Europas letzter wilder Fluss wird zum Nationalpark

Als besonders schützenswert gilt die Vjosa schon lange. Nun besiegelte die Regierung Albaniens die Errichtung des ersten europäischen Wildfluss-Nationalparks.

Während die aufgehende Morgensonne die eindrucksvolle Ostwand des Nemërçka Bergstockes erstrahlen lässt, steht das wilde Adernetz dem bis zu über 2400 Meter hohen  Bergmassiv in nichts nach. Eindrucksvoll schlängelt sich das kristallklare Wasser der Vjosa durch das gleichnamige Tal. Ausgedehnte Schotterinseln und Auenwälder geben dem Fluss genügend Platz, um sich während Hochwasserlagen auszubreiten.

Foto von Johannes Höhn
Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 17. Juni 2022, 09:25 MESZ

Von ihren Ursprüngen in den griechischen Bergen bis hin zu ihrer Mündung ins Mittelmeer legt die Vjosa stolze 272 Kilometer zurück. Bislang konnte sich hier ein einzigartiges Ökosystem entwickeln – ungestört von menschlichen Einflüssen. Doch Bauvorhaben drohten, den wertvollen Lebensraum für immer zu verändern, gar nachhaltig zu zerstören. 

Bereits am 13. Juni 2022 unterzeichnete die Albanische Regierung eine Erklärung, die die Errichtung eines Schutzgebietes auf den Weg bringen und gewährleisten sollte – von der Quelle bis zur Mündung, mitsamt aller frei fließenden Nebenflüsse. 

Am 15. März 2023 kam Albanien seiner Vorbildfunktion schließlich nach: Premierminister Edi Rama und die Umwelt- und Tourismusministerin Mirela Kumbaro erklärten die Vjosa zum ersten Wildflussnationalpark Europas. Der zehn Jahre lange unermüdliche Einsatz diverser Naturschutzorganisationen hat sich ausgezahlt.

Sieg für den Naturschutz 

Der internationale Schutzstandard schützt den Fluss in Zukunft vor der Zerstörung durch Firmen oder künftige Regierungen. Damit wurde der langwierige Kampf zwischen Umweltschützenden und der Wasserkraftindustrie beendet. Nichtregierungsorganisationen wie Riverwatch und EuroNatur hatten sich über Jahre mit Petitionen und Kampagnen wie Save the Blue Heart of Europe für den Schutz der wilden Flussläufe eingesetzt.

Auf der anderen Seite standen die Industrie der Wasserkraftenergie, mit Plänen der Errichtung von insgesamt 2.796 Wasserkraftwerken entlang Flüssen innerhalb des Balkans. Allein neun davon waren entlang der ungezähmten Vjosa geplant – nicht selten mit Unterstützung europäischer Firmen und Kreditinstituten.

Vjosa: Die Königin der Flüsse in Bildern

Obwohl die Vjosa bereits im Jahr 2020 unter Schutz gestellt wurde, reichte der Status eines Naturparks nicht aus, um sie vor tiefgreifenden Veränderungen durch Wasserkraftwerke, Stauseen und Ölbohrungen zu bewahren. Die erste Unterzeichnung und Verpflichtung war laut Besjana Guri, Sprecherin von EcoAlbania, ein Meilenstein für Albanien und Schützende von Flüssen weltweit – auch wenn es weiterhin noch viel zu tun gäbe. Beispielsweise die Einrichtung einer internationalen Arbeitsgruppe zur weiterführenden Planung des Nationalparks. Auch das Etablieren von Besucherzentren, Rangerstellen, Wissenschafts- und Bildungsprogrammen stehen auf der Agenda. 

„Die albanische Vjosa ist der einzige wilde Fluss unseres Kontinents, der überlebt hat, die letzte Flussader, die keine Spuren der Verschmutzung durch die industrielle Entwicklung aufweist“, äußerte sich Albaniens Ministerpräsident Edi Rama. „Unter dem Schutzmantel des Nationalparks wird die Vjosa intakt bleiben, für Albanien, für Europa und für den Planeten, den wir für die Kinder unserer Kinder wollen.“

Trotz des großen Erfolgs wird der Kampf für den Schutz des Flusses weiter gehen. Laut Alexandra Pappa, Projekt-Managerin Flüsse bei MedINA ist nun „auch für Griechenland die Zeit reif, sich für einen Wildfluss-Nationalpark einzusetzen.“ Denn auf griechischer Seite bleibt die Vjosa – oder Aoos, wie der Fluss hier genannt wird – zwischen dem bestehenden Nord-Pindos Nationalpark und dem neuen albanischen Nationalpark auf rund 70 Kilometern ungeschützt. Die Vjosa könnte somit nicht nur der erste Wildflussnationalpark überhaupt, sondern durch die griechische Regierung zum ersten grenzüberschreitenden seiner Art werden.

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