Fotografieren zwischen Riesenbienen und dem Abgrund

Für eine Fotoreportage über Nepals letzten Honigjäger kam selbst der erfahrene Renan Ozturk am taumelnden Seil zwischen den größten Honigbienen der Welt ins Schwitzen.

Von Hannah Lang
Veröffentlicht am 13. Sept. 2019, 12:25 MESZ
Renan Ozturk fotografiert den letzten Honigjäger Nepals
Renan Ozturk schoss dieses Foto, als er in der Luft an einem Seil hing. Der letzte Honigjäger Nepals, Mauli Dhan, erklimmt im Hintergrund die Felswand auf seiner handgemachten Strickleiter. Ozturk hat seine Fußgelenke mit Tape abgedichtet, damit keine Bienen unter seine Kleidung kriechen.
Foto von Renan Ozturk

Renan Ozturk und sein Team geben zu, dass sie auf die Kliffhonigbienen des Himalaja nicht vorbereitet waren. Sie hingen in 60 Metern Höhe, um die Arbeit von Mauli Dhan zu dokumentieren. Er ist der letzte lebende Mensch, der den halluzinogenen Honig erntet, der von den Bienen im Osten Nepals produziert wird. Als er dort so in luftiger Höhe hing, bemerkte Ozturk, dass sein in Amerika hergestellter Bienenschutzanzug keine Chance gegen die lokalen Insekten hatte. Kliffhonigbienen sind doppelt so groß wie amerikanische Honigbienen, und ihre Stachel durchdrangen den Schutzanzug ohne größere Probleme.

„Ich habe viel Erfahrung mit wirklich schwierigen Storys übers Bergsteigen. In Anbetracht dieser Erfahrungen dachten wir, dass das hier keine große Sache sein würde“, erzählt er. „Aber da gabs dann ein böses Erwachen.“

Während Mauli die Klippen bis zum Bienenstock ohne jegliche Schutzkleidung, Klettergeschirr oder Schuhe hinaufklettert, schleppten Ozturk und der Autor Mark Synnott ihre Kameraausrüstung, 90 Kilogramm Seil und einen improvisierten Holzsitz mit, damit die Gurte des Klettergeschirrs die Blutzufuhr in ihren Beinen nicht abschnitten.

„Das Gewicht des Seils ist eine echte Herausforderung und man muss genug Seil dabeihaben, um im Notfall wieder auf den Boden zu kommen, falls eine allergische Reaktion auftritt“, sagte Ozturk.

BELIEBT

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    Er musste nicht nur die sperrige Ausrüstung mitschleppen, sondern auch eine Möglichkeit finden, um sich in der Luft zu stabilisieren, sodass er Maulis Reise fotografieren konnte.

    „Sobald man sich abseilt, fängt man an, sich unkontrolliert zu drehen. Deshalb haben wir uns an die Seite gehangelt, um uns zu stabilisieren. Aber eigentlich war dafür nicht genug Zeit und es war auch zu schwierig“, sagte er.

    Ozturk und Synnott konnten das Geschehen nur etwa zehn Sekunden lang verfolgen, bevor sie wieder anfingen, sich am Seil zu drehen. Schließlich kamen sie darauf, sich aneinander abzustoßen, um länger in einer Position bleiben zu können.

    „Es ist sehr schwierig, sich in dieser Situation zu konzentrieren. Außerdem geht alles sehr schnell“, sagte Ozturk, der eigenen Aussagen zufolge zwischen 30 und 50 Mal gestochen wurde. „Die Honigjäger haben einen festen Ablauf, an den sie sich halten. Dabei geht alles sehr schnell und effizient vonstatten, da sie eben auch nicht die modernste Ausrüstung haben.“

    Das Wichtigste war es jedoch, „ein stiller Beobachter“ zu sein, wie Ozturk sagte.

    „Wir wollten unserem Subjekt einfach Raum geben – wir wollten ihn nicht berühren und ihn bei nichts beeinträchtigen, was er tat, weil das seinen Tod hätte nach sich ziehen können“, erklärte er.

    Woher kennen Honigbienen ihre Aufgaben?
    Jede Honigbiene hat einen ganz bestimmten Job, von der Pflege der Larven über die Verteidigung des Nests bis zur Nahrungsbeschaffung. Aber woher weiß jede Biene, was sie zu tun hat?

    Das war besonders deshalb eine Herausforderung, weil sich zwischen Ozturk und Mauli eine enge Beziehung entwickelt hatte. Ozturk hatte Mauli stundenlang in dessen Haus interviewt, ihn bei der Ernte auf den Feldern in seinem kleinen Dorf begleitet und sogar auf Nepalesischen mit ihm gesprochen. Letzteres hatte Ozturk als Austauschstudent gelernt.

    „Gegen Ende fühlten wir uns mehr wie seine Freunde und Teil eines Teams anstatt einfach nur wie Fotografen“, sagte er

    Seit er nach Hause zurückgekehrt ist, hat Ozturk eine schwere Allergie gegen Bienenstiche entwickelt, wegen der er bereits im Krankenhaus gelandet ist.

    Als er für einen Auftrag im Kongo war und dort nur begrenzten Zugang zu medizinischer Versorgung hatte, musste er sich einmal selbst Adrenalin spritzen, als er merkte, wie sein Gesicht anschwoll und seine Atemwege zu blockieren drohten.

    „Ich schätze, das funktioniert irgendwie andersherum“, erzählt er über seine Allergie. „Das ist ein bisschen unintuitiv, aber je häufiger man gestochen wird, desto schlimmer wird die Allergie, die man entwickelt."

    Aber auch eine Allergie wird Ozturk nicht davon abhalten, nach Nepal zurückzukehren. Er besucht das Land seit 15 Jahren und es mangelt ihm nicht an Ideen für zukünftige Storys im Land des Himalaja. Für ihn haben sich all die Mühen mehr als gelohnt.

    „Es war eine große Ehre, dass mir diese entlegene Kultur ihr Vertrauen schenkte, damit ich ihre Geschichte erzählen und eine Tradition dokumentieren konnte, die vielleicht bald verschwindet.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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