Nordkoreas Schattenrolle beim Elfenbein- und Hornschmuggel

Diplomaten aus dem Einsiedlerkönigreich schmuggelten über Jahrzehnte Nashorn-Horn, Elfenbein und andere verbotene Waren. Nur wenige wurden erwischt oder bestraft.

Von Rachel Nuwer
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:46 MEZ
Enthorntes Nashorn
An einer Wasserstelle im Hluhluwe-Imfolozi-Park in Südafrika liegt ein totes Spitzmaulnashorn. Wilderer erschossen das Tier mit großkalibriger Munition – weltweit leben nur noch 5000 Exemplare. Die Wilderer waren wohl aus einem nahen Dorf illegal in den Park vorgedrungen und benutzten eine Waffe mit Schalldämpfer.
Foto von Brent Stirton, Getty, National Geographic Creative

Der Place Braconnier im Herzen von Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, wurde nach dem General benannt, der hier das Kommando über den ersten kolonialen Außenposten Belgiens im Jahr 1882 führte. Doch die Verbindung zu ihm ist größtenteils in Vergessenheit geraten.

Wie es der Zufall will, bedeutet das französische Wort braconnier „Wilderer“ (engl.: „poacher“) und jahrzehntelang war der Place Braconnier – Poacher Square – ein Garant für Elfenbein, Leopardenfelle, Löwenzähne, Kudu-Hörner, Schildkrötenpanzer und andere illegale Tierprodukte, die hier verkauft wurden.

Hier an den Ständen, die in langen Reihen auf dem Poacher Square aufgebaut sind, hat Daniel Stiles, ein unabhängiger Naturschützer, sie zum ersten Mal gesehen, als er 1999 eine Studie über Elfenbein durchführte: Koreaner. Sie kauften Stoßzähne und Schnitzereien. Er nahm damals an, dass sie vorhatten, diese nach Südkorea zu schmuggeln, um sie dort zu verkaufen. Aber als er Südkorea schließlich besuchte, musste er überrascht feststellen, dass dieses Land quasi keinen Markt für Elfenbein besaß.

Erst ein paar Jahre später verstand Stiles seinen Irrtum. Die Käufer waren mit ziemlicher Sicherheit Nordkoreaner gewesen, keine Südkoreaner.

Historikern, Politikwissenschaftlern und den Aussagen verschiedener Regierungen zufolge sind nordkoreanische Diplomaten berüchtigt für ihre Verwicklungen in illegalen Handel. Bislang hat man sich vor allem auf ihre Schmuggelaktivitäten in Europa und Asien konzentriert, aber ein neuer Bericht enthüllt, dass Afrika und seine Tierwelt ebenfalls eine prominente Rolle in Nordkoreas illegalem Portfolio spielen.

Die Organisation Global Initiative Against Transnational Organized Crime (dt.: Globale Initiative gegen transnational organisiertes Verbrechen) – ein von Genf aus geleitetes Netzwerk bestehend aus Strafverfolgung, Regierung und Entwicklungsexperten – stellt ihre Ergebnisse vor: In den letzten 30 Jahren gab es mindestens 18 Fälle, bei denen nordkoreanische Diplomaten beim Schwarzhandel mit Nashorn-Horn und Elfenbein erwischt wurden. Die Dunkelziffer der unentdeckten Taten dürfte allerdings um ein Vielfaches höher sein.

Das Muster wiederholt sich immer wieder

Bei Julian Rademeyer, dem Autor des Berichts, läuteten zum ersten Mal die Alarmglocken, als er über einen seltsamen Nachrichtenbeitrag stolperte. Im Mai 2015 wurden Pak Chol-Jun, ein politischer Berater des nordkoreanischen Konsulats in Pretoria und Kim Jong-Su, ein in Pretoria lebender Taekwondo-Meister in Mosambik mit fast 100.000 US-Dollar (ca. 85.000 Euro) in bar und gut vier Kilo Nashorn-Horn geschnappt.

Der nordkoreanische Botschafter in Südafrika handelte die Freilassung der Männer aus, doch Südafrika wies den politischen Berater schließlich aus. Währenddessen erzählte der Taekwondo-Meister seinen Kampfsportschülern, dass er in sein Heimatland fahren würde, um „seine Familie zu besuchen“, kehrte jedoch nie wieder von dort zurück. Laut Rademeyers Quellen stand er im Verdacht, als nordkoreanischer Spion tätig zu sein.

„Allein der Versuch, eine Bestätigung dafür zu erhalten, dass es diesen Zwischenfall überhaupt gegeben hat, war schon ein Albtraum“, sagt Rademeyer. „Aber es hat mein Interesse an den diplomatischen Verwicklungen von Nordkorea in den Rhino-Horn- und Elfenbeinhandel geweckt.“

Obwohl Vorfälle wie der in Mosambik nur manchmal als Einzelfälle in den Nachrichten auftauchen, deckte Rademeyer ein immer noch andauerndes Muster von illegalen Aktivitäten auf. Hochrangige Überläufer, die er um Interviews gebeten hatte, beschrieben, wie Botschaftsvertreter und Militärattachés Elfenbein aus Angola, Äthiopien und der Demokratischen Republik Kongo schmuggelten, und Schwarzhandel mit Nashorn-Horn aus Südafrika und Mosambik betrieben.

Es wird oft fälschlicherweise geglaubt, dass Diplomaten generelle Immunität besitzen, die sie vor Durchsuchungen und Verhaftung schützt. Weiterführende Nachforschungen ergaben, dass die Nordkoreaner sich dies zum Vorteil machen, um illegale Tierprodukte im Handgepäck auf Flügen nach China zu schmuggeln, wo sie Verbindungen zu Netzwerken der organisierten Kriminalität pflegen.

Ein Überläufer, ein ehemaliger Import-Export-Mittelsmann, der früher mit einem Diplomatenpass gearbeitet hat und nun in Seoul lebt, erzählte Rademeyer, dass ein Teil seines Jobs darin bestand, regelmäßig Verkäufe zwischen in Afrika eingesetzten Diplomaten und chinesischen Kriminellen in die Wege zu leiten. Nordkoreanische Diplomaten „flogen nach Beijing und trafen sich dort direkt mit chinesischen Schmugglern oder ich arrangierte das und tauschte es gegen harte Währung ein“, erzählte er Rademeyer. Er bezog sich dabei auf den Schwarzhandel mit Nashorn-Horn, Elfenbein und Goldkörnern.

Er fügte hinzu, dass die Diplomaten bis zu drei oder vier solcher Schwarzhandelsreisen im Jahr machten. Einige Vorfälle auf Rademeyers Liste gehen zurück bis ins Jahr 1986, andere sind jüngeren Datums. Im Herbst 2016 gab es zwei wasserdichte Fälle von nordkoreanischen Bürgern, die am Bole-International-Flughafen in Äthiopien aufgehalten wurden. Bei einem der beiden wurden angeblich 76 Schnitzereien aus Elfenbein gefunden, bei dem anderen 200 Elfenbein-Armreifen. Beide Männer waren auf dem Weg nach China. Als jedoch einer der Männer seinen Diplomatenpass schwenkte, wurde er ohne Anzeige freigelassen. (Es ist wahrscheinlich, dass der andere Mann ebenfalls laufen gelassen wurde.)

„Nur wenige Polizisten wollen das Risiko eingehen, sich den Zorn ihrer Vorgesetzten zuzuziehen, weil sie Diplomaten festgenommen haben“, sagt Rademeyer. „Das weist auf ein wirklich großes Problem im Strafverfolgungsapparat hin.“

Staatlich sanktioniertes Verbrechen

Afrika ist bei Weitem nicht der einzige Ort, an dem nordkoreanische Diplomaten sich an illegalen Aktivitäten beteiligen. Entwickelt hat sich diese Gepflogenheit laut Sheena Chestnut Greitens, Kodirektorin des Instituts für Koreastudien an der Universität von Missouri, wahrscheinlich Mitte der 1970er Jahre, als Nordkorea bei der Rückzahlung seiner Schulden in Verzug geriet und die Möglichkeit verlor, weitere Kredite aufzunehmen. Der Staat brauchte dringend Geld und verarmte Diplomaten – Nordkoreanische Botschafter verdienen auch heute womöglich nur 850 Euro pro Monat – mussten nun selbst irgendwie für ihr Auskommen sorgen.

Überläufer, die zuvor in nordkoreanischen Botschaften gearbeitet hatten, erinnern sich daran, dass sie wochenlang von blankem Reis gelebt hatten, während sie versuchten, mit Nebengeschäften an Geld zu kommen. Einer von ihnen erzählte Rademeyer: „Wenn wir die Gelegenheit bekommen, ins Ausland zu gehen, tun wir alles dafür, dort so viel Geld wie möglich zu machen.“

Ein wesentlicher aber willkürlich bestimmter Teil ihres Einkommens muss außerdem als „Treuegeld“ oder „Revolutionssteuer“ nach Pjönjang geschickt werden. Stephan Blancke, einem Politologen und freischaffenden Wissenschaftler des King’s College in London zufolge, ist es der Regierung vollkommen egal, ob ein Teil oder sogar die ganze Summe dieses Geldes aus zwielichtigen Machenschaften stammt. „Es ist absolut in Ordnung für die Regierung, wenn ihre Diplomaten in illegale Geschäfte verwickelt sind, solange sie ihre Revolutionssteuer bezahlen und dazu vielleicht noch Geschenke für Geburtstage und andere besondere Tage schicken“, sagt er und bezieht sich dabei auf die Nationalfeiertage wie zum Beispiel den Geburtstag von Kim Il-Sung.

Im Jahr 1976 wiesen die skandinavischen Länder 12 nordkoreanische Diplomaten aus ihren jeweiligen Ländern aus. Ermittlungen hatten ergeben, dass sie riesige Mengen an polnischem Wodka, Zigaretten und Haschisch geschmuggelt hatten. Dennoch hat diese drastische Geste nur wenig dazu beigetragen, solche Praktiken einzudämmen. Greitens hat annähernd 150 Fälle von illegalen Aktivitäten unter Beteiligung von Nordkoreanern nachgewiesen. Viele von ihnen waren Diplomaten und einige wurden mit Beförderungen belohnt, als sie nach Hause zurückkehrten.

Inzwischen produzieren in Korea ansässige Fabriken qualitativ hochwertiges Methamphetamin, um es im großen Stil nach China und in andere Länder zu exportieren. Dadurch sind die Diplomaten des Landes nicht mehr so sehr in den Drogenhandel verwickelt wie sie es einmal waren, sagt Greitens. Aber es gibt immer noch genug Beweise, dass sie nach wie vor rege am Schmuggel und Verkauf von gefälschten Arzneimitteln, US-Dollars und Zigaretten beteiligt sind, sowie an der illegalen Beschaffung von Gold, Edelsteinen, Waffen und Wildtierprodukten.

„Schmuggel gehört wesentlich zu Nordkoreas Einnahmequellen von harter Währung und muss deshalb fortgeführt werden, um die Macht des Regimes zu erhalten“, sagt Greitens. „Das komplette Regime arbeitet auf Basis von Geld.“

Für Diplomaten: Wenig Risiko, satte Gewinne

Da sich die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Nordkorea verschärfen, werden die Diplomaten wahrscheinlich ihre illegalen Geschäfte im Ausland noch ausbauen, prognostiziert Blancke. Das schließt mehr Schwarzhandel mit Rhino-Horn und Elfenbein ein. Die Diplomatenverbrecher nutzen beides gerne, da es hohe Gewinne bei geringem Risiko verspricht.

Der in Seoul lebende Überläufer erzählte Rademeyer, dass Diplomaten in den Jahren 2011 bis 2014 einen Gewinn von gut 8000 Euro pro Koffer mit sieben bis zehn Kilogramm Elfenbein machten. Für ein Kilo Horn vom Breitmaulnashorn erzielten sie einen Gewinn von etwa 30.000 Euro (Horn vom Spitzmaulnashorn ging für das Doppelte des Preises über den Tisch).

Diplomatengepäck wird selten durchsucht und selbst wenn man abgefangen wird, sind die Strafen bei Vergehen gegen Wildtiere schon für Normalbürger bekanntermaßen niedrig – und für Diplomaten erst recht.

Nordkoreanische Diplomaten auszuweisen ist vielleicht die beste Lösung, dem rechtswidrigen Verhalten einen Riegel vorzuschieben. Dieses Jahr haben das bereits fünf Länder getan, auch wenn dies eher in Nordkoreas Atomwaffentests begründet lag.

Doch gewisse afrikanische Länder sind möglicherweise nicht bereit, Diplomaten in die Wüste zu schicken. Wie Rademeyer in seinem Bericht beschreibt, versorgte Nordkorea Staaten wie Uganda, Angola und Äquatorialguinea mit Rohstoffen, Militärberatern und Ausbildung während ihres Kampfes um Unabhängigkeit. Diese historische Bande besteht bis heute.

„Nordkorea hat ein paar gute Freunde in Afrika“, sagt Andrea Berger, eine wissenschaftliche Mitarbeiterin am Middlebury Institut of International Studies in Vermont. „Dort werden die Diplomaten selten überprüft und es gibt wenig Aufsicht ihrer Handelsaktivitäten, ob nun legal oder illegal.“

Andere afrikanische Länder haben jedoch genug davon. In Simbabwe ließ Robert Mugabe – der sein skrupelloses Regime auch durch die Hilfe und militärische Unterstützung Nordkoreas aufbauen konnte – die nordkoreanische Botschaft im Jahr 1998 schließen. Der Grund dafür war angeblich die peinlich hohe Zahl der überführten Diplomaten, die man beim Schmuggeln von Nashorn-Horn und Elfenbein erwischt hatte. Botswana kappte ebenfalls alle Verbindungen mit dem Staat im Jahr 2014 aufgrund von „Menschenrechtsverletzungen“, berichtet Rademeyer.

Dem Außenministerium von Botswana zufolge beinhaltete dies „unmenschliche Behandlung“ von Nordkoreanern und „vollkommene Missachtung der Menschenrechte seiner Bürger.“ Mogweetsi Masisi, Botswanas Vizepräsident, ging sogar so weit, Nordkorea vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York als „bösen Staat“ zu bezeichnen.

„Es gibt eine Art diplomatische Übereinkunft auf der ganzen Welt, dass Nordkorea viel zu lange im Ausland mit seinen Banditenmethoden durchgekommen ist. So viel ist es nicht wert, eine nordkoreanische Botschaft in seinem Heimatland zu haben“, sagt Ben Young, ein Doktorand in koreanischer Geschichte an der George-Washington-Universität in Washington, D.C.. „Ich glaube nicht, dass sie wirklich viel Diplomatie betreiben.“

Selbst wenn die zehn verbleibenden nordkoreanischen Botschaften in Subsahara-Afrika geschlossen werden, würde das das übergreifende Problem des illegalen Wildtierhandels nicht lösen. Die Zahl der Festnahmen nordkoreanischer Schmuggler von Wildtierprodukten liegt wahrscheinlich um ein Vielfaches unter der tatsächlich bestehenden Beteiligung des Landes. Dennoch ist wohl kaum Nordkorea allein für die pro Jahr mehr als tausend getöteten Nashörner in Afrika verantwortlich.

Außerdem sind die Diplomaten aus Nordkorea nicht die einzigen, die sich am Wildtierhandel beteiligen. Bei seinen Recherchen deckte Rademeyer auch 13 weitere Fälle von in Afrika eingesetzten Diplomaten – überwiegend aus China und Vietnam stammend – auf, die Rhino-Horn und Elfenbein geschmuggelt hatten.

„Basierend auf dem Wenigen, das wir über Nordkoreas Beteiligung an illegalem Wildtierhandel wissen, scheint es wahrscheinlich, dass sie eine eher kleine Rolle im Vergleich zu weitaus aktiveren und etablierten, transnationalen, kriminellen Netzwerken mit Wurzeln in Vietnam, China, Laos, Thailand und anderen asiatischen Ländern spielen“, sagt Rademeyer. „Aber sie alle tragen dazu bei, dass im vergangenen Jahrzehnt über 7.100 Nashörner in Afrika von Wilderern abgeschlachtet worden sind.“

Um Afrikas bedrohte wilde Tiere zu schützen, muss man die Nachfrage eindämmen, sagt Richard Thomas, Kommunikationschef von TRAFFIC. Diese Organisation überwacht den globalen Wildtierhandel. „Wenn die Nutzung von Nashorn-Horn in Asien komplett aus der Mode kommt, verschwindet damit auch der Anreiz, es dorthin zu schmuggeln, weil es dann keine hochpreisige Handelsware mehr wäre.“

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