Die Rückkehr der Luchse

Jahrhundertelang wurde Europas größte Raubkatze systematisch verfolgt. Heute streifen wieder rund 130 erwachsene Tiere durch Deutschlands Wälder. Wie steht es um die Zukunft der Luchse?

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 14. Feb. 2019, 21:54 MEZ, Aktualisiert am 25. Feb. 2021, 17:33 MEZ
Luchse brauchen große Reviere. Die vielerorts durch Straßen zerschnittene Landschaft macht eine dauerhafte Wiederansiedlung in weiten ...
Luchse brauchen große Reviere. Die vielerorts durch Straßen zerschnittene Landschaft macht eine dauerhafte Wiederansiedlung in weiten Teilen Deutschlands schwierig.
Foto von Nabu, Hans Pollin

Kaja scheint der fremden Umgebung nicht ganz zu trauen. Ein kurzer Blick nach rechts und nach links, dann verlässt sie ihre Transportbox, setzt zum Sprint an und verschwindet im Wald bei Waldleiningen. Im Sommer 2016 hat die Luchsin mit zwei anderen Luchswaisen aus den slowakischen Karpaten ein neues Zuhause im Pfälzerwald gefunden. Weitere Tiere folgten. Und es gibt Anzeichen dafür, dass sich Europas größte Raubkatze tatsächlich im Pfälzerwald wohlfühlt. Es war Kaja, die 2017 die ersten Pfälzer Luchsjungen seit über zweihundert Jahren zur Welt brachte. Schon ein Jahr später konnten drei Würfe mit mindestens fünf Jungtieren nachgewiesen werden.

Langsam aber beharrlich kehrt der Luchs nach Deutschland zurück. Lange genug hat es gedauert. Denn Lynx lynx wurde jahrhundertelang vor allem als „Jagdschädling“ systematisch verfolgt und schließlich Mitte des 19. Jahrhunderts ausgerottet. Im Pfälzerwald wurde der letzte Luchs schon im Jahr 1710 getötet. Heute streifen nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz wieder 125 bis 135 erwachsene Luchse und 59 Jungtiere durch unsere Wälder – 2019 waren es noch etwa 85 erwachsene Tiere. Die meisten Luchse leben im Harz und im Bayerischen Wald, wo ebenfalls Wiederansiedlungsprojekte ins Leben gerufen wurden. Auch in anderen Landesteilen wird die bis zu 120 Zentimeter lange Raubkatze immer wieder gesichtet, wenngleich es sich Experten zufolge in der Regel um abwandernde Tiere auf Reviersuche handelt.

Seltene Begegnung im Bayerischen Wald. Luchse sind scheue Einzelgänger.
Foto von Nabu, Harald Watzinger

Gefahr durch zerschnittene Lebensräume

Doch eine dauerhafte Wiederansiedlung der stark gefährdeten Art gestaltet sich vielerorts als schwierig. Potenziell geeignete Lebensräume gibt es zwar mehr als genug, betonen Umweltverbände wie WWF, BUND oder Nabu. Auch die Wild- und damit Beutetierdichte in den Wäldern sei auf einem historischen Höchststand. Allerdings macht die durch Straßen und Siedlungen zerschnittene Landschaft den gefleckten Raubkatzen mit den charakteristischen Pinselohren zu schaffen. Sie erschweren oder verhindern nicht nur den Kontakt von Männchen und Weibchen während der Paarungszeit. Jungluchse stehen vor der kaum lösbaren Aufgabe, aus dem Mutterrevier abzuwandern und sich ein eigenes zu suchen. Immerhin umfasst das Revier eines Luchsmännchens etwa 200-400, das des Weibchens circa 50-150 Quadratkilometer. „Luchse sind wahre Europäer. Sie benötigen große Reviere und halten sich nicht an nationale Grenzen“, erklärt Moritz Klose, Luchsexperte beim WWF Deutschland.

Luchsnachwuchs in Norwegen. Auch in unseren Breiten ist die größte europäische Raubkatze wieder heimisch. Aktuell streifen 125 bis 135 erwachsene Luchse und 59 Jungtiere durch deutsche Wälder.

Foto von Staffan Widstrand, All Rights Reserved

Und die starke Zerschneidung der Landschaft birgt weitere Gefahren: Die meisten Luchse kommen hierzulande durch den Straßenverkehr zu Tode. „Besonders hoch ist das Risiko für Luchse im ersten Jahr ihrer Selbständigkeit“, sagt Klose. Umweltschützer fordern auch deshalb den Ausbau zusammenhängender Biotope. Sogenannte Grünbrücken – bepflanzte Brücken, die speziell für Wildtiere als Überquerungshilfen über Straßen gebaut werden – könnten zusätzlich helfen, um Luchspopulationen zu verbinden und die Zahl der Verkehrsunfälle zu verringern. Und das kommt auch anderen Wildtieren wie Wölfen oder Wildkatzen zugute.

„Der Pfälzerwald ist ideal für Luchse“, betont Klose. „Es ist das größte zusammenhängende Waldgebiet in Deutschland. Hier gibt es Felsen und viel Unterholz, genau wie Luchse es lieben – und verhältnismäßig wenig Straßen, die ihnen gefährlich werden können.“ Noch bleibt viel zu tun, damit die scheuen Raubkatzen auch in weiteren deutschen Wäldern wieder heimisch werden können. Klose unterstreicht: „Wenn wir sie und ihre Lebensräume schützen wollen, brauchen wir einheitliche, länderübergreifende Vorgaben für das Monitoring und ihren Schutz.“

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