Wer ermordete die Virunga-Gorillas?

Die Killer warteten. Bald würde es dunkel sein. Es war der 22. Juli 2007. Die Männer kauerten im Wald und machten sich bereit, mit ihren automatischen Gewehren eine Gorillafamilie zu erschießen.

Von Mark Jenkins
bilder von Brent Stirton
Foto von Bild: Brent Stirton

Die Killer warteten. Bald würde es dunkel sein. Es war der 22. Juli 2007. Die Männer kauerten im Wald und machten sich bereit, mit ihren automatischen Gewehren eine Gorillafamilie zu erschießen. Am Hang des Mikenovulkans im Osten der Demokratischen Republik Kongo hatten sie die zwölfköpfige "Rugendo"-Gruppe aufgespürt. Sie war eine Attraktion für Touristen und geliebt von den Rangern des Virunga-Nationalparks. Der Patriarch der Gorillafamilie, ein 225 Kilo schwerer Silberrücken mit dem Namen "Senkwekwe“, muss gespürt haben, dass die Angreifer in der Nähe waren. Vielleicht hat er über ihren unangenehmen Geruch seine breite schwarze Nase gerümpft. Doch er war sicher nicht beunruhigt. Er hatte schon Tausende von Menschen gesehen und ihre Nähe wohl als irritierend, aber unvermeidlich akzeptiert. Die "Rugendo"-Familie war so sehr an Menschen gewöhnt, dass die Gorillas manchmal aus dem Wald herauskamen, um zum Verdruss der örtlichen Bauern in einem Maisfeld ein improvisiertes Picknick zu machen.

Parkranger vom nahe gelegenen Posten gaben später zu Protokoll, sie hätten an jenem Abend um acht Uhr Schüsse gehört. Am nächsten Morgen fanden sie bei einem Streifengang drei erschossene Gorillaweibchen: "Mburanumwe", "Neza" und "Safari". Daneben kauerte das Junge von "Safari". Am folgenden Tag wurde "Senkwekwe" tot aufgefunden. Drei Wochen später entdeckte man die Leiche von "Macibiri", einem weiteren Weibchen der Familie. Sein Junges ist vermutlich auch tot.

Einen Monat zuvor waren zwei Weibchen und ein Jungtier aus einer anderen Gorillagruppe überfallen, eines der Weibchen durch einen Genickschuss regelrecht hingerichtet worden. Sein Junges lebte noch, an die Brust der Mutter geklammert. Binnen zwei Monaten wurden also sieben Virunga-Gorillas getötet. Die Fotos, auf denen weinende Dorfbewohner tote Menschenaffen aus dem Wald tragen, gingen um die Welt.

BELIEBT

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    Die Ermordung der Tiere löste eine Welle der Empörung aus. Tatverdächtig waren viele. Es gibt im Nationalpark Tausende schwer bewaffnete Männer - Soldaten zweier rivalisierender Milizen und der kongolesischen Armee, die dort einen Dreiparteienkrieg austragen. Hinzu kommen Wilderer und Horden illegaler Holzkohlebrenner. Am Rand des Parks leben Kleinbauern, in Flüchtlingscamps suchen zahllose Familien aus der Demokratischen Republik (DR) Kongo, aus Ruanda und Uganda Zuflucht vor den Gräueln des Bürgerkriegs. Aber wer würde kaltblütig die Gorillas töten? Und vor allem: Warum?

    "Virunga ist der großartigste Nationalpark auf unserem Planeten", so Emmanuel de Merode, Direktor der Naturschutzorganisation WildlifeDirect. Nicht zuletzt wegen seiner Gorillas. Auf der Erde leben insgesamt noch ungefähr 720 Berggorillas. Davon 200 im Virunga-Nationalpark auf dem Gebiet des Kongo, sie sind eine der wichtigsten Touristenattraktionen des Parks. Der Park wird vom Institut Congolais pour la Conservation de la Nature (ICCN) verwaltet und steht auf der UN-Liste der am meisten bedrohten Landschaften der Welt. Als man im Juli 2007 die Leichen der Gorillas fand, war eines klar: Sie waren nicht von Wilderern getötet worden. Diese hätten auf jeden Fall die Jungtiere mitgenommen und den erwachsenen Tieren Köpfe und Hände abgehackt. Waren es die Soldaten, von denen es im Virunga-Park nur so wimmelt?

    "Es ist eine Ehre, sie im Land zu haben. Es ist meine Pflicht, sie zu beschützen", ist die Antwort des Tutsi-Führers Nkunda auf die Frage nach den Gorillas. Seine Rebellen kontrollierten den Sektor, in dem die Gorillas leben. Zumindest dem Anschein nach kennen sich Nkundas Soldaten mit den Tieren aus und respektieren sie. Auf einer Exkursion in Nkundas Territorium werden wir von Pierre Kanamahalagi - kurz Kana - in Empfang genommen, einem ehemaligen ICCN-Ranger. "Das ICCN ist korrupt. Die haben das Geld der Gorilla-Touristen in die eigene Tasche gesteckt", erzählt uns Kana, der nicht glaubt, dass die Soldaten Nkundas die Gorillas getötet haben.

    "Die Holzkohle ist die größte Gefahr für den Nationalpark", hatte schon de Merode gesagt. Sie ist die wichtigste Energiequelle, die in 98 Prozent aller Haushalte benutzt wird. Die Holzkohle stammt von Bäumen hier im Park. Das illegale Holzkohlegeschäft blüht. Der Handel mit Holzkohle aus Virunga brachte im Jahr 2006 mehr als 20 Millionen Euro ein - der Gorilla-Tourismus gerade mal 200 000 Euro.

    Die rivalisierenden Parteien werden den Nationalpark nicht verlassen, solange sich mit der Holzkohle viel Geld verdienen lässt. "Der Kampf um die Holzkohle war der Grund dafür, dass im vorigen Jahr die Gorillas sterben mussten. Es ging um Paulin Ngobobo, einen unbestechlichen Ranger", bestätigt uns Robert Muir, Projektmanager des Schutzprogramms der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt für den Virunga-Park: "Sie müssen mit Paulin reden. Er ist der Held. Er hat sein Leben aufs Spiel gesetzt, um den Nationalpark zu retten."

    Welche Ideen haben Sie, um die bedrohten Affen vor der Ausrottung durch die Menschen schützen? Schreiben Sie Ihre Meinung an leserbriefe@nationalgeographic.de und vergessen Sie bitte nicht, Ihre Anschrift anzugeben.

    (NG, Heft 8 / 2008, Seite(n) 26)

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