Laubenvögel: Nur für dich, mein Schatz

Laubenvogelweibchen sind wählerisch: Daher werben die Männchen mit extragroßen Brutstätten um ihre Gunst. Dieser Konkurrenzkampf beflügelt die findigen Vögel.

Von Virginia Morell
Foto von Tim Lamán

Er ist zwar nicht so prächtig wie der Wolkenkratzer des anderen Donald, des amerikanischen Milliardärs Donald Trump. Aber trotzdem eindrucksvoll, denn dieser „Donald“ hat ihn komplett allein errichtet, mit einem einzigen Werkzeug: mit seinem Schnabel. Der Goldhaubengärtner aus der Familie der Laubenvögel lebt in den schattigen Gebirgswäl­dern auf Papua-Neuguinea. Auf einem mit Moos ausgelegten Fundament hat er um einen jungen Baum herum einen Turm aus Ästen und Zwei­gen geflochten, seine Basis mit Nüssen, Käfern und cremefarbenen Pilzen dekoriert. An die unteren Zweige hat er Girlanden aus Raupenkot gehängt, an denen nun Tautropfen glitzern. Einen Meter hoch ragt der Turm auf. „Donald“ sitzt in der Nähe auf einem Baum, den Schnabel himmelwärts gerichtet. «Rat-a-tat-tat», hämmert sein Ruf. Immer wieder: «Rat-a-tat-tat.»

Alles zusammen – der aufwändige Turm, die hübschen Präsente und das laute Rufen – dient nur einem Zweck: Es soll weibliche Goldhau­bengärtner davon überzeugen, dass „Donald“ die beste Partie im Umkreis ist und dass eines der Mädel ihn und nicht einen seiner Nachbarn zum Partner wählen sollte. Wird „Donalds“ tol­ler Turm die erhoffte Wirkung zeigen? «Darauf kommt nun alles an», sagt Brett Benz. Der amerikanische Ornithologe aus Kan­sas war es, der „Donald“ nach dem Milliardär und Hochhausbesitzer benannt hat. «Sicher, er hat den höchsten Turm in der Gegend. Mal sehen, ob er eine „Mary“ damit anlocken kann.» Im Dialekt dieser Insel ist eine Angehörige des schönen Geschlechts grundsätzlich eine „Mary“.

Zur Brautwerbung errichten die Männchen von 17 der 20 bekannten Laubenvogelarten kunstvolle Bauwerke, den Boden davor schmü­cken sie prächtig mit allem, was die Natur – und neuerdings auch die Zivilisation – ihnen bietet. Benz hat sämtliche Lauben der Goldhaubengärtner in diesem Teil des Waldes vermessen. Er kann „Donalds“ Leistung also kompetent bewerten. Benz weiß zudem sehr viel über dessen Aktivitäten – und über die seiner Rivalen. Er hat Videokameras installiert. Sie zeichnen jede Be­wegung der Vögel auf, auch Balz und Paarung.

Ihr Verhalten ist ein Paradebeispiel für das Prinzip der sexuellen Auslese, jener von Charles Darwin definierten evolutionären Kraft, mit der er auffällige männliche Attribute wie Gesang, leuchtende Farben und Geweihe erklärte. Darwin hatte bemerkt, dass bei den meisten Tierarten die Weibchen die Partnerwahl treffen und dass sie ihre Entscheidung oft aufgrund von Schmuck und Pracht der werbenden Männchen fällen. Die meisten Laubenvögel sind polygyn – ein Männchen paart sich also mit mehr als einem Weibchen, es hilft aber weder beim Nest­bau noch beim Brüten oder der Aufzucht der Küken. Es trägt nichts bei außer seinen Genen. Daher sind die Weibchen bei der Partnersuche sehr wählerisch. Sie wollen die besten Gene eines gesunden Partners. Die reich verzierten Lauben geben ihnen offenbar Hinweise, ob ein Bewerber diese Ansprüche erfüllt.

Wir Menschen erforschen das Verhalten der Laubenvögel auch deshalb, weil sie unserer Art überraschend ähnlich sind. Der Evolutionsbiologe Jared Diamond nannte sie einmal «die menschlichsten aller Vögel». Sie bauen Hütten, die wie Puppenhäuser aussehen. Sie arrangieren Blüten, Blätter und Pilze so kunstvoll wie ein Maler, der ein Stillleben komponiert. Außerdem sind Laubenvögel Stimmkünstler: Einige kön­nen die männlichen und weiblichen Parts der Duette einer anderen Art nachsingen. Manche ahmen einen Kookaburra nach, den Eisvogel, der auch Lachender Hans genannt wird, oder das Knattern einer Kettensäge. Tanzen können sie übrigens auch, und was „Donalds“ Käfersammlung betrifft: Er tötet die Insekten allein zum Zweck, sie als Dekor zu nutzen. So etwas tun unter allen Tierarten sonst nur noch die Menschen.

«Die Weibchen entscheiden», erinnert mich Benz noch mal, als er mir einen seiner getarnten Ansitze öffnet. Ich schlüpfe hinein und wünsche „Donald“ viel Glück. Nieselregen kurz nach der Morgendämmerung – so ein Wetter lieben die Goldhaubengärtner in der Paarungszeit. Ich beobachte den Freier auf seinem Gesangsast: ein Kerlchen von der Größe eines Blauhähers mit schlichten olivbraunen Federn und einem orangefarbenen Streifen auf dem Kopf.

Eine Zeitlang lässt er sein «Rat-a-tat-tat» er­schallen. Dann fällt ein gelbes Blatt auf den moosigen Rasen seines Turms. Sofort fliegt er hinab, um es zu beseitigen. So etwas gefällt den „Marys“. Alle Laubenbauer sind aufmerksame Hausmeister. Sie wählen ihre Sammelobjekte mit Bedacht und geben sich viel Mühe mit der Prä­sentation. Ein Seidenlaubenvogel in Australien zum Beispiel stellt vor seiner Allee aus Zweigen und Gras blaue Papageienfedern, weiße Schne­ckenhäuser sowie gelbe und violette Blüten aus. Doch keiner sammelt so leidenschaftlich wie der Graulaubenvogel, der im offenen Wald­land Nordaustraliens lebt.

Die Männchen dieser Art sammeln buchstäb­lich Tausende Objekte: weiße und graue Kiesel, Schneckenhäuser, Rückenwirbel, haufenweise Glas, Hülsen von Gewehrpatronen, bunte Plas­tikstreifen, Draht, Flaschenverschlüsse, Alufolie, Spiegel und CDs. Einerseits wollen sie damit natürlich den Weibchen imponieren. Aber auch Rivalen ausstechen: «Sie stehlen anderen die Dekorationen und reißen einander die Lauben ein», berichtet die kalifornische Ornithologin Natalie Doerr. «Die Vögel haben kein Geweih, mit dem sie kämpfen könnten – also kämpfen sie mit dem, was sie besitzen.»

„Donald“, der Goldhaubengärtner, ist mittler­weile auf seinen Ast zurückgekehrt und be­schleunigt nun seinen Gesang, denn er hat ein Weibchen entdeckt. Seine Rivalen im Geäst allerdings auch. Alle wetteifern nun mit ihren Liebesliedern um die Vogeldame in den Baumkronen. Wen wird diese „Mary“ erhören? „Donald“ singt ein Repertoire aus Vogel- und Froschtrillern und hüpft auf seine Moosmatte hinab. Er duckt sich hinter seinen Turm und weist mit dem Schnabel in die Baumkronen, wobei er leise zwitschert. Plötzlich erscheint auf der anderen Seite seines Turms ein weiterer Goldhaubengärtner. Das Gefieder hat die gleiche Farbe, aber der Kopf ist rundlicher. Eine „Mary“!

Also schon mal gut, ihre Neugier ist geweckt. Jetzt muss er sie überzeugen, auch zu bleiben. „Donald“ richtet seinen zuvor verborgenen karottenroten Scheitelkamm auf und schießt mit gespreizten Flügeln auf sie zu. Dann huscht er zurück. Er gräbt die Krallen ins Moos und ruckt und schaukelt und zwitschert und singt. Er rennt um seinen Turm herum und springt das Weibchen von der anderen Seite an. Beide laufen vor und zurück, umkreisen immer wieder die Laube. Manchmal sucht die „Mary“ Abstand, um ihn und seinen flammend roten Federkamm besser betrachten zu können.

Doch dann, nach zehn Minuten, tritt sie an den Moosrand und fliegt davon. „Donald“ bleibt bei seinem Turm sitzen. Wieder und wieder ruft er ihr hinterher, in immer höherer Tonlage. Was hat er falsch gemacht? «Vermutlich gar nichts», sagt Benz, als ich ins Lager zurückkomme. «Das war wohl nicht ihr erster Besuch bei „Donald“. Ich wette, dass sie wiederkommt.» Entweder glaubt „Donald“ das auch. Oder er hofft auf das Erscheinen einer anderen „Mary“. Jedenfalls geht er bald wieder an die Arbeit. Er fährt seinen für festliche Momente gedachten Federkamm wieder ein und macht sich an der Basis seines Turms zu schaffen. Er räumt Moos- und Zweigreste beiseite, arrangiert die Nüsse neu und ordnet den Käferhaufen. Zum Schluss rückt er die Girlande aus Raupenkot zurecht. Er tritt einen Schritt zurück und begutachtet sein Werk. Die Laube scheint ihm für den nächsten Besuch bereit, denn nun springt er auf seinen Ast und beginnt zu rufen: «Rat-a-tat-tat.» Und immer wieder: «Rat-a-tat-tat.»

 

(NG, Heft 7 / 2010)

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