Im Lava-Labyrinth von Hawaii

Vulkaneruptionen haben auf Hawaii komplexe Höhlensysteme geschaffen. Was finden mutige Kletterer und Forscher in den geheimnisvollen Tiefen?

Von Joshua Foer
bilder von Carsten Peter
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:32 MEZ
Lava-Eruption
Als 2016 der Kilauea auf Hawaiis Big Island ausbrach, ergoss sich Lava ins Meer. Ein Teil der heißen Masse floss durch Röhren, die sich bei früheren Eruptionen gebildet hatten. Andere Glutströme bahnten neue Tunnel und vergrößerten das unterirdische Netzwerk.
Foto von CJ Kale

Eine Höhle kann auf zweierlei Weise entstehen: langsam oder schnell. Die meisten berühmten Höhlen – etwa die Carlsbad Caverns im US-Bundesstaat New Mexico oder die 1148 Meter tiefe Riesending-Schachthöhle in den Berchtesgadener Alpen – wurden im Laufe von Jahrmillionen durch kohlensäurehaltiges Wasser ausgewaschen, das unaufhörlich durch den löslichen Kalkstein fließt und tröpfelt.

Lavahöhlen dagegen bilden sich durch herabfließende Glutströme nach vulkanischen Eruptionen. Geologisch gesehen geschieht das in einem Augenblick: in ein, zwei Jahren, manchmal innerhalb von Wochen – und an kaum einem anderen Ort gibt es so viele begehbare Lavaröhren wie auf Hawaii.

“„Das ist ein Schatz von nationaler Bedeutung, aber es gibt auf dieser Insel Menschen, die unmittelbar über der Höhle leben und nicht einmal wissen, dass sie existiert“”

von Harry Shick, Tourguide

Die meisten Lavaröhren dort entstehen durch sogenannte Stricklava. Wenn die heiße Gesteinsmasse sirupartig an einem Vulkanhang hinabfließt, kühlt sich ihre Oberfläche an der Luft ab und verfestigt sich zu einer elastischen, hautähnlichen Außenschicht. Während diese Membran immer stärker wird, fließt unter ihr die Lava weiter, erodiert den Erdboden und gräbt tiefe Tunnel. Da die heiße Lava nun von der Luft isoliert ist, strömt sie oft ungehindert über viele Kilometer weiter. Lässt die Eruption schließlich nach, fließt der letzte Rest der Gesteinsschmelze aus den Röhren ab. Zurück bleibt ein riesiges, dreidimensionales Labyrinth.

„Das ist ein Schatz von nationaler Bedeutung, aber es gibt auf dieser Insel Menschen, die unmittelbar über der Höhle leben und nicht einmal wissen, dass sie existiert“, sagt Harry Shick, der Touren durch den Teil der Kazumura-Höhle anbietet, der sich direkt unter seinem Anwesen befindet. Dass so wenige Bewohner von den Lavaröhren wissen, liegt auch daran, dass die Lavaröhren eine omertà, eine Art Schweigegebot, umgibt. Den meisten Höhlenforschern und Naturschützern ist es lieber, wenn Außenstehende nichts über die Lage ihrer Entdeckungen erfahren.

Auch in kultureller Hinsicht sind die Lavahöhlen sensible Orte: Vielen Hawaiianern gelten sie als kapu – „heilig“ –, weil dort früher häufig Menschen bestattet wurden. In den Knochen der Verstorbenen stecke mana („spirituelle Energie“), weshalb man die Begräbnisstätten nicht stören solle. „Wir glauben, dass man unsere Höhlen nicht entweihen darf“, sagt der 31-jährige Aktivist und Filmemacher Keoni Alvarez, der gegen Immobilienfirmen kämpft, die über derartigen Grabhöhlen bauen wollen. Denn sobald man in einer Lavaröhre sterbliche Überreste von Menschen finde, sei das gesamte System kapu.

Aber ob in einer Höhle früher Verstorbene bestattet wurden, weiß man erst, wenn man sie komplett erkundet hat. Viele Hawaiianer lehnen es grundsätzlich ab, sich in diese Unterwelt vorzuwagen – zu groß ist ihr Respekt vor dem, worauf sie dort stoßen könnten.

Dieser Artikel wurde gekürzt und bearbeitet. Mehr über Hawaiis geheimnisvolle Lavahöhlen findest Du in der Ausgabe 6/2017 von National Geographic. Jetzt ein Magazin-Abo abschließen. 

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