jahre nach Bekanntwerden der Story von Wildlife Watch, in der es hieß, dass die Behörden noch keine Verdächtigen in dem Fall festgenommen hatten – obwohl Hai kurz nach der Verhaftung im Jahr 2014 gestanden hatte. Die Story beschrieb ebenfalls, dass die vietnamesischen Behörden keinen Spuren nachgegangen waren, die zu einem wohlhabenden Geschäftsmann aus der Region führten. ENV vermutet, dass er der Leiter des Schmugglerunterfangens ist, und glaubt, dass Hai als Untergebener die Schuld auf sich nahm, um den anderen Mann zu schützen, der nach wie vor nicht verhaftet wurde.

    DRAHTZIEHER WEITER AUF FREIEM FUSS?

    Für Umweltschützer ist der Fall der Karettschildkröten die Bewährungsprobe für Vietnam, bei der das Land beweisen kann, dass es die Bekämpfung des illegalen Wildtierhandels ernst nimmt.

    Vietnam spielt eine Schlüsselrolle auf dem Wildtier-Schwarzmarkt – eine globale Industrie, die jedes Jahr mehrere Milliarden Dollar Umsatz macht, Pflanzen und Tiere auslöscht und nicht zuletzt auch jene Menschen ermordet, die bedrohte Arten zu schützen versuchen. Das Land ist ein wichtiger Lieferant, Konsument und ein Transitland für illegale Tierprodukte, die aus Südostasien nach China geliefert werden. Anfang 2014 erklärte der Premierminister Nguyen Tan Dung öffentlich seine Absicht, den organisierten Schmuggel geschützter Tierarten zu beenden. Naturschützer beklagten, dass die unterlassene Untersuchung der mutmaßlichen Schlüsselfigur in dem Karettschildkröten-Fall sowie die viel zu späte Verhaftung Hais ein mangelndes Engagement für dieses Ziel zeigten.

    Hais harte Strafe macht Ha nun aber Hoffnung. „Das zeigt die Entschlossenheit des Gerichts und besonders der Anklage, das Problem der Verbrechen an Wildtieren anzugehen“, sagt sie. „Das zeigt uns, dass wir gute Leute in der Regierung haben.“

    Allerdings ist sie frustriert darüber, dass die Polizei den anderen Mann nicht aggressiver verfolgt hat, obwohl die Ermittlungen von ENV ihn als den Top-Händler ausgemacht hatten. 2016 erfuhr Wildlife Watch aus mehreren Quellen von seiner Beteiligung – ihm gehörte das Lagerhaus und er sei ein bekannter Käufer von Meeresschildkröten. (2009 musste er eine „administrative Strafe“ im Wert von etwa 500 Dollar zahlen, nachdem Behörden fast 850 lebende Schildkröten von einer Fischfarm in Nha Trang beschlagnahmt hatten.)

    In Vietnam werden einflussreiche Wildtierschmuggler nur selten verfolgt. Wilderer, kleine Schmuggler und Mittelsmänner werden hingegen regelmäßig verhaftet und bestraft. Allerdings sei es deutlich unwahrscheinlicher, dass das Land auch einflussreiche Leute verfolgt, wie Ha zuvor gegenüber Wildlife Watch sagte. Vertreter der vietnamesischen Behörden für Landwirtschaft und Umwelt reagierten auf Interviewanfragen nicht.

    „Sie wollen nicht tiefer gehen“, sagt Ha in Bezug auf die Polizei, die ihr zufolge nur eine oberflächliche Untersuchung des mutmaßlichen Top-Schmugglers durchgeführt hat. „Sie glauben, dass es reicht, Hai zu verhaften. Wir wissen, dass das nicht genug ist.“

    Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass die Beschlagnahmung im Jahr 2014 die Schildkrötenwilderer in Quang Ngai verschreckt hat, berichtet Douglas Hendrie, der Direktor der Ermittlungseinheit von ENV. Ihm zufolge soll dort aktuell nur noch ein einziger Fischer weiterhin nach den Tieren tauchen.

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