Tierische Landwirte: Wie Insekten Futter anbauen

Sie melken Blattläuse, jäten Unkraut und legen Pilzfarmen an: Viele Insekten betreiben erfolgreich Landwirtschaft. Doch wie funktionieren Ackerbau und Viehzucht in der Tierwelt?

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 9. Nov. 2022, 09:23 MEZ
Blattschneiderameisen krabbeln durch die unzähligen Pilzgeflechte in ihrem Bau.

Blattschneiderameisen legen ganze sogenannte Pilzgärten an und pflegen diese gewissenhaft.

Foto von silukstockimages / Adobe Stock

Der Übergang vom Leben als Jäger und Sammler zur Sesshaftigkeit war einer der wichtigsten Entwicklungsschritte der Menschheitsgeschichte. Die Etablierung des Ackerbaus und der Viehzucht machten ihn möglich.

Doch wir sind nicht die einzigen Lebewesen auf der Erde, die die Vorteile des landwirtschaftlich organisierten Nahrungsanbaus erkannt haben. Manche Insekten kultivieren Futterquellen mit ähnlichen Methoden wie Menschen. Der große Unterschied ist jedoch, dass die tierischen Landwirte mit ihren Nahrungsquellen eine Symbiose eingehen: Die Beziehung ist also – anders als beim Menschen – mutualistisch. Die folgenden drei Spezies betreibe Landwirtschaft besonders erfolgreich.

Ambrosiakäfer züchten Nahrungspilze

Ambrosiakäfer, eine Borkenkäferart, leben mit Pilzen in enger Symbiose. „Jede Ambrosia-Käferart hat ihren eigenen Nahrungspilz. Keiner kann ohne den anderen überleben“, sagt Entomologe Peter Biedermann von der Uni Freiburg. Zwischen den Käfern und Pilzen besteht also eine Abhängigkeit. Im Rahmen einer aktuellen Studie, an der auch Biedermann beteiligt war, wurde nun erstmals konkret nachgewiesen, dass Ambrosiakäfer Pilze durch aktive Landwirtschaft züchten und so ihre Nahrungsversorgung sichern.

Der Ambrosiakäfer Xyleborinus saxesenii züchtet in den Gängen seiner Bauten Pilze, von denen er sich ernährt.

Foto von Gernot Kunz

„Obwohl sich Nutzinsekten biologisch deutlich vom Menschen unterscheiden, sind ihre Bewirtschaftungstechniken bemerkenswert ähnlich“, heißt es in der Studie. Die Käferart Xyleborinus saxesenii, die für sie untersucht wurde, ist auch als Obstbaum-Lochbohrer bekannt. Sie lebt, wie der Name verrät, in selbst gebohrten Löchern und Gängen im Holz von Bäumen. Der Studie zufolge hegen und pflegen die Käfer dort Pilze, die an den Innenwänden ihrer Höhlen wachsen – und das mit landwirtschaftlicher Effizienz. 

Zu erkennen ist die landwirtschaftliche Tätigkeit der Käfer vor allem an der Zusammensetzung der Pilzgeflechte. In den Gängen, in denen Käfer leben, bestehen sie zu einem größeren Teil aus Nahrungspilzen als in verlassenen Bauten. „Diese Ergebnisse unterstützen die Existenz einer aktiven Landwirtschaft bei Ambrosia-Käfern“, so Biedermann. Die genauen Mechanismen, die die Käfer anwenden, seien dabei allerdings noch nicht ganz aufgedeckt worden.

Die Blattlausfarmen der Ameisen

Ein wichtiger Aspekt des Ackerbaus und der Landwirtschaft ist die Entwicklung von Praktiken, die die Verfügbarkeit von Nahrung das ganze Jahr über garantieren und generell planbarer machen. Insekten, die das wohl als erstes erkannt haben und von deren landwirtschaftlichem Talent man schon länger weiß, sind Ameisen. Unter ihnen gibt es sogar Spezialisten für verschiedene Fachgebiete: Darunter sogar die Viehzucht – in Form von Blattlausfarmen.

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    Als Gegenleistung für den Honigtau, den sie Blattläusen abmelken, schützen Ameisen ihre Herden vor Fressfeinden.

    Foto von leopictures / Adobe Stock

    Diese werden von Ameisenarten geführt, die in symbiotischer Beziehung mit Blattläusen leben. In einer Studie des Imperial College London konnte nachgewiesen werden, dass diese Ameisen Blattläuse gezielt vor Fressfeinden schützen, um sie dann zu melken und an den zuckerhaltigen Honigtau zu gelangen, den Blattläuse ausscheiden.

    Damit die Blattläuse in der Nähe bleiben, betäuben die Ameisen sie mithilfe ihrer Duftstoffe oder entfernen ihre Flügel. Im Gegenzug helfen sie den Blattläusen dabei, die saftigsten Blätter zu finden und sorgen dafür, dass sie diese in Ruhe aussaugen können.

    Blattschneiderameisen in Symbiose mit Pilzen

    Blattscheiderameisen züchten hingegen, ähnlich wie Ambrosiakäfer, lieber Nahrungspilze. Sie leben in Symbiose mit dem Pilz Leucoagaricus gongylophorus, den sie auf Feldern geradezu anbauen. Dazu kultivieren sie den Pilz mithilfe des Blattmaterials, das sie mit ihren Mundwerkzeugen in kleinste Stücke schneiden. Zur Pflege des Pilzes säubern sie die Anbauflächen regelmäßig und schützen ihn mithilfe eines selbst hergestellten antibakteriellen Mittels vor Infektionen.

    Im Rahmen einer Studie fand man heraus, dass die Ameisen diese Form der Landwirtschaft schon seit rund 60 Millionen Jahren betreiben. Dieser langfristige Erfolg spricht für sich. „Vermutlich können wir Menschen von diesen Mechanismen noch etwas lernen“, sagt Peter Biedermann. Denn gerade mit Pilzinfektionen in der Landwirtschaft haben auch wir Menschen zu kämpfen.

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