Rätsel um tote Kegelrobben vor Rügen gelöst?

Seit Wochen werden an der deutschen Ostseeküste tote Robben angespült. Nun könnten Forschende die Todesursache gefunden haben.

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 5. Nov. 2024, 11:48 MEZ
Kegelrobben liegend am Strand

Weibliche (links) und männliche Kegelrobben (rechts) an einem Strand von Helgoland. Der Bestand der Tiere hat sich in den letzten Wochen in Deutschland stark dezimiert.

Foto von Maseltov / Wikimedia Commons

Seit Anfang Oktober werden immer wieder tote Kegelrobben im Südosten Rügens und im Greifswalder Bodden angespült. Rund 40 tote Tiere wurden mittlerweile gefunden. „Die meisten von ihnen sind im Haken bei Thiessow, Lobbe und Zicker im Südosten Rügens aufgetaucht“, sagt Dr. Judith Denkinger, Kuratorin am Deutschen Meeresmuseum Stralsund. Erst vor wenigen Tagen wurden auf der Halbinsel Mönchgut wieder drei Kadaver entdeckt. Etwa 20 Prozent des derzeit in der Region etwa 200 Tiere umfassenden Bestands sind so innerhalb kürzester Zeit umgekommen – und ein kritischer Wert damit überschritten.

Die Frage, woran die Kegelrobben gestorben sind, treibt nicht nur das Deutsche Meeresmuseum in Stralsund um. Mehrere Institute und Behörden sind mittlerweile in die Klärung involviert, darunter die Tiermedizinische Hochschule (TiHo) Hannover und die Wasserschutzpolizei (WSPI) Sassnitz.

„Die Sektionen ergaben bislang keine Hinweise auf eine natürliche Todesursache“, sagte Umweltminister Dr. Till Backhaus bei einer Pressekonferenz am 31. Oktober in Schwerin. Auch Infektionskrankheiten wie die Vogelgrippe und menschliches Einwirken, zum Beispiel durch Vergiftung oder Bauarbeiten, konnten als Todesursachen ausgeschlossen werden. Nun ergaben Untersuchungen des Deutschen Meeresmuseums Stralsund und der TiHo Hannover: Die Tiere sind wahrscheinlich ertrunken.

Kegelrobbe

Kegelrobben vor Rügen: Tod durch Ersticken

Bislang wurden elf Kadaver vom Deutschen Meeresmuseum Stralsund seziert. „Wir haben in der Sektion Hinweise auf Erstickungstod und Beifang gefunden“, sagt Denkinger, die an den Untersuchungen beteiligt war. Darunter rot unterlaufene, hervorquellende Augen, abgebrochene Vibrissen (Tasthaare) an der Schnauze, Abriebe an Kopf und Flossen sowie Hämatome im Kopf-, Nacken, Bauch- und Flossenbereich. Die ersten Befunde der
histologischen Untersuchung der TiHo Hannover bestätigen ebenfalls typische
Ertrinkungssymptome von Beifangtieren.

Das wahrscheinlichste Szenario sei, dass sich die Tiere in einem Fischernetz verfangen haben, so Denkinger. „Bei einigen Tieren haben wir einen gefüllten Magen gefunden. Das ist ziemlich typisch: Die Tiere gehen ins Netz, schlagen sich dort den Bauch voll, können daraufhin nicht auftauchen und ertrinken.“ Durch den Stress würden sich Kegelrobben in solchen Situationen häufig übergeben und anschließend ihre Nahrungsreste einatmen. Auch das konnten die Forschenden bei den toten Kegelrobben von Rügen feststellen: „Wir konnten Nahrungsreste bis in die Lunge hinein finden“, sagt Denkinger. 

Fischreuse vor Thiessow unauffällig

Hundert Prozent sicher sein, dass die Tiere in einem Fischernetz verendet sind, könne man erst, wenn man eine Kegelrobbe in einem Netz findet, so Denkinger. Die Kontrollen einer Reuse vor Thiessow, die zunächst im Verdacht stand, mit dem Tod der Kegelrobben in Verbindung zu stehen, blieben bislang ergebnislos. Sie wurde bereits vor anderthalb Wochen eingeholt. Seitdem sind weitere tote Tiere aufgetaucht. Denkinger vermutet, dass in den kommenden Tagen noch ein paar Kadaver hinzukommen könnten. Derzeit werde die Zahl der toten Tiere mit dem Biosphärenreservat Rügen abgeglichen. 

Gefährdete Kegelrobben-Bestände in der Ostsee

Das Ereignis bedeutet einen herben Rückschlag für die Wiederansiedlung der Kegelrobben. Seit 2003 erholen sich die Bestände in den Gewässern um Rügen nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz zwar. Aber jede kleine Störung könnte ihre Rückkehr negativ beeinflussen und zur Vertreibung der Tiere führen.

Der WWF Deutschland fordert die zuständigen Behörden auf, sofortige und langfristige Schutzmaßnahmen in Kraft zu setzen. „Wir müssen dringend die Gefahrenquellen ermitteln und sofortige Schritte einleiten, um die ohnehin gefährdete Kegelrobbenpopulation in der Ostsee zu schützen“, sagt Finn Viehberg, Leiter des WWF-Büro Ostsee in Stralsund. Dazu zähle unter anderem die flächendeckende Einführung robbensicherer Vorrichtungen an Reusen. Sie sollen das Ertrinken weiterer Tiere verhindern.

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