Neues Objekt hinter Pluto deutet auf mysteriösen „Planeten X” hin

Der eisige Sonderling von der Größe Massachusetts könnte der erste seiner Art in den Außenbezirken unseres Sonnensystems sein.

Von Nadia Drake
Veröffentlicht am 5. Okt. 2018, 10:57 MESZ
Eine Illustration des Planeten X, einem bislang unentdeckten Planeten, der die Umlaufbahnen von kleineren, weit entfernten ...
Eine Illustration des Planeten X, einem bislang unentdeckten Planeten, der die Umlaufbahnen von kleineren, weit entfernten Himmelskörpern wie die des vor kurzem beschriebenen Planeten 2015 TG387 beeinflussen könnte.
Foto von Carnegie Institution For Science, Dtm, Roberto Molar Candanosa, Scott Sheppard

Die weit entfernten Welten des Sonnensystems haben ein neues Mitglied bekommen: einen kleinen, eisigen Himmelskörper, der es in 40.000 Jahren einmal um die Sonne herum schafft und der sich, abgesehen von Kometen, weiter von unserem Heimatstern entfernt als alle anderen bekannten Objekte im Sonnensystem.  

Der Planet mit dem Namen 2015 TG387 (und dem Spitznamen Kobold) ist wahrscheinlich kugelförmig und in etwa so breit wie der Staat Massachusetts. Und wie bei einigen anderen, weit entfernten Bewohnern des Sonnensystems deutet sein Umlaufverhalten darauf hin, dass sich ein unbekannter Planet X in den Randbezirken des Sonnensystems verbirgt.  

„Jedes kleine Objekt, das wir finden und das so isoliert ist, bringt uns der Entdeckung des Planeten X näher“, so Scott Sheppard von der Stiftung Carnegie Institution for Science, der in einer Mitteilung des International Astronomical Union’s Minor Planet Center über den neuesten Fund berichtet.  

„Oder, wenn wir noch mehr solcher Objekte finden, deutet am Ende nichts mehr auf den Planeten hin. Wer weiß.“ 

Mühevolle Kleinstarbeit 

Wie der Name schon vermuten lässt, sorgte 2015 TG387 bereits im Jahr 2015 das erste Mal für Aufregung. Über mehrere Jahre hinweg hatten Sheppard und seine Kollegen versucht, mit den besten Teleskopen der Welt die Außenbezirke des Sonnensystems zu untersuchen und den Himmel nach weit entfernten Planeten abzusuchen, die in punkto Schwerkraft noch an die Sonne gebunden sind. 

Für diese Art von Studien braucht man vor allem Zeit und Geduld. Kleine nadelstichgroße Lichtpunkte allein sind noch nicht sehr aussagekräftig. Astronomen müssen Objekten wie dem 2015 TG387 in mühevoller Kleinstarbeit folgen, wie sie sich langsam über einen sternenreichen Hintergrund bewegen.  

„Wir haben drei Jahre gebraucht, um seine Umlaufbahn mit der nötigen Präzision zu bestimmen“, so Sheppard. „Wir haben noch einige andere Objekte mit einer ähnlichen Distanz entdeckt. Allerdings müssten wir ihre Umlaufbahnen noch weitere ein oder zwei Jahre beobachten, um herauszufinden, ob sie vielleicht interessant sind.“ 

Im Moment befindet sich 2015 TG387 am Nordhimmel in der Nähe des Sternbilds Fische. Er ist um die 80 Astronomische Einheiten (AE) und damit 80 Mal weiter von der Sonne entfernt als die Erde, oder doppelt so weit wie Pluto. Gerade bewegt er sich nach innen. An seinem uns nächsten Punkt ist der winzige Eisball immer noch 65 AE entfernt, am entferntesten Punkt ist er 2.300 Mal weiter weg.  

Zwei Sonden überqueren den Rand unseres Sonnensystems

Trotz dieser relativen Nähe kann man den Planeten momentan mit bloßem Auge nicht am Himmel sehen. 2015 TG387 ist ein Objekt mit Magnitude 24. Damit ist er ungefähr so hell wie einer der kleinen Monde von Pluto. Und selbst Pluto kann man nur mithilfe eines vernünftigen Teleskops im Garten erkennen. Sheppard geht davon aus, dass der Winzling ungefähr einen Durchmesser von 300 km hat. Diese Berechnung hängt jedoch auch davon ab, wie stark seine Oberfläche reflektiert.  

Planetäre Brotkrumen 

Das weit entfernte Objekt ist deswegen Grund zur Aufregung, weil 2015 TG387 einer von vielen neu entdeckten Planeten ist, die übertriebene Ellipsen um unseren Sonnenstern herum beschreiben und dabei der Sonne nie näher kommen als Neptun. Zu diesen Planeten gehören Sedna, der 2003 entdeckt wurde, und 2012 VP113, der den Spitznamen Biden bekommen hat. 

BELIEBT

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    Diese Illustration zeigt die Umlaufbahn des neuen Objekts 2015 TG387 im Vergleich zum Rest des Sonnensystems.
    Foto von Carnegie Institution For Science, Dtm, Roberto Molar Candanosa, Scott Sheppard

    Seine Umlaufbahn passt ebenfalls zu der anderer Objekte. Alles deutet darauf hin, dass ein großer Planet, vielleicht um ein Vielfaches größer als die Erde, sich in der tiefschwarzen Dunkelheit des äußeren Sonnensystems verbirgt.  

    „Es ist anzunehmen, dass etwas diese Objekte in ähnliche Umlaufbahnen leitet. Darum denken wir, dass es irgendwo da draußen einen großen Planeten X gibt“, sagt Sheppard. „Irgendetwas, das von der Größe her zwischen Erde und Neptun liegt und diese Objekte in stabile Umlaufbahnen bringt.“ 

    Sheppard und seine Forscherkollegen sind auf der Suche nach genau diesem Planeten. Dank 2015 TG387 lässt sich das Suchgebiet ein bisschen besser eingrenzen. Im Moment geht er davon aus, dass Planet X gegenläufig zu 2015 TG387 kreist und dadurch eine gravitationsbedingte Resonanz entsteht, die diese außergewöhnlichen, verstreuten Orbits entstehen lässt. 

    Es ist aber auch möglich, dass die Astronomen im Moment nur Einblick in eine kleine, verzerrte Untergruppe von Bewohnern des äußeren Sonnensystems haben, die Sedna ähneln, und dass der Rest der Population Wege einschlägt, die gar nicht auf einen weiteren Planeten hinweisen.  

    Michele Bannister, Astronomin an der Queen‘s University Belfast, ist nicht wirklich davon überzeugt, dass es irgendwo da draußen einen großen, mysteriösen Planeten gibt. Sie plädiert für weitere Testreihen, die die nötigen Beweise liefern könnten.  

    „Weil wir die vielen unterschiedlichen Orbits und die Formen der Orbits kennen, können wir diese Dinge testen“, so die Forscherin. „Ich freue mich schon auf eine detaillierte Simulation mit einem zusätzlichen Planeten.“ 

    Fossile Fragmente 

    Trotzdem begrüßt Bannister natürlich diesen neu kartierten Planeten. Er könnte der erste Gesandte einer ganzen Population von Objekten sein, die wir normalerweise nicht sehen würden.  

    „Jede dieser Entdeckungen ist nur die Spitze des Eisbergs einer riesigen Population. Wir sehen nur den hellsten Planeten, weil er zufällig am nächsten an der Sonne oder ein größerer Vertreter der Population ist“, so Bannister. 

    Diese bunt gemischte Sammlung gefrorener Fragmente sei der Forscherin zufolge immens wichtig, wenn wir das Gesamtbild unseres Sonnensystems und anderer Planetensysteme verstehen wollen.  

    Bis jetzt konnten Forscher nur einige wenige Populationen dieser Objekte erschließen. Dazu zählen die Objekte, deren Umlaufbahnen sie bis zu 50 AE an die Sonne heranbringen, oder auch Sedna, die sich nur auf 80 AE heranwagt, und die Objekte, die direkt ins Herz des inneren Sonnensystems vordringen.  

    Die letzte Gruppe, Kometen, kommt vermutlich aus den Randgebieten der Oortschen Wolke, einer weit entfernten Ansammlung eisiger Fragmente, die zwischen 2.000 und 200.000 Mal weiter von der Sonne entfernt sind als die Erde. 2015 TG387 ist in seiner eisigen Zusammensetzung wahrscheinlich der eines Kometen ähnlich, hat aber eine komplett andere Umlaufbahn.  

    Wahrscheinlich kommt er aus dem inneren Bereich der Oortschen Wolke, den wir bisher noch nicht wirklich erforschen konnten.  

    Bannister zufolge liegt das größte Geheimnis dieser weit entfernten Objekte wohl in der Frage, wie sie genau entstanden sind. Es ist sehr kompliziert, eine Population an Objekten aufzubauen, die niemals näher an die Sonne herankommen als Neptun. Es gibt einfach nicht genügend Material da draußen, um diese Objekte zu erschaffen. 

    Es ist ebenfalls unklar, was sie soweit entfernt hat. Die Theorien reichen von sanften gravitationsbedingten Stößen, die ihre Umlaufbahnen mit der Zeit gestört haben könnten, über selbstgravitierende Planetesimale bis hin zu nahen Vorbeiflügen von Sternen oder sternlosen Planeten. 

    „Diese Population ist und bleibt spannend, weil wir keine fundierte Erklärung für ihre Entstehung haben“, so Bannister. „Es könnten auch fossile Planetesimale von den Anfängen unseres Sonnensystems sein, die durch einen noch unbekannten Mechanismus dort positioniert wurden.“ 

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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