Exklusiv: Rekord-Schneckenfossil in Kreidezeit-Bernstein gefunden

Es handelt sich um das älteste bisher entdeckte Schneckenfossil, bei dem Teile des Weichgewebes erhalten blieben.

Von John Pickrell
Veröffentlicht am 12. Okt. 2018, 12:19 MESZ
Diese Schnecke wurde in einem 99 Millionen Jahre alten Stück Bernstein gefunden und ist das älteste ...
Diese Schnecke wurde in einem 99 Millionen Jahre alten Stück Bernstein gefunden und ist das älteste Exemplar, bei dem Teile des Weichgewebes erhalten sind.
Foto von Lida Xing, China University of Geosciences, Beijing

In einem 99 Millionen Jahre alten Stück Bernstein entdeckten Forscher vor Kurzem den Kopf, Fuß und einen der Fühler einer Schnecke. Das Exemplar ist zwar nur etwa fünf Millimeter lang, gewährt aber spannende Einblicke in das Leben dieser unauffälligen kleinen Tierchen zu Zeiten der Dinosaurier. 

Die Schnecke befindet sich in einem kleinen Bernsteinstück aus dem Norden Myanmars. Die versteinerten Harzklumpen aus dieser Region bezeichnet man auch als Birmit. Der Stein wurde 2016 von einem privaten Fossiliensammler erstanden und enthält auch das Haus einer zweiten, nicht so gut erhaltenen Schnecke. 

Die überwiegende Mehrheit der Schneckenfossilien besteht nur aus dem Gehäuse der Tiere. Der aktuelle Fund ist der bisher älteste, bei dem auch Weichgewebe im Bernstein erhalten geblieben ist, erklären die Autoren der Studie, die in „Cretaceous Research“ erschien. 

Die Studie wurde vom National Geographic Explorer Lida Xing von der Chinesischen Universität der Geowissenschaften in Peking geleitet. Xings Team kann auch einige andere jüngere Entdeckungen für sich verbuchen, darunter Küken, Regenwaldfrösche, eine frisch geschlüpfte Schlange und sogar einen gefiederten Dinosaurierschwanz, die allesamt in Bernstein eingeschlossen wurden. 

Eine seltene Schönheit

Schnecken sind in Bernstein selten zu finden, „ganz zu schweigen von so außergewöhnlichen Exemplaren, die noch Weichgewebe haben“, sagt der Co-Autor Jeffrey Stilwell, ein Paläontologe der Monash University in Melbourne, Australien. 

„Das Harz alter Bäume hat ein außergewöhnliches Konservierungspotenzial und erhält selbst die feinsten Details Millionen Jahre alter, versteinerter Organismen in perfektem 3D – und zwar so genau, dass sie aussehen, als wären sie erst gestern in dem Baumharz eingeschlossen worden“, sagt er. 

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    Eine 3D-Rekonstruktion der Schnecke offenbart noch mehr Details ihres Gehäuses und Weichgewebes.
    Eine 3D-Rekonstruktion der Schnecke offenbart noch mehr Details ihres Gehäuses und Weichgewebes.
    Foto von Lida Xing, China University of Geosciences, Beijing

    Gelegentlich wurden auch schon andere Schnecken mit noch erhaltenen Weichteilen in Bernstein gefunden. Das aktuelle Exemplar ist aber mindestens 70 Millionen Jahre älter als der vorherige Rekordhalter. Außerdem liefert es wichtige neue Daten über die große Artenvielfalt der tropischen Wälder während der Kreide. 

    Die Schnecke befindet sich aktuell in der Sammlung des Dexu Institute of Palaeontology in Chaozhou, China. Vermutlich ist sie eine Verwandte der heutigen Turmdeckelschnecken (Cyclophoridae), die in tropischen und subtropischen Gebieten leben. Diese Schneckenfamilie ist für ihr besonders hartes Operculum bekannt, das als eine Art Deckel für das Gehäuse fungiert, nachdem sich die Schnecke darin zurückgezogen hat. Da das Exemplar jedoch klein und noch nicht ausgewachsen ist, war eine genaue Bestimmung bisher schwierig, wie die Autoren sagen. 

    „Besonders bemerkenswert ist, dass man Strukturen wie einen Fühler oder ein mögliches Operculum erkennen kann“, findet Ricardo Pérez-de la Fuente. Der Paläontologe des Oxford University Museum of Natural History ist einer der Autoren einer Studie über Zecken, die in Birmit gefunden wurden. 

    „Solche Funde sind sehr wertvoll, um die Rekonstruktion der kreidezeitlichen Bernsteinwälder zu vervollständigen, und öffnen ein seltenes Fenster in den dreidimensionalen Erhalt von Weichgewebe.“

    Ein besserer Fossilbericht 

    Die Autoren vermuten, dass das außergewöhnliche Exemplar entstand, als die Schnecke in das Baumharz fiel. Das Gehäuse wäre schnell durch das zähe Harz verklebt worden, sodass sich das Tier nicht mehr zurückziehen konnte. Wahrscheinlich hat die Schnecke dann versucht, sich nach vorn zu strecken, um sich zu befreien, bevor sie schließlich vollständig vom Harz umschlossen wurde. 

    Der Paläobiologe George Poinar der Oregon State University in Corvallis findet den Fund faszinierend, hat aber eine andere Erklärung dafür, warum die Schnecke in diesem Zustand erhalten blieb. 

    Poinar hat 20 bis 30 Millionen Jahre alte Schneckenfossilien mit Weichgewebe beschrieben, die in Bernstein aus der Dominikanischen Republik gefunden wurden. Er glaubt, dass die ausgestreckte Form der Schneckenweichteile darauf hindeutet, „dass die Schnecke von einem Raubtier angegriffen wurde, das an ihrem Fleisch zog und sie dann versehentlich in das Baumharz fallen ließ“, sagt er. „Kein Raubtier will Baumharz an seinem Abendessen.“ 

    Unabhängig davon, wie diese Schnecke ihr Ende fand, ist sie Teil einer wachsenden Sammlung von Tieren und Pflanzen, die in Birmit entdeckt wurden. Viele dieser mehr als 1.000 in Baumharz erhaltenen Arten wurden erst in den letzten zehn Jahren entdeckt, sagt der Co-Autor der Studie Andrew Ross vom National Museum of Scotland in Edinburgh. 

    „Die Artenvielfalt im burmesischen Bernstein ist wirklich phänomenal und [...] eine Mischung aus urtümlichen, ausgestorbenen Arten und Arten, die Ähnlichkeit mit ihren heute lebenden Verwandten haben“, sagt er. „Sie liefert uns eine wahre Fülle an Informationen über Tiere, die wir vorher nur aus Gesteinsfossilien kannten.“ 

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht. 

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