Mensch-Schaf-Hybride in Labor gezüchtet

Der kleine Durchbruch bringt die Forscher wieder einen Schritt näher an eine Zukunft, in der menschliche Organe zur Transplantation gezüchtet werden können.

Von Michael Greshko
Veröffentlicht am 19. Feb. 2018, 11:37 MEZ
Diesem Schweineembryo wurden in einem frühen Stadium menschliche Zellen injiziert. Er wurde vier Wochen alt, bevor ...
Diesem Schweineembryo wurden in einem frühen Stadium menschliche Zellen injiziert. Er wurde vier Wochen alt, bevor er terminiert wurde. Das Experiment machte Anfang 2017 Schlagzeilen – nun haben Forscher die Prozedur verbessert und an Schafen getestet.
Foto von Juan Carlos Izpisua Belmonte

Am vergangenen Samstag berichteten Wissenschaftler, dass sie zum zweiten Mal erfolgreich einen Mensch-Tier-Hybriden geschaffen haben, dieses Mal in Form von Schafembryos, die – gemessen an der Gesamtanzahl ihrer Zellen – zu 0,01 Prozent menschlich waren.

Die Embryos wurden nach 28 Tagen terminiert und bringen Forscher wieder einen Schritt näher an eine Zukunft, in der man menschliche Organe zur Transplantation züchten könnte.

Allein in Deutschland warten derzeit etwa 10.000 Menschen auf eine Organspende, aber seit 2013 werden hierzulande nur noch um die 850 Organe pro Jahr postmortal gespendet.

Aufgrund dieser großen Diskrepanz wird daran geforscht, die Menge der verfügbaren Organe künstlich zu erhöhen. Einige Wissenschaftler versuchen, Organe im Labor mit einem 3D-Drucker herzustellen. Andere forschen an künstlichen, mechanischen Organen. Und wieder andere erschaffen Chimären – Hybriden aus zwei verschiedenen Arten –, um menschliche Organe in Schweinen oder Schafen heranzuzüchten.

ZUNEHMEND MENSCHLICH

Um solche Chimären zu erschaffen, isolieren die Forscher die Stammzellen eines Lebewesens. Dann injizieren sie einige Stammzellen einer Art in den Embryo einer anderen Art – ein komplizierter Vorgang, der nicht immer glückt.

Die DNA des Embryos muss so verändert werden, dass ein spezifisches Organ nicht ausgebildet werden soll. Wenn das gelingt, sind die injizierten Zellen die einzigen, die diese Lücke wieder schließen könnten. Auf diese Weise könnten Forscher beispielsweise ein Schwein mit einer menschlichen Leber züchten.

2017 züchteten Wissenschaftler mit dieser Methode bereits erfolgreich Mäusebauchspeicheldrüsen in Ratten und zeigten, dass diese Organe bei einer Transplantation Mäuse mit Diabetes heilen konnten. Nur einen Tag später verkündeten Wissenschaftler vom Salk Institute, dass sie Schweineembryos mit menschlichen Zellen 28 Tage lang am Leben halten konnten.

Stammzellenexperten lobten die Schweinestudie, wiesen aber darauf hin, dass die Anzahl der menschlichen Zellen in den Schweinen – etwa eine pro Hunderttausend – zu niedrig für erfolgreiche Organtransplantationen sei.

Beim jährlichen Meeting der American Association for the Advancement of Science in Austin, Texas, verkündeten der Forscher Pablo Ross von der Universität von Kalifornien in Davis und seine Kollegen dann, dass sie den Prozess verbessern konnten: Sie haben die Anzahl menschlicher Zellen in Schafembryos auf eine in Zehntausend erhöht.

„Wir glauben, dass das wahrscheinlich noch immer nicht genug ist, um ein Organ zu erzeugen“, sagte Ross auf einer Pressekonferenz. Dem Guardian zufolge müsste etwa ein Prozent des Embryos menschlich sein, damit eine Organtransplantation funktionieren könnte. Um eine Immunreaktion zu verhindern, müsste man zudem zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um Reste von tierischen Viren in der DNA des Schweins oder Schafs zu entfernen. Ihre neue Arbeit lässt allerdings einen Fortschritt auf dem Weg zu funktionsfähigen Organen erkennen.

ETHISCHE BEDENKEN

Ross zufolge würde die Forschung schneller voranschreiten, wenn sie besser finanziert würde. Derzeit untersagen die Nationalen Gesundheitsinstitute der USA die öffentliche Finanzierung von Mensch-Tier-Hybridenforschung, obwohl sie 2016 bereits andeuteten, dass das Verbot aufgehoben werden könnte. (Bisher wurde die frühe Forschung von privaten Spendern finanziert.)

Mit dem Voranschreiten der Arbeit werden wohl auch die Kontrollen auf die ethische Vertretbarkeit der Versuche zunehmen. Ross und seine Kollegen sind sich des kontroversen Charakters ihrer Arbeit bewusst, betonen aber, dass sie vorsichtig vorgehen.

„Derzeit ist der Beitrag der menschlichen Zellen sehr klein. Das ist nicht so, als hätten wir ein Schwein mit einem menschlichen Gesicht oder einem menschlichen Hirn“, sagte Ross‘ Kollege und Forscher an der Stanford Universität Hiro Nakauchi während des Treffens. Er betonte, dass die Forscher versuchen, die Vermehrung der Zellen auf bestimmte Bereiche zu begrenzen, um sicherzustellen, dass sie sich nicht im Gehirn oder den Fortpflanzungsorganen einnisten.

Für Ross jedenfalls sind die vielseitigen Ansätze im Bereich der Organforschung Grund für Optimismus.

„All diese Ansätze sind kontrovers, und keiner ist perfekt, aber sie geben den Menschen, die tagtäglich sterben, Hoffnung“, sagte er. „Wir müssen alle möglichen Alternativen erforschen, um kranke Menschen mit Organen zu versorgen.“

Michael Greshko auf Twitter folgen.

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