Haben weibliche Schlangen Spaß beim Sex?

Lange Zeit war nicht bekannt, dass auch Schlangen eine Klitoris haben. Ein australisches Forschungsteam hat sie nun gefunden. Die Entdeckung könnte das Verständnis von der Fortpflanzung der Reptilien grundlegend verändern.

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 16. Dez. 2022, 15:11 MEZ
Zwei Schlangen beim Paarungstanz auf sandigem Boden.

Zwei Puffottern (Bitis arietansaus) bei der Paarung. Forschende aus Australien fanden heraus, dass weibliche Schlangen eine Klitoris besitzen – die möglicherweise Empfindungen beim Sex auslöst.

Foto von renatehenkel / Adobe Stock

Unterschätzt oder unbeachtet: Der Rolle der Klitoris kam in der Wissenschaft bislang wenig Aufmerksamkeit zu. Während das allgemeine Interesse an dem Schwellkörper, der die empfindlichste Stelle der Vulva bildet und für den Großteil der weiblichen Orgasmen verantwortlich ist, beim Menschen seit einiger Zeit zunimmt, steckt die wissenschaftliche Erforschung der Klitoris bei Tieren noch in den Kinderschuhen. 

Sicher ist, dass alle weiblichen Säugetiere über eine Klitoris verfügen. Bei Bonobos und Delfinen konnte sogar ein Lustgewinn durch die Stimulation des Geschlechtsorgans bis hin zu einem vermuteten Orgasmus beobachtet werden. Ob das allerdings auch für Reptilien gilt, war bislang nicht so klar. „Im Tierreich werden die weiblichen Genitalien im Gegensatz zu ihren männlichen Gegenparts oft übersehen“, sagt die Biologin Megan Folwell von der University of Adelaide in Australien. Ein Grund für sie, bei weiblichen Schlangen einmal näher hinzuschauen. 

In der Studie, die das internationale Forschungsteam unter der Leitung von Folwell in der Zeitschrift Proceedings of the Royal Society B veröffentlichte, untersuchten die Forschenden neun Schlangenarten auf das Vorhandensein einer Klitoris und ihre möglichen Funktionen bei der Fortpflanzung. Ihr erstaunliches Ergebnis: Alle Schlangenweibchen verfügten über das Geschlechtsorgan – ein Indiz für Lust am Sex?

Sexorgien männlicher Schlangen verkürzen deren Lebensdauer

Alle Schlangen besitzen Hemiklitorides – in verschiedenen Größen

Die Studie aus Australien war die erste Untersuchung dieser Art, die je durchgeführt wurde. Bisher ist davon ausgegangen worden, dass die sogenannte Hemiklitoris von Schlangen – der Name leitet sich vom zweigeteilten Aufbau ab – entweder nicht vorhanden ist oder keinerlei Funktion besitzt, so Folwell. Das Gegenteil bewies das australische Forschungsteam nun, indem es bei neun Schlangenarten eine anatomische Untersuchung durchführte und zusätzlich – bei bereits toten Individuen – die Hemiklitoris mit dem umliegenden Gewebe entfernte, um ihre Funktion näher zu bestimmen. Unter den Arten befanden sich zum Beispiel die Todesotter (Acanthophis antarcticus) und die Puffotter (Bitis arietansaus) aus der Familie der Vipern.

Ihre Arbeit zahlte sich aus: Bei jeder der neun Arten fanden die Forschenden Hemiklitorides in verschiedenen Größen vor. Während Nattern die kleinsten aufwiesen, besaßen Vipern die größten. Der Aufbau des Geschlechtsorgans war allerdings bei allen Schlangen gleich: Die Hemiklitorides bestanden aus zwei durch Bindegewebe getrennten Strukturen, die zusammen eine Dreiecksform ergaben. „Wir konnten feststellen, dass sich die herzförmigen Schlangen-Hemiklitorides aus Nerven und roten Blutkörperchen zusammensetzen, vergleichbar mit Schwellkörpern, was darauf hinweist, dass sie während der Paarung anschwellen und stimuliert werden können“, erklärt Kate Sanders, ebenfalls Biologin an der University of Adelaide und Co-Autorin der Studie. 

Weibliche Lust könnte Vorteile für die Fortpflanzung haben

Der Fund lässt neue Rückschlüsse auf den Sex bei Schlangen zu. Anders als vermutet, könnten weibliche Stimulation und Lust dabei eine größere Rolle spielen – und die Weibchen damit mehr Spaß an dem Akt haben – als bislang angenommen. Die Entdeckung der Hemiklitoris wirft zudem ein neues Licht auf Hypothesen zum Schlangen-Vorspiel: Männliche Schlangen wickeln sich oft um den Schwanz ihrer Partnerinnen – dort, wo die Hemiklitoris lokalisiert ist – und pulsieren, so die Forschenden. Eine Tätigkeit, die das Lustempfinden der weiblichen Schlange steigern könnte.

Für das Verständnis von der Fortpflanzung von Schlangen könnten die Ergebnisse der australischen Forschenden einen immensen Stellenwert haben. „Wir vermuten, dass die Hemiklitorides während der Balz und der Kopulation Empfindungen bei der Schlange auslösen, was zu einer längeren und häufigeren Paarung und damit zu einem erhöhten Befruchtungserfolg führen könnte“, heißt es in der Studie. Für eine abschließende Klärung seien allerdings weitere Untersuchungen nötig. 

Forscherinnen wie Megan Folwell ist es zu verdanken, dass die weibliche Anatomie immer mehr in den Fokus der Wissenschaft rückt. „Dieser Fund zeigt, dass die Forschung diverse Denkerinnen und Denker mit ganz unterschiedlichen Ideen braucht, um weiterzukommen“, so Sanders. 

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