Rettung für die Wildkatze

Seit einigen Jahren erobert sich die Wildkatze langsam Teile ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets zurück. Im Gespräch: Thomas Mölich, Projektleiter des Rettungsnetzes Wildkatze beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 27. Feb. 2019, 15:22 MEZ
Wildkatze und Hauskatze sehen sich oft verblüffend ähnlich. Wichtiges Unterscheidungsmerkmal: der dickere Schwanz der Wildkatze mit ...
Wildkatze und Hauskatze sehen sich oft verblüffend ähnlich. Wichtiges Unterscheidungsmerkmal: der dickere Schwanz der Wildkatze mit seiner charakteristischen stumpfen und schwarzen Spitze.
Foto von Thomas Stephan, Bund

Herr Mölich, wie geht es der Wildkatze in Deutschland?

Es geht ihr besser als noch vor einigen Jahren. Nach jahrhundertelanger Bejagung und Lebensraumverlust erholen sich die Bestände. Die Wildkatze ist dabei, sich wieder auszubreiten.

Thomas Mölich leitet das Rettungsnetz Wildkatze beim BUND.
Foto von Thomas Mölich, Bund

Wie viele Wildkatzen gibt es aktuell in unseren Wäldern?

Schätzungsweise 7000 Wildkatzen leben heute in den deutschen Wäldern. Es ist aber schwierig, hier genaue Zahlen zu nennen, denn Wildkatzen leben sehr zurückgezogen.

Was brauchen Wildkatzen, um sich wohlzufühlen? Welche Voraussetzungen mussten geschaffen werden, damit sie frühere Verbreitungsgebiete zurückerobern?

Lichte, ausgedehnte Waldränder sind der wichtigste Lebensraum. Dort leben auch viele Mäusearten, von denen sich die Wildkatze bevorzugt ernährt. Wenn wir der Wildkatze helfen möchten, müssen wir solche Saumbiotope schützen und pflegen. Die Reviergröße hängt nicht zuletzt vom Nahrungsangebot ab. Im Nationalpark Hainich in Thüringen etwa sind die Reviere der weiblichen Tiere rund fünf Quadratkilometer groß, die der Männchen erstrecken sich auf bis zu vierzig Quadratkilometer.

BELIEBT

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    Wildkatzen besiedeln bevorzugt die inneren und äußeren Ränder großer zusammenhängender Wälder.
    Foto von Bund

    Gibt es denn überhaupt noch ausreichend große Waldflächen? Viele Wälder in Deutschland sind durch Straßenverkehr und Siedlungsbau stark zerschnitten.

    Aus diesem Grund hat der BUND im Jahr 2004 das Rettungsnetz für die Wildkatze ins Leben gerufen. Ziel ist es, zerschnittene Wälder durch Korridore aus Bäumen und Büschen sowie grüne Brücken wieder miteinander zu verbinden. Dabei greifen wir unter anderem auf Satellitendaten zurück. Sie zeigen uns, wo genau sich grüne Strukturen befinden, die sich mit Neupflanzungen vernetzen lassen. Idealerweise sind solche Grünstreifen mindestens 50 Meter breit. So kann die Wildkatze sich neue Reviere erschließen.

    Nehmen die Wildkatzen das Rettungsnetz an?

    Es sieht ganz so aus. Angefangen haben wir damals in Thüringen, wo wir den Hainich mit dem Thüringer Wald verbunden haben. Wir haben festgestellt, dass unsere grünen Korridore dort nach etwa fünf Jahren von Wildkatzen genutzt wurden, um neue Gebiete zu besiedeln. Und nicht nur die Wildkatze ist Nutznießer – letztlich profitieren alle im Wald lebenden Arten von der Waldvernetzung. Inzwischen dehnen sich die Aktivitäten des BUND über zehn Bundesländer aus. Die höchsten Bestandsdichten beobachten wir derzeit im hessischen Bergland, im Leine-Weserbergland, im Thüringer Hainich, im Pfälzer Wald und Hunsrück, im Harz und in der Eifel.

    Wiedervernetzung der Wälder: Grüne Korridore aus Bäumen und Büschen sollen Ausbreitungsbarrieren der Wildkatze beseitigen.
    Foto von Thomas Stephan, Bund

    Viele Wälder unterliegen aber einem hohen Freizeitdruck. Fühlt sich die scheue Wildkatze da nicht gestört?

    Problematisch sind vor allem freilaufende Hunde, die Wildkatzen massiv stören können. Der Mensch an sich ist weniger das Problem. Ich habe erlebt, dass Wildkatzen nur wenige Meter von mir entfernt in ihrem Versteck verharren. Sie vertrauen auf ihre Tarnung, bleiben in Deckung und warten, bis die Störung vorbei ist. Es ist deshalb auch sehr unwahrscheinlich, eine Wildkatze in freier Wildbahn zu Gesicht zu bekommen – selbst dort, wo vergleichsweise viele Exemplare leben.

    Die Wildkatze hat also in Deutschland eine Zukunft?

    Die Erfolge unseres Rettungsnetzes zeigen, dass sie tatsächlich eine Zukunft hat. Ein großes Problem in einigen europäischen Regionen wie etwa in Schottland oder Südosteuropa sind allerdings streunende Hauskatzen. Wenn sich Wildkatzen und Hauskatzen miteinander paaren, verliert die Wildkatze zunehmend ihre genetische Identität. Diese Gefahr droht ihr in Deutschland nach heutigem Stand aber nicht. Der Anteil an Mischlingen, so genannten Hybriden, beträgt nur etwa vier Prozent. In der Regel können sie sich in der freien Wildbahn nicht behaupten. Tatsächlich ist die Wildkatze in Deutschland aus genetischer Sicht sehr ursprünglich geblieben.

    Steckbrief Wildkatze

    Die Europäische Wildkatze ist mit einer Körperlänge bis 90 cm etwas größer und schwerer als eine Hauskatze. Ihr im Grundton hellgraues Fell ist länger und weniger stark gemustert. Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal ist der dickere bis zu 35 cm lange Schwanz mit der charakteristischen stumpfen und schwarzen Spitze. Außerdem hat er weniger Ringe als der einer Hauskatze. Der dunkle Strich auf dem Rücken von Wildkatzen endet an der Schwanzwurzel, bei getigerten Hauskatzen erstreckt er sich über den gesamten Schwanz. Stammform der Hauskatze ist nicht die Europäische Wildkatze, sondern die Falbkatze, die weite Teile Afrikas und Asiens bevölkert.

    Obwohl sie sich hauptsächlich von Mäusen ernährt, wurde die Wildkatze lange Zeit konsequent bejagt und in vielen Teilen Deutschlands ausgerottet. Heute stellt der zunehmend schrumpfende Lebensraum die größte Bedrohung dar. Wildkatzen besiedeln vor allem die inneren und äußeren Ränder großer zusammenhängender Wälder, die oft durch Verkehrsnetze und Nutzflächen zerschnitten werden.

     

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