Ein Drittel der globalen Schutzgebiete ist durch Menschen bedroht

Schutzgebiete sollen die biologische Vielfalt erhalten, aber neue Erkenntnissen lassen daran zweifeln, wie erfolgreich sie damit sind.

Von Sarah Gibbens
Veröffentlicht am 25. Mai 2018, 16:19 MESZ
Ein Blick auf die A113, den Zentralen Autobahnring Moskaus, der durch den Nationalpark Lossiny Ostrow verläuft.
Ein Blick auf die A113, den Zentralen Autobahnring Moskaus, der durch den Nationalpark Lossiny Ostrow verläuft.
Foto von Maksim Blinov, Sputnik, Ap

Schutzgebiete sind im Grunde Werkzeuge, die Umweltschützer nutzen, um natürliche Ressourcen und die biologische Vielfalt zu erhalten. Die offizielle Etablierung von Parks, Reservaten und anderen Schutzgebieten sorgt dafür, dass die dort heimische Flora und Fauna ungestört wachsen und gedeihen kann.

Ein neuer Bericht, der im Fachmagazin „Science“ erschien, lässt jedoch erkennen, dass ein Drittel dieser Schutzgebiete durch die menschliche Ausbreitung unter Druck gerät.

Weltweit gibt es über 20.000 Schutzgebiete unterschiedlichster Größe – davon sind insgesamt sechs Millionen Quadratkilometer durch die Landwirtschaft, wachsende Siedlungsräume, Straßen, Lichtverschmutzung, Schienenverkehr sowie Infrastruktur und Wasserwege gefährdet.

Forscher untersuchten den sogenannten human footprint, also die Auswirkungen des Menschen auf die Umwelt, die in einer 2016 veröffentlichten Weltkarte dargestellt wurden. Im Anschluss verglichen sie, wo diese Einflussräume mit Schutzgebieten überlappen. James Watson, einer der Studienautoren, arbeitet für die Wildlife Conservation Society – eine Naturschutzgruppe, die sich dem Schutz wilder Tiere und Lebensräume verschrieben hat. Ihm zufolge wird die Gefährdung bedrohter Arten und natürlicher Ressourcen durch die zunehmende menschliche Ausbreitung noch verschärft.

„Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Krise der Biodiversität noch verschlimmert wird“, erklärte Watson in einer Pressemitteilung. Er bezieht sich auf den voranschreitenden Rückgang der Artenvielfalt, auf dessen Gefahren Wissenschaftler zunehmend hinweisen. Wenn die Biodiversität abnimmt, hat das Kaskadeneffekte zur Folge.

In den USA besteht beispielsweise ein Zusammenhang zwischen den in der Vergangenheit mangelhaften Schutzmaßnahmen für Raubtiere wie Luchse und dem Anstieg von Lyme-Borreliose. Forscher haben herausgefunden, dass mit dem Rückgang der Raubtierbestände die Wildbestände zunehmen und damit mehr Wirte für die Zecken bieten, welche Borreliose und andere Krankheiten übertragen.

Solchen Krisen versuchten Wissenschaftler wie der bekannte Ökologe E.O. Wilson entgegenzuwirken, indem sie sich für Gebiete mit einem umfassenderen Schutzstatus einsetzten, in denen Pflanzen und Tiere sich ungehindert verbreiten können. Im Oktober 2017 ließ Wilson seine ambitionierte Forderung verlauten, die halbe Erde als Schutzgebiet zu deklarieren.

Die Studienautoren betrachten ihre Ergebnisse als Weckruf. Es sollte nicht nur der Schutz der Artenvielfalt überdacht werden, sondern man sollte auch Änderung an bereits bestehenden Plänen vornehmen, um den Standards der Biodiversitätskonvention zu entsprechen. Das 1993 in Kraft getretene Umweltabkommen wurde von 196 Vertragspartnern unterzeichnet, die sich verpflichtet haben, die biologische Vielfalt durch die nachhaltige Bewahrung von Ressourcen zu erhalten.

Aktuell steht aber infrage, ob die Welt dieses Ziel erfüllen kann.

Der Mikeno (links) und der Karisimbi (rechts) im Nationalpark Virunga. Eine Studie identifizierte die Region als eines der Gebiete, die durch die menschliche Ausbreitung zunehmend unter Druck gerät.
Foto von Jad Davenport, National Geographic Creative

Elizabeth D‘Onoghue leitet den Bereich Infrastruktur und Landnutzung der Nature Conservancy (TNC). In Anbetracht des globalen Bevölkerungswachstums war sie von den Ergebnissen der Studie nicht überrascht.

Sie und ihre Kollegen von TNC entwickelten das „Greenprint Resource Hub“, welches Gemeinden und Stadtentwicklern die Möglichkeit bietet, potenzielle Umweltprobleme zu erkennen – exemplarisch dargestellt am Raum San Francisco. Die Region zählt zu den am schnellsten wachsenden des Landes und hat mit einer Wohnraumkrise zu kämpfen. Das Gebiet hat zudem schon seit einiger Zeit Probleme damit, ein Gleichgewicht zwischen der biologischen Vielfalt und dem Städtewachstum zu finden.

„Derzeit leben in der Bay Area sieben Millionen Menschen. Die Zahl geht gen neun Millionen. Außerdem ist sie ein Hotspot für Biodiversität“, sagt O‘Donaghue. Die TNC-Seite dient der Verbreitung von Informationen, ist aber nur ein Anfang, wie sie erklärt. Um die biologische Vielfalt langfristig zu erhalten, sei die Unterstützung der Politik und der Öffentlichkeit nötig.

Welche direkten Auswirkungen wären also möglich, wenn die natürlichen Ressourcen nicht geschützt werden?

„Für die Pflanzen und Tiere, die die Bay Area so attraktiv machen, würde es bergab gehen“, sagt O‘Donaghue. „Arten, die weite Gebiete durchstreifen, mangelt es an Platz. Die natürliche Fähigkeit des Bodens, Regenwasser aufzunehmen und die Grundwasservorräte aufzufüllen. Die Qualität des Trinkwassers und der Luft würden beeinträchtigt werden.“

Trotz der düsteren Prognosen der Studie gab es nicht nur negative Erkenntnisse.

In streng geschützten Regionen fand das Team weniger Fälle des menschlichen Vordringens, was bedeutet, dass strengere Maßnahmen den Regionen helfen könnten, ihre Biodiversitätsziele zu erfüllen.

Allerdings betrachtete die Studie nicht, wie sich der Klimawandel oder gewaltsame Konflikte auf Schutzgebiete auswirken. Diese Faktoren, so warnen die Wissenschaftler, können langfristig großen Einfluss haben.

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