Goldene Pferde: Der Mythos um ihren einzigartigen Glanz
Das Haar der Achal-Tekkiner glänzt so metallisch, als wären sie nicht von dieser Welt. Dabei sind sie schon sehr lange hier. Doch nicht ihr Äußeres machte sie über vier Jahrtausende begehrenswert, sondern ihre Ausdauer und Treue.
Mehr als ein Mythos: Goldene Pferde gibt es wirklich. Grund für ihren einzigartigen Glanz ist ein hohles Haar, das den Tieren evolutionäre Vorteile brachte.
Dreht man einen Achal-Tekkiner in der Sonne, glänzt sein Fell metallisch, insbesondere die Falben schimmern wie pures Gold. Und plötzlich versteht man, warum sich um eine der ältesten Pferderassen der Welt zahlreiche Mythen und Geschichten ranken, die ihren Ursprung jedoch nicht nur in der Farbe der Vollblüter, sondern vor allem in ihren einzigartigen Eigenschaften haben.
Glänzender Stoff für Geschichten
Die Pferderasse aus Mittelasien ist unter Laien wenig bekannt, obwohl sie nachweislich zu den ältesten Rassen zählt und die heute populären englischen und arabischen Vollblüter mitbegründete. „Der Achal-Tekkiner ist über viele Generationen eine echte Reinzucht und die älteste Edelpferderasse der Welt. Es ist nachgewiesen, dass sie 2000 v. Chr. schon in Größe und Farbe so waren wie heute“, erklärt Herbert Blatt, stellvertretender Vorsitzender des Vereins Achal-Tekkiner. „Ihr Bekanntheitsgrad hält sich in Grenzen, da der Bestand in den Zuchtgebieten wie beispielsweise Russland, Turkmenien und Usbekistan immer sehr klein war. Der Gesamtbestand zur Wende der Sowjetunion belief sie auf ca. 2000 reinrassige Achal-Tekkiner. Von den wenigen Gestüten kamen meist nur Hengste zum Verkauf und es war immer ein Glücksfall eine gute Stute aus Russland zu bekommen.“
In der Antike waren die mittelasiatischen Achal-Tekkiner dagegen ziemlich populär. Immer wieder wird der besondere Glanz der Pferde thematisiert. Der antike Geschichtsschreiber Herodot erwähnt im 5. Jahrhundert vor Chr. die goldenen Pferde in seiner Historien im Zusammenhang mit den Massageten, einem Nomadenvolk iranischer Herkunft: Diese opferten dem Sonnengott ihr höchstes Gut: die goldfarbenen Pferde.
Kriege, Handel und Wanderungen verbreiteten die Pferde fast in der ganzen, damals bekannten Welt. Über die massagetischen Reiter in den Truppen des persischen Kaisers gelangten sie nach Ägypten, wo Pferdeabbildungen aus dieser Zeit Merkmale des Achal-Tekkiner tragen. Chronisten aus der der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. schrieben über hervorragende Pferde aus den fruchtbaren, östlichen Regionen, die es in keinem anderen Land gebe. Ihre Farbe sei weiß, regenbogenfarben oder von der Farbe des Morgenrots.
Ursprünglich stammen die Achal-Tekkiner aus den kargen Steppen Ostasiens. Durch Kriege, Handel und Wanderungen verbreitete sich die Rasse über die Kontinente.
Durch die Persischen Kriege gelangten die glänzenden Rosse nach Griechenland. Die Beschreibungen des legendären Pferds Alexander der Großen zeigen Ähnlichkeiten zu der mittelasiatischen Rasse. Alexander der Große soll einen reinen Achal-Tekiner geritten haben. Herodots Beschreibungen seines Bukephalos passen sehr gut: Feine Nasenwurzel, kleines Maul, geschwungener Hals und sehr langbeinig wie leichtfüßig. Bukephalos trug Alexander den Großen der Legende nach fast 30 Jahre von Griechenland bis nach Indien, ein Hinweis auf seine Ausdauer und Härte, aber auch auf Treue und Verbundenheit zwischen Ross und Reiter.
Das Kriegsross Rachsch des berühmtesten Sagenhelden der persischen Mythologie Rustam wird im Königsbuch (Schāhnāme) des persischen Dichters Ferdousi als „schnell wie ein Hirsch, stark und mutig wie ein Löwe“ beschrieben; ein rothaariges Pferd, „dem Glanz nach ist es Wasser, der Farbe nach Feuer“.
Krieg um die Himmlischen Pferde
Um die glänzenden Pferde der Nomadenstämme wurde sogar Kriege ausgetragen; wie der Krieg der Himmlischen Pferde im letzten Jahrhundert v. Chr: Dem chinesischen Kaiser Wu von Han war von besonders starken und großen Pferden aus dem Ferghanatal berichtet worden. „Die Achal-Tekkiner stammten ja ursprünglich aus der Steppe Turkmeniens, Kasachstans und Usbekistans und wurden dort mit wenig Futter aufgezogen. Im Ferghanatal, einem sehr fruchtbaren Tal zwischen Usbekistan und Turkmenistan, gewannen die Pferde aufgrund der sehr guten Futterbedingungen an Substanz. Sie wurden größer und stärker“, erklärt Herbert Blatt. Der chinesische Kaiser entsandte eine Handelsmission, um diese himmlischen Pferde zu kaufen. Nach zwei verlustreichen Feldzügen erhielt der Kaiser letztendlich 3000 Ferghanapferde.
Achal-Tekkiner in Preußen
Viele Jahrhunderte später, im 17. Jahrhundert schickten preußische Könige ihre Landstallmeister in den Orient um Hengste zu kaufen, die aus den Steppen und Wüstengebieten stammen, und von deren Genügsamkeit und hervorragenden Leistung sie gehört hatten. „Die in Europa gezüchteten Pferde hatten eine Tagesleistung von 40 km über 10 Tage. Die Landstallmeister von Ostpreußen, von Trakehnen usw., kreierten ein neues Pferd, indem sie orientalische Pferde mit den Eigenschaften von Läufern einkreuzten, die also mit wenig Wasser und Futter auskamen und sehr widerstandsfähig waren. Plötzlich ritten die Soldaten auf ihren Pferden 60 oder 65 km täglich, ohne dass die Pferde ermüdeten. Die Veredelung der Landespferdezucht mit Achal-Tekkinern und anderen Orientalen brachte einen großen Fortschritt um Härte und Ausdauer zu bekommen. Dazu kam auch, dass die Pferde gelenkiger und flexibler, leichter reitbar und behänder wurden. Denn Wendigkeit spielte für die Kämpfe eine wichtige Rolle“, erklärt Herbert Blatt.
Seit vier Jahrtausenden liegt das Glück dieser Erde auf dem Rücken dieser Pferde: Die angeborenen körperlichen und charakterlichen Eigenschaften machten den Achal-Tekkiner zum treuen Begleiter und beliebten Schlachtross.
Mehr als nur schönes Haar
Viele überlieferte Beschreibungen von berühmten Pferden und Schlachten passen auf die alte Vollblutrasse aus Mittelasien. Dabei ist es nicht der goldenen Schimmer, der den Pferden in damaliger Zeit zu Ruhm verhalf und sie in den letzten 4000 Jahren zu begehrten Zuchttieren machte. Es waren und sind ihre einzigartigen, angeborenen Eigenschaften, die sie für Nomaden, Feldherren und Züchter bis heute unentbehrlich machen.
„Ein Pferd war eine enorme Schlachtkraft“, so Blatt, „mit einem wendigen, starken Pferd war man klar im Vorteil.“ Eigenschaften, die der Achal-Tekkiner aufgrund seiner Evolution in den dürren Steppen seit jeher mitbrachte. Die Pferde waren berühmt für ihre Schnelligkeit, Ausdauer, Regenerationsfähigkeit und Anspruchslosigkeit. Die nomadischen Reiter konnten lange Strecken auf ihnen zurücklegen, ohne dass sie viel Wasser oder Kraftfutter benötigten, von langen Ritten erholten sich die Pferde schnell. Domestiziert und sozialisiert von Nomadenvölkern, zeichnete die Tiere zudem seine Anhänglichkeit an seinen Herrn und sein ausgeprägtes Misstrauen Fremden gegenüber aus. „In den Herkunftsländern war ein Pferd etwas sehr wertvolles. Das Futter war knapp, deshalb wurden sie mit Körnerfutter/Kraftfutter aus der Hand gefüttert, denn Körner waren in den kargen Gebieten teures Gut Die dünnhäutigen, dünnfelligen Fohlen verbrachten die kalten Nächte mit weniger als Null Grad, nach einem Tag mit Temperaturen über 35 Grad, in den Jurten der Nomaden-, bzw. Halbnomadenstämme. Dadurch waren sie an den Menschen gewöhnt, es entstand eine enge Bindung zum Reiter. Diese Eigenschaft ist bis heute vererbt. Selbst Halbblüter der Achal-Tekkiner sind menschenbezogener und neugieriger, ein bisschen intelligenter.“ Blatt kann aus eigener Erfahrung berichten: „Als ich einen fünfjährigen Hengst von der Rennbahn kaufte, hat er mich ein Jahr lang geduldet, aber nicht angeschaut. Für ihn war ich nicht existent. Er wurde dann mein bestes Leibpferd. Obwohl er ein aggressiver Hengst war, war er von mir und seinen Vertrauten leicht zu handeln. Bei Achal-Tekkinern findet man es sehr häufig, dass sie sich einem oder zwei Menschen anschließen und diesen unheimlich treu sind.“
Der Grund für den einzigartigen Glanz
Der einzigartige Glanz des Pferdehaars spielte für die Zucht und Bedürfnisse der Menschen eine Nebenrolle, befeuerte aber die Entstehung der Mythen um das goldene Pferd. „Egal ob Dunkelbrauner, Schimmel oder Goldfarbener- jeder Achal-Tekkiner hat, wenn man ihn in der Sonne dreht, einen anderen Farbton“, berichtet Blatt. „Amerikanische Forscher haben herausgefunden, dass der Grund für diesen extremen Gold-, Metallicschimmer ein hohles Haar ist. Als Steppen und Wüstenpferd hat sich das hohle Haar bei den Achal-Tekkinern deshalb evolutionär entwickelt, weil es dort kalte Nächte und sehr heiße Tage gibt. Die Natur hat sich durch ein hohles Haar eine Überlebensmöglichkeit geschaffen, um Temperaturschwankungen auszugleichen, indem das Haar Wärme oder Abwärme schafft. Das hohle Haar ist der Grund für die extreme Goldschattierung bei Goldfalben und für den Glanz, je nach Lichteinfall. Das ist einzigartig unter den Pferden. Das hat nur diese alte Rasse.“ Bei Kreuzungen in andere Pferderassen wird das hohle Haar allerdings nicht vererbt, sondern bleibt in der Rasse. Der heutige Vollblüter stammt zwar zu Zweidritteln vom Achal-Tekkiner ab, hat aber das hohle Haar nicht.
Achal-Tekkiner heute: Rekordhalter und Prestige-Objekt
Derzeit sind in China besondere Farben der Achal Tekkiner gefragt, die zu enormen Preisen aus Russland verkauft werden, berichtet Blatt. Dort werden die schimmernden Pferde als Schmuckstück und Prestigeobjekt gesehen. In Deutschland geht es beim Achal-Tekkiner dagegen nicht um Prestige sondern – typisch deutsch - um Leistung. Viele Jahre lang hielten Achal-Tekkiner den Weit-, und Hochsprung-Rekord. „Wir wollen Achal-Tekkiner im Sport einsetzen, egal ob beim Springen, der Dressur, Jagd oder Vielseitigkeit. Denn die sportlichen Pferde haben viele Fähigkeiten“, so Blatt. Uralte Fähigkeiten einer Pferderasse, dessen Erhalt einem Glücksfall gleicht und der den Nomadenstämmen geschuldet ist. In ihrem Jahrtausende alten, einzigartigen Glanz, lebt noch heute der Mythos vom himmlischen Pferd weiter.