Meerestiere verursachen großflächige Blutungen an Beinen eines Teenagers
Experten spekulieren darüber, welcher Meeresbewohner für die Verletzungen verantwortlich war.
Am Montagmorgen verbreitete sich das Bild der blutigen Füße eines Teenagers erst in den australischen Medien und dann weltweit. Die Strandgänger des Landes waren geschockt. Einige schworen sogar, dass sie nie wieder im Meer schwimmen gehen würden.
Der 16-jährige Sam Kanizay wurde am Samstag mit stark blutenden Wunden an den Füßen in ein Krankenhaus in Melbourne eingeliefert. Auf einem Foto sieht man Kanizay in einem Krankenhausbett – der untere Teil seiner Waden und seine Füße sind blutüberströmt.
Er hatte sich nach dem Fußballspielen ins Wasser gestellt. Seine Beine taten ihm weh vom Sport und er hatte gehofft, sich durch das kühle Wasser etwas Linderung verschaffen zu können. Er hätte ein prickelndes Gefühl der Taubheit gehabt, hatte es aber auf das kalte Wasser geschoben, wie er der australischen Zeitung „The Age“ berichtete. „Ich habe nicht wirklich daran gedacht, dass ich aufgefressen werde.“
Die Ärzte erzählten den Zeitungen, dass Kanizay verbunden, auf Parasiten untersucht und mit Antibiotika behandelt wurde. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels hatten sie sich noch nicht zu seinem Zustand geäußert, da es dafür noch zu früh war.
Seit die Meldung von den Verletzungen des Teenagers um die Welt ging, überschlugen sich die Spekulationen darüber, was an seinen Beinen geknabbert haben könnte.
Ursprünglich hielt man kleine Krebstiere aus der Familie der Caligidae für die Übeltäter, die im Englischen den irreführenden Namen „Meeresläuse“ (sea lice) tragen. Es handelt sich im Allgemeinen um kleine, externe Parasiten, die Haut, Blut oder Quallenlarven fressen. Oft heften sie sich in großer Zahl an Fische und können dort erhebliche Schäden anrichten, indem sie Wunden verursachen. Die Caligidae sind an Stränden auf der ganzen Welt zu finden, von Australien bis nach Florida. Dort geraten sie oft zwischen Haut und Badeanzüge und sorgen für juckende Hautausschläge.
Auf der Suche nach Antworten im Hinblick auf die mysteriösen Verletzungen seines Sohnes fuhr Sams Vater Jarrod Kanizay an den Strand zurück, an dem sich der Vorfall ereignet hatte. In einem Neoprenanzug nutzte Kanizay Senior einen Kescher und ein Stück Steak, um Tausende kleiner Tierchen aus dem Wasser zu fischen.
Das Video zeigt Flohkrebse, die sich über das Steak hermachen, mit dem sie aus dem Wasser gelockt wurden.
Jon Norenburg ist ein Forscher, Zoologe und Vorsitzender der Abteilung für Wirbellose Tiere am Smithsonian National Museum of Natural History. Er erklärt, dass eine Verwechslung der beiden Tiere häufig vorkommt.
„Die Verwechslung von Flohkrebsen und Caligidae ist ein ständiges Problem“, sagte Norenburg in einer E-Mail an National Geographic. Er erklärte, dass es auf der Welt Hunderte von Arten gibt. Die meisten Flohkrebse sind Pflanzenfresser, manche sind allesfressende Aasfresser und „einige nicht parasitäre [Arten] mögen Blut besonders gern, wenn es verfügbar ist“.
Die Meeresforscherin Genefor Walker-Smith untersuchte die Tiere, die Jarrod Kanizay gefangen hat. Sie bestätigte, dass es sich tatsächlich um Flohkrebse und nicht um Caligidae handelt. Sie glaubt, dass das der Beweis dafür ist, dass die Täter wahrscheinlich die Flohkrebse waren.
WAS HAT SIE ANGELOCKT?
In einem Interview mit der australischen Zeitung „The Age“ stellte Walker-Smith die Vermutung auf, dass die Flohkrebse durch eine Schnittwunde an der Haut des Teenagers angelockt wurden. Eventuell stand er auch in der Nähe eines Fischkadavers.
Laut Walker-Smith kommen diese Tiere in der Region, in der sich der Vorfall ereignete, in großer Zahl vor. Sie war nicht überrascht, dass der Vater des Jungen so viele der Tiere mit einem Stück Fleisch fangen konnte. Hätte sich Kanizay im Wasser bewegt, hätten sich die Flohkrebse wohl nicht an seiner Haut festhalten können. Im Normalfall fressen sie tote Fische.
Die Schwere von Kanizays Verletzungen ergaben sich womöglich daraus, dass er bewusst still stand, um seine strapazierten Muskeln zu beruhigen. Manche Forscher vermuten, dass die Flohkrebse womöglich einen Gerinnungshemmer absonderten, als sie den Teenager bissen. Ein solches Verhalten kann man mitunter bei Bissen von Blutegeln und anderen Krabbentieren beobachten.
Norenburg ist jedoch skeptisch, was den aktuellen Fall angeht. Er hat bisher noch nie davon gehört, dass diese Art der Flohkrebse eine solche Reaktion zeigt. Er merkt an, dass Kanizay eine Veranlagung für schlechte Blutgerinnung oder für eine besonders starke Reaktion auf die Tiere haben könnte.
ANDERE ERKLÄRUNGEN?
Obwohl sie Flohkrebse vermutlich die Ursache waren, bleibt noch Raum für Zweifel. Das Video beweist nur, dass die Tiere am selben Strand zu finden sind, an dem Kanizay gebissen wurde.
„Wir hätten sie direkt an den Beinen des Teenagers beobachten oder von dort einfangen müssen“, sagte Norenburg.
In einem Interview mit der „New York Times“ erklärte der Professor Alistair Poore von der Universität von New South Wales, dass man „eine Menge Meerestiere mit rohem Fleisch anlocken kann“.
2015 erlebten ein Vater und sein Sohn einen ähnlichen, wenn auch nicht ganz so dramatischen Vorfall am selben Strand. Wie Kanizay sagten auch sie, dass sie keine Schmerzen gefühlt hatten und erst beim Verlassen des Wassers feststellten, dass sie bluteten. Als sie ihre Beine mit Wasser wuschen, bemerkten sie „kaulquappenähnliche Lebewesen“ – eine Beschreibung, die eher auf Caligidae hindeutet.
Ein Sprecher einer australischen Umweltbehörde sagte, dass Flohkrebse ein gesunder Teil des Ökosystems seien, und dass man sie vermeiden könne, indem man Neoprenanzüge und schützendes Schuhwerk trägt und nicht zu lange still steht.