Kautschuk – Das Geschäft mit dem Gummi

In Südostasien müssen zahlreiche Naturwälder Kautschukplantagen weichen. Für die Menschen in der Region ist der begehrte Rohstoff eine gute Einnahmequelle. Doch der Anbau verursache nicht nur ökologische Schäden, erklärt die Botanikerin Antje Ahrends.

Von Lisa Srikiow
Auf den Plantagen sind die Kautschukbäume ökonomisch nicht nachhaltig und richten Umweltschäden an (Bodenerosion, Sedimentierung von Flussläufen, starker Einsatz von Pestiziden und Düngern).
Foto von Dietrich Schmidt Vogt, World Agroforestry Centre

In Südostasien müssen zahlreiche Naturwälder Kautschukplantagen weichen. Für die Menschen in der Region ist der begehrte Rohstoff eine gute Einnahmequelle. Doch der Anbau verursache nicht nur ökologische Schäden, erklärt die Botanikerin Antje Ahrends im Interview.

Warum ist Naturkautschuk so begehrt?
Er ist sehr resistent. Deshalb wird er vor allem in Flugzeug- und LKW-Reifen verarbeitet. Auch PKW-Reifen bestehen zu einem Drittel aus Naturkautschuk: Offenbar ist es noch immer nicht möglich, künstlichen Kautschuk von gleicher Qualität herzustellen.

Wie groß sind die Flächen in Asien, auf denen Kautschuk angebaut wird?
In der Präfektur Xishuangbanna im Südwesten Chinas werden fast 20 Prozent der gesamten Landfläche bebaut, auf dem Festland Südostasiens sind es ungefähr 20.000 Quadratkilometer. Das entspricht der Größe Israels. Nimmt man noch Südthailand, Indonesien und Malaysia hinzu, kommt man sogar auf 250.000 Quadratkilometer, eine Fläche größer als Großbritannien. Dafür wurden riesige Waldflächen vernichtet. Viele der kürzlich angelegten Plantagen sind jedoch gar nicht für den Kautschukanbau geeignet.

Wieso nicht?
In Südchina liegen viele Plantagen an steilen Hängen, was Bodenerosion bis hin zu Erdrutschen begünstigt. Außerdem gibt es in diesen Höhen häufig Frost, das vertragen die Pflanzen nicht. Denn Hevea brasiliensis stammt ursprünglich aus dem Amazonas-Gebiet und braucht ein feucht-tropisches Klima mit viel Regen. In Nordthailand, wo ebenfalls viel Kautschuk angebaut wird, gibt es lange Trockenperioden. In Vietnam sind es vor allem Taifune, die große Schäden auf den Plantagen anrichten. Schon bei mittleren Windgeschwindigkeiten brechen die ersten Äste der Kautschukbäume. Uns bereitet das große Sorgen, denn 80 Prozent der Anbauer in Südostasien sind Kleinbauern. Sie haben sich sehr abhängig vom Kautschuk gemacht.

Warum soll das ein Problem sein, wenn Nachfrage doch so hoch ist?
Um das Jahr 2000 begannen die Preise für Kautschuk rasant zu steigen. Das lag vor allem an der expandierenden, chinesischen Automobilindustrie. Viele Kleinbauern sahen darin ein gutes Geschäft und stellten ihren Anbau auf Kautschuk um. Sie erwarteten, dass sich die Preise weiter so gut entwickeln würden. Doch seit dem Jahr 2011 gab es so viele Plantagen, dass die Nachfrage zunehmend gedeckt werden konnte. Diese Entwicklung, steigende Lagerbestände und das sich verlangsamende Wirtschaftswachstum Chinas drückten die Preise um bis zu 70 Prozent. Zwar steigt die Nachfrage nach Kautschuk weiterhin, doch eben wesentlich langsamer. Wenn dann Trockenperioden, Frost oder Taifune die Ernten zerstören, stehen viele Kleinbauern vor dem Aus.

Gibt es Alternativen?
In Indonesien und Thailand gibt es bereits seit langem Versuche, Land- und Forstwirtschaft zu vermischen. Kautschuk-, Obst- und andere Nutzbäume werden zusammen angebaut, und im Unterholz wachsen zum Beispiel Tee, Kaffee oder Kakao. So können sich Schädlinge weniger schnell verbreiten – man braucht also auch weniger Pestizide. Im Gegensatz zu Monokulturen beugen die Bauern durch den Unterwuchs auch Bodenerosion vor. Auf solchen Flächen regenerieren sich teilweise sogar natürliche Waldarten, die von den Bauern toleriert werden. In China wären viele Kleinbauern bereit, ihre Produktion umzustellen, wenn sie Ausgleichszahlungen und Unterstützung bekämen.

Wie realistisch sind solche Vorschläge?
Die Volksrepublik China ist sehr daran interessiert, Flächen zu finden, die besser für den Kautschukanbau geeignet sind, während Flächen an steilen Hängen oder in anderen Extremlagen renaturiert werden sollen. Das gilt übrigens auch für Plantagen außerhalb des Landes, wo chinesische Investoren tätig sind. Wir versuchen auch über lokale Partner in Laos, Thailand, Vietnam, Myanmar und Kambodscha mit den dortigen Regierungen ins Gespräch zu kommen. Außerdem gibt es Bemühungen, den Kautschukanbau zu zertifizieren. Das World Agroforestry Centre ist sehr aktiv in dieser Hinsicht. Allerdings müssen auch die Konsumenten bereit sein, mehr Geld für nachhaltig produzierten Kautschuk zu bezahlen. Bisher ist in der Öffentlichkeit aber leider kaum bekannt, zu welchen ökologischen und wirtschaftlichen Problemen der Kautschukanbau führen kann.

Lesen Sie außerdem die Reportage "Die Gier nach Gummi" aus dem Januarheft von NATIONAL GEOGRAPHIC Deutschland.

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