Australiens urbane Flughunde: Zusammenleben mit Hindernissen

Ein australischer Fotograf hält das Leben der Flughunde in den Städten fest, das Mensch und Tier einiges abverlangt.

Von Leslie Nemo
bilder von Doug Gimesy
Veröffentlicht am 15. Nov. 2018, 15:27 MEZ
Flughund auf Blumen
Verwaiste und gerettete Graukopf-Flughunde fressen den Pollen heimischer Eukalyptuspflanzen, die ihnen als Leckerei zur Verfügung gestellt wurden. Da sie eine Vorliebe für Blühpflanzen haben, zählen sie zu den wichtigsten Bestäubern der australischen Waldlandschaften.
Foto von Doug Gimesy

Wer über den Golfplatz im Yarra Bend Park in Melbourne schlendert, sollte besser leise sein. Die Golfer brauchen ihre Ruhe – genauso wie die 30.000 Flughunde, die in den Bäumen über dem Rasen schlafen.

In australischen Städten wie Melbourne sind derart große Gruppen von Graukopf-Flughunden – eine der größten australischen Flughundarten mit einer Flügelspannweite von bis zu anderthalb Metern – keine Seltenheit mehr. Im Laufe der letzten Jahrzehnte sorgten das wachsende Nahrungsangebot in den Städten und die voranschreitende Bebauung der ländlichen Heimat der Tiere dafür, dass sie in urbane Gebiete abwanderten.

Die „Landflucht“ war für die Flughunde ein zweischneidiges Schwert. Einerseits drohen ihnen im urbanen Lebensraum neue Gefahren wie Netze und Stacheldraht, andererseits werden sie mitunter auch von Menschen vertrieben oder gestört. Ein paar städtische Flughund-Freunde setzen sich aber für den Schutz der bedrohten Art ein.

„Wir wollen, dass die Flughunde für immer hierbleiben, oder so lange sie eben bleiben wollen“, sagt Stephen Brend. Dem State Park Officer obliegt die Aufsicht über die Golfplatzkolonie. In diesem Jahr geht es der Population gut. Damit das in einem zunehmend urbanen Australien auch so bleibt, müssen sich sowohl die Flughunde als auch ihre menschlichen Nachbarn anpassen.

BELIEBT

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    Umzug in die Stadt

    Graukopf-Flughunde ernähren sich von verschiedenen Pollen und Nektarsorten. Das macht sie zu wichtigen Bestäubern im Lebensraum Wald. Einige ihrer liebsten Nahrungspflanzen sind seit einiger Zeit beliebte Zier- und Gartenpflanzen in australischen Städten. Immer mehr Kolonien ziehen deshalb vom Land in die Stadt. Der Ökologe Justin Welbergen von der Western Sydney University, der auch Präsident der Australasian Bat Society ist, hält dieses urbane Buffet für die Hauptursache dieser Verschiebung.

    Für den Wildtierfotografen Doug Gimesy, der in Melbourne wohnt und das urbane Leben der Flattermänner dokumentiert, hat der Umzug der Tiere seinen täglichen Arbeitsweg praktisch eliminiert. Die meisten Australier können sich darüber aber nicht so freuen wie Gimesy. „Wenn man 50.000 Flughunde in der Nachbarschaft hat, ist das eine Strapaze“, sagt Welbergen. Sie stinken, sie machen Krach und sie defäkieren. Außerdem leidet ihr Image unter dem weit verbreiteten Vorurteil, dass sie Krankheiten übertragen.

    Nach zwei Monaten in Pflege schwingt sich ein geretteter Graukopf-Flughund nur Sekunden nach seiner Freilassung wieder in die Lüfte und fliegt zu seiner Kolonie zurück.
    Foto von Doug Gimesy

    Wo auch immer sich die Kolonien ansiedeln – fast immer wollen Anwohner sie wieder loswerden. Die Flughunde in Melbourne hatten es sich in den Achtzigern beispielsweise in den Royal Botanic Gardens gemütlich gemacht. Anfang der 2000er war der öffentliche Unwille gegen die Tiere aber so weit gestiegen – ganz zu schweigen von den Schäden am botanischen Garten –, dass die Angestellten der Parkbehörde die Flughunde in den Yarra Bend Park umsiedelten. Dort hatten die Behörden die Tiere auch besser im Blick, wie Brend erklärt.

    Tödliche Begegnungen

    Die Mitarbeiter können die Tiere aber nicht mehr beschützen, wenn sie auf Nahrungssuche durch die Stadt fliegen. Die Anwohner versuchen oft, ihre Obstbäume durch Netze oder Stacheldraht zu schützen. Für die Tiere kann das tödlich enden.

    Ein Graukopf-Flughund hat sich in Stacheldraht verfangen, der eine Fabrik in Melbourne umgibt. Das Tier wurde vom Fotografen und seiner Partnerin gerettet und einige Monate später erfolgreich wieder ausgewildert. Seit Gimesy mit dem Fotografieren der Tiere begann, hat er mehr über ihren Überlebenskampf erfahren und ist nun selbst ein freiwilliger Flughundretter.
    Foto von Doug Gimesy

    Bev Brown kümmert sich um kranke und verletzte Graukopf-Flughunde, seit jemand vor 16 Jahren ein Flughund-Baby bei ihr abgegeben hat. In diesem Jahr wurde sie für ihre Arbeit mit der Ehrenmedaille Order of Australia ausgezeichnet. Während dieser Zeit hat sie alle möglichen Wehwehchen behandelt.

    Im Sommer erhält sie täglich acht bis zehn Flughunde, die sich durch Netze verletzt haben. Wenn sich Flughund-Mütter verfangen, versuchen sie sogar, ihre Flügel abzubeißen, um zu ihren Jungtieren zurückzukommen. Wenn die Schnüre die Blutgefäße zu lange und zu fest abschnüren, kann das Gewebe der Flügel beschädigt werden. Brown tut ihr Möglichstes, um diesen Tieren zu helfen. Aber wenn die Haut an den Flügeln weiter abstirbt, muss der Flughund eingeschläfert werden. „Das ist das Schlimmste. Diese großen braunen Knopfaugen blicken zu einem auf und man muss sie einschläfern lassen“, erzählt Brown. „Ich weine immer noch jedes Mal.“

    Ein Graukopf-Flughund ist unter einem Baumnetz in einem privaten Garten gefangen. Die Netze sollen die Tiere eigentlich davon abhalten, die Früchte zu fressen. Aber wenn die Maschen zu groß sind, wie in diesem Fall, können die Flughunde sich darin verfangen. Dieses Tier war zum Glück nur unter dem Netz gefangen und nicht darin. Es konnte gerettet und zehn Tage später wieder freigelassen werden.
    Foto von Doug Gimesy

    Trotz dieser Gefahren haben die Flughunde in Melbourne immer noch mehr Glück als viele andere. In Yarra Bend haben sie eine geschützte Schlafstätte gefunden. Anderswo in Australien können Einwohner die Tiere jederzeit von ihren Schlafstätten verscheuchen. Mancherorts ist es sogar legal, die Tiere zu erschießen. Dennoch zieht es die Flattermänner weiter in die Städte, wo das Blütenbuffet auf sie wartet.

    Kampf gegen Vorurteile

    Jenseits der Stadtgrenzen werden immer mehr Bäume abgeholzt, in denen die Flughunde einst schliefen. Viele ländliche Gebiete werden für die Landwirtschaft oder Bauprojekte erschlossen. Welbergen befürchtet, dass die Tiere nicht mehr auf ländliche Lebensräume ausweichen können, wenn das städtische Nahrungsangebot die wachsenden Populationen nicht mehr versorgen kann. Die Zerstörung von Lebensraum sei daher die größte Bedrohung für die Art.

    Geretteter Flughund ist Bananen-Fan
    23. November 2017 – Das ist Miss Alicia. Alicia ist ein Flughund, der im australischen Queensland gerettet wurde. Sie wurden von einem Auto angefahren und musste rehabilitiert werden. Allerdings war nichts gebrochen und alle vier Gliedmaßen funktionierten noch. Alicia wird wohl wieder vollständig genesen. Flughunde ernähren sich von Obst, Nektar und Blumen. Und Alicia liebt Bananen.

    Auch die globale Erwärmung macht den Tieren zu schaffen. An besonders heißen Tagen – von denen es immer mehr gibt – können die Flughunde durch den Hitzestress sterben. Oft sieht man sie dann in Massen die Bäume herabrutschen. Wenn die Hitzewellen im Frühling auftreten, wenn die Jungtiere noch völlig von ihren Müttern abhängig sind, könnte Brend zufolge fast eine ganze Generation ausgelöscht werden.

    Da den Flughunden von so vielen Seiten Gefahr droht, scheint nur ein besseres Verständnis für die Tiere dafür sorgen zu können, dass sie auch weiterhin den Nachthimmel bevölkern. Laut Welbergen beschäftigen sich mehr Forscher denn je mit Flughunden. Ihre kollektiven Bemühungen sollten dazu beitragen, noch mehr wissenschaftlich fundierte Rettungsmöglichkeiten für die Tiere aufzuzeigen.

    Eine Flughund-Mutter kann bis zu 40 km/h schnell fliegen, während sie gleichzeitig ihr Junges säugt.
    Foto von Doug Gimesy

    Derweil hat Gimesy, der für seine Arbeit oft um die Welt reist, von den pelzigen Fledertieren gelernt, wie wichtig es sein kann, den Blick für das Lokale nicht zu verlieren. „Ich glaube, wir sollten uns mit den Problemen vor unserer eigenen Haustür befassen, da sie die größte Wirkung haben können.“

    Brend und Brown werden sich weiterhin um die Tiere kümmern und die Öffentlichkeit bestmöglich informieren, um die Akzeptanz für die nächtlichen Nachbarn zu steigern. Ein örtlicher Supermarkt hat beispielsweise eingewilligt, nur feinmaschige Netze zu verkaufen, in denen sich die Fledermäuse nicht verfangen können. Brown stattet außerdem Häusern in der Umgebung neuer Kolonien Besuche ab, um die Fragen der Anwohner zu beantworten und ihre Bedenken zu zerstreuen.

    Graukopf-Flughunde fliegen an einem warmen Sommerabend auf der Suche nach Nahrung durch die Stadt. Nachts machen sich bis zu 50.000 der Tiere auf den Weg, um Pollen und Nektar zu finden. Bei Tagesanbruch kehren sie in ihre Bäume im Yarra Bend Park zurück, wo die Parkbehörde die Population überwacht und dafür sorgt, dass die Tiere gesund bleiben. Aber nicht alle australischen Städte stellen den Flughunden einen sicheren Schlafplatz zur Verfügung. Dort werden die Tiere oft von den Anwohnern vertrieben und müssen sich anderswo niederlassen.
    Foto von Doug Gimesy

    „Die Leute glauben, das sei fliegendes Ungeziefer, aber meine Kinder sind mit diesen fliegenden Säugetieren aufgewachsen“, sagt sie. Brend empfindet ähnlich: „Die Leute haben so eine schlechte Meinung von Fledertieren. Wir versuchen, das zu ändern.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

     

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