Bestandsrückgang: „Klimachaos” macht Hummeln zu schaffen

Vielerorts ertragen die pelzigen Insekten die Temperaturschwankungen und Rekordhitze nicht mehr. Die Folgen ihres Rückgangs sind weitreichend.

Von Douglas Main
Veröffentlicht am 12. Feb. 2020, 12:15 MEZ
Hummeln wie dieses Exemplar der Art Bombus impatiens sind als Bestäuber oft unersetzlich für ihre Ökosysteme. ...
Hummeln wie dieses Exemplar der Art Bombus impatiens sind als Bestäuber oft unersetzlich für ihre Ökosysteme. Viele Hummelarten sind durch die extreme Hitze der letzten Jahre und andere Faktoren aber bedroht.
Foto von Clay Bolt, Minden Pictures

Hummeln gehören zu den wichtigsten Bestäubern unserer Ökosysteme – und sie stecken in Schwierigkeiten. Die flauschigen, brummenden Insekten bestäuben nicht nur zahlreiche Wildpflanzen, sondern auch Feldfrüchte wie Tomaten, Heidelbeeren und Kürbisse.

Aber ihre Bestandszahl ist im freien Fall: Neue Forschungen, die gewaltige Datensätze nutzten, zeigen, dass die Insekten deutlich seltener geworden sind. In Nordamerika schrumpften seit 1974 so gut wie alle Populationen um 50 Prozent.

Viele Arten, die einst zahlreich waren, sind mittlerweile lokal ausgestorben. Die Art Bombus affinis, die einst in Ontario umherschwirrte, ist mittlerweile ganz aus Kanada verschwunden und gilt in den USA als stark gefährdet.

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In einer Studie, die im Fachmagazin „Science“ erschien, nutzten Forscher einen komplexen Modellprozess, der zeigt, dass dieser Rückgang größtenteils auf den Klimawandel zurückzuführen ist.

In solchen Gegenden, in denen die Temperaturen in den letzten 30 Jahren angestiegen sind oder extremer schwankten als zuvor, sind die Hummeln seltener geworden. In Europa ging ihr Bestand seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts um 17 Prozent zurück. Insgesamt untersuchten die Forscher den Zustand von 66 Hummelarten auf zwei Kontinenten.

Dieser Ansatz deutet darauf hin, dass das „Klimachaos“ ein Hauptgrund für den Rückgang der Hummeln ist, sagt der Studienleiter Peter Soroye, ein Doktorand der University of Ottawa.

„Dieser Rückgang hängt damit zusammen, dass die Arten mit Temperaturen konfrontiert werden, die jenseits von allem liegen, was sie zuvor aushalten mussten“, erklärt Soroye. Wenn sie aus einer bestimmten Region verschwinden, bedeutet das entweder, dass sie in andere Bereiche ausgewichen oder gestorben sind.

Gut gerüstet gegen Kälte

Hummeln kommen deutlich besser mit kühlem Wetter zurecht: Ihr Körper ist mit einer Art Pelz überzogen und während des Fliegens erzeugen sie Wärme. Durch diese Anpassungen sind sie im Frühling oft die ersten Bienen, die wieder aktiv sind. Wie empfindlich sie auf Hitzewellen und Wetterumschwünge reagieren, ist bei vielen Arten nicht im Detail bekannt – die aktuelle Studie deutet aber darauf hin, dass ihre Anpassungsfähigkeit Grenzen hat.

Und der Planet wird wärmer: Die letzten fünf Jahre waren global gesehen die heißesten der letzten 139 Jahre.

Laut dem Co-Autor der Studie, Jeremy Kerr, sind verschiedene Mechanismen am Werk. Die Insekten können einfach überhitzen, wie Laborexperimenten zeigten. Aber auch indirekte Auswirkungen auf die Vegetation können dazu führen, dass die Bienen verhungern, sagt er.

Hummeln bestäuben viele wilde Pflanzen, aber auch Feldfrüchte wie Tomaten, Kürbisse und Beeren.
Foto von Antoine Morin

Hummeln werden maximal ein Jahr alt. Die Königinnen verbringen den Winter oft im Herbstlauf oder im Boden. Dort reagieren sie Kerr zufolge noch empfindlicher auf Temperaturschwankungen – wenn beispielsweise das Eis früh schmilzt und dann wieder gefriert.

Ihr Bestandsrückgang kann für die Umwelt beträchtliche Folgen haben, da viele Pflanzen auf die Bestäubung durch die Hummeln angewiesen sind, erklärt Matthew Austin, ein Doktorand und Forscher an der University of Missouri in St. Louis, der an der Studie nicht beteiligt war.

„Da diese Pflanzen von zahllosen anderen Lebewesen genutzt werden, hat der Rückgang der Hummeln einen ökologischen Kaskadeneffekt, der zu einem Verlust der Biodiversität führen kann.“

Auch wirtschaftliche Verluste wären eine Folge. Durch die Bestäubung von Feldfrüchten erbringen Hummeln jährlich eine Leistung im Wert von mehr als 15 Milliarden Dollar für die US-Wirtschaft.

Hummelschwund mit vielen Ursachen

Der Klimawandel ist aber nicht der einzige Faktor, der zum Rückgang der Hummeln beiträgt. Auch Pestizide wie Neonicotinoide – die für alle Bienen enorm toxisch sind –, die Zerstörung von Lebensraum durch Bauprojekte und Landwirtschaft, die Ausbreitung von Krankheiten und das Einbringen invasiver Bienenarten für die kommerzielle Bestäubung leisten ihren Beitrag.

„Diese Studie wird dazu führen, dass Wissenschaftler mehr auf den Klimawandel achten werden, wenn sie den Rückgang dieser Bienen untersuchen“, sagt Heather Hines. Die Forscherin an der Penn State University war an der Studie nicht beteiligt. „Die Daten zeigen, dass der Klimawandel den Rückgang zu einem Großteil erklären kann. Aber er ist nicht der einzige Faktor, der an dem beobachteten Schwinden der Arten beteiligt ist.“

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Das sehen die Autoren ebenso und verweisen darauf, dass der Verlust von Lebensraum laut ihren Ergebnissen ebenfalls für das lokale Aussterben von Arten verantwortlich ist. Kerr betont: „Wir argumentieren nicht gegen die Rolle des Habitatsverlustes und des Pestizidmissbrauchs bei diesem Rückgang […] Dafür gibt es bereits starke Argumente, es sind eben einfach nur andere Faktoren.“

„Wir verdeutlichen bloß, dass der Klimawandel einen starken Einfluss hat“, fügt er hinzu. „Wenn man diesen Einfluss ignoriert, kann man das Risiko des Aussterbens nicht richtig einschätzen.“

„Die Bienen könnten vielleicht mit einem Umweltstressor fertig werden. Aber die Kombination aus mehreren Stressoren kann eine Population zum Kippen bringen“, sagt Matthias Becher, ein Ökologe der britischen Exeter University.

Einige Wissenschaftler gehen sogar noch weiter: Laut Jamie Strange, dem Vorsitzenden des Instituts für Entomologie an der Ohio State University, könnte der Fokus auf den Klimawandel problematisch sein, weil er die anderen Ursachen für den Bestandsrückgang ignoriert.

„Ich habe keine Bedenken, dass ihre wissenschaftlichen Methoden fehlerhaft sind, sondern dass ihre Arbeit den Fokus von einigen Problemen ablenkt, um die sich dringend gekümmert werden muss, wenn wir die Bienenbestände retten wollen“, sagt er. „[Diese Ursachen] beeinflussen die weltweiten Bienenpopulationen alle genauso akut oder akuter als der Klimawandel.“

Wie kann man den Hummeln helfen?

Trotzdem gibt es auch gute Nachrichten, sagt Soroye.

Laut der Studie setzen hohe Temperaturen den Hummeln besonders zu. Wenn mehr Parks angelegt oder Büsche und Bäumen auf freien Flächen gepflanzt werden, könnten die Insekten dort Schutz vor der Hitze finden, die in dicht bebauten Städten oft größer ist, sagt er.

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Auch privat kann man einiges tun, um den Hummeln zu helfen.

Wer Blumenkästen oder einen Garten hat, sollte heimische Blumen pflanzen, in denen die Bienen Nahrung finden. Der Verzicht auf synthetische Pestizide ist ebenfalls angebracht. Im Garten kann man außerdem Beete so bepflanzen, dass sie das ganze Jahr über blühen. Das Herbstlaub sollte man erst im Frühling entfernen, da es zahlreichen Insekten Schutz vor der Kälte bietet.

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

 

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