Plutos schwimmende Berge und andere Kuriositäten
Fünf bizarre Fakten über den Zwergplaneten.
NATIONAL HARBOR, MARYLAND Für so eine kleine Welt hat Pluto eine erstaunliche Vielzahl an landschaftlichen Merkmalen, darunter auch schwimmende Gletscher, eigentümlich vernarbtes Gelände, dunstigen Himmel und mehrfarbige Landschaften. Wissenschaftler entdeckten während der Mission New Horizons zudem potenzielle Eisvulkane, schwimmende Berge und unartige Monde.
Das Team bekommt „eine Eins in Erforschung“ und „eine Sechs in Vorhersagen“, sagte Alan Stern, der führende Wissenschaftler des Forschungsprojekts. „Das Plutosystem verblüfft uns.“
EISVULKANE
Bei zwei Senken in der Nähe des Südpols könnte es sich um eisige Vulkan-Calderas handeln. Die Senken befinden sich auf den Gipfeln zweier gewaltiger Berge, Wright Mons und Piccard Mons. Jeder der Berge ist mehrere Kilometer hoch und mindestens 100 Kilometer breit. In Größe und Form ähneln sie den Schildvulkanen auf Hawaii. Statt feuriger Lava würden die Vulkane des Pluto aber Eis speien, das vermutlich aus Stickstoff oder Kohlenmonoxid besteht, oder eine wässrige Schlacke, die einem unterirdischen Ozean entstammt.
Jeff Moore vom Ames Research Center der NASA sagte während einer Konferenzpräsentation, dass das Team noch nicht mit Sicherheit sagen kann, ob es sich bei diesen Merkmalen wirklich um Vulkane handelt, „aber sie sehen sehr verdächtig aus“.
Wenn sie echt sind, wären es die ersten Vulkane, die man in den Außenbereichen unseres Sonnensystems entdeckt hätte. Das Team plant, seine Entdeckung durch zusätzliche Daten zu bestätigen, aber einige Mitglieder waren schon recht überzeugt.
„Wenn man einen großen Berg mit einem Loch an der Spitze sieht, deutet das üblicherweise auf genau eine Sache hin“, sagte Oliver White vom Ames Research Center. „Ich habe Schwierigkeiten damit, darin keine Vulkane mehr zu sehen.“
SCHWIMMENDE BERGE
Die Berge von Pluto könnten eher Eisbergen im Ozean als den Bergen auf der Erde ähneln. Sie bestehen aus gefrorenem Wasser und schwimmen vermutlich auf einem „Meer“ aus Stickstoffeis, erklärte Moore. In manchen Gebieten haben diese Berge in etwa die Ausmaße der Rocky Mountains, schwimmen aber trotzdem noch auf dem dichteren Stickstoffeis und dem Kohlenmonoxideis. „Selbst der größte Berg des Pluto könnte einfach schwimmen“, erzählte Moore während seiner Präsentation.
Am westlichen Rand des Eisfelds von Sputnik Planitia können große Platten aus Wassereis zerbrechen und sich neu arrangieren. Moore bezeichnete das Ergebnis dieser Verschiebungen als „anarchisches Terrain“. Die ungeordneten Ketten aus kantigen Blöcken, von denen einige 40 Kilometer breit und fünf Kilometer hoch sind, bilden Berge, die sich chaotisch über die ansonsten glatte, junge Ebene erheben. Den Analysen zufolge könnte das Becken Sputnik Planitia erst zehn Millionen Jahre alt sein. Im Grunde wurde es „gestern erst geboren“, so Stern. „Das ist eine große Erkenntnis, dass kleine Planeten in so einem riesigen Ausmaß noch Milliarden Jahre nach ihrer Entstehung aktiv sein können.“
RIESIGE RISSE, UNTERIRDISCHER OZEAN
Einige Bereiche der Oberfläche des Pluto, darunter Sputnik Planitia, sind unglaublich eben. Andere haben seltsame Senken oder erinnern ein wenig an Schlangenhaut. Wieder andere weisen enorme Risse wie den Virgil Fossa im Westen von Sputnik Planitia auf. Diese Spalten sehen aus, als hätten sie sich bei der Ausdehnung des Pluto gebildet, als die Kruste des Zwergplaneten aufriss. Und womöglich sind sie auch genauso entstanden. „Ein Ozean, der sich langsam abkühlt und gefriert, sorgt für Ausdehnung“, erklärt Bill McKinnon von der Washington Universität in St. Louis. Wenn sich unter Plutos Kruste ein Ozean aus Wasser verbirgt – was Wissenschaftler für wahrscheinlich halten –, dann könnte dieser beim Abkühlen und Gefrieren Druck auf den Mantel des Zwergplaneten ausüben und diese riesigen Risse verursachen.
KLEINE, KALTE ATMOSPHÄRE
Vor dem Vorbeiflug dachten Wissenschaftler, dass Pluto eine aufgeblähte Atmosphäre hätte, die vielleicht sieben- oder achtmal so voluminös wie der Zwergplanet selbst sei. Diese Atmosphäre, die vorwiegend aus Stickstoff bestünde, hätte sich laut der Vorstellung der Wissenschaftler auch so schnell verflüchtigt, dass im Laufe der 4,6 Milliarden Jahre von Plutos Existenz schon ein Kilometer des Eises auf seiner Oberfläche sublimiert und verschwunden wäre.
Dank New Horizons wissen die Forscher nun, dass diese Vorstellung so gut wie gar nicht zutrifft. Plutos Atmosphäre ist nicht annähernd so voluminös wie gedacht und verflüchtigt sich auch nicht so schnell wie vorhergesagt. „Mit der neuen Rate haben wir ungefähr 15 Zentimeter [an verschwundenem Eis]“, so Leslie Young vom Southwest Research Institute. Ein Großteil des Stickstoffs in der Atmosphäre verweilt nah am Zwergplaneten. Diese Beobachtung könnte durch das Vorhandensein von Zyanwasserstoff in den oberen Schichten der Atmosphäre erklärt werden. Niemand hatte erwartet, Zyanwasserstoff in solchen Mengen vorzufinden. Allerdings hätte er einen beträchtlichen Kühleffekt auf die Atmosphäre, die daher näher an der Oberfläche bleiben würde.
RASANTE MONDE
Die vier kleinen Monde des Pluto – Nix, Styx, Kerberos und Hydra; es gibt außerdem noch den großen Mond Charon – sind, wie viele Dinge dieses Systems, merkwürdiger als vermutet. Kerberos und Hydra sehen aus, als bestünden sie aus zwei noch kleineren Objekten, die langsam kollidiert sind und nun zusammenstecken. „Zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit gab es mehr als vier [kleine] Pluto-Monde – es gab mindestens sechs“, sagte Mark Showalter vom SETI Institute auf einer Pressekonferenz.
Die Daten der Mission New Horizons deuten darauf hin, dass mindestens zwei – und womöglich alle vier – der kleinen Monde des Pluto das Ergebnis von Zusammenstößen noch kleinerer Monde waren, die miteinander verschmolzen sind. Sollte sich diese Vermutung aufgrund weiterer Analysen erhärten, könnte sie wichtige neue Hinweise auf die Formation des Plutosystems liefern.
Auch die hohe Rotationsgeschwindigkeit der kleinen Monde ist eine Besonderheit. Hydra gewinnt das Rennen mit einer vollen Umdrehung alle zehn Stunden, aber alle kleinen Monde drehen sich weitaus schneller als erwartet. „Uns ist einfach noch kein Satellitensystem bekannt, das sich so verhält“, sagte Showalter. Zudem hat Nix einen seltsamen, rötlichen Krater auf einer Seite, den die Wissenschaftler noch nicht vollständig erklären können. Und Kerberos, den die Wissenschaftler für den dunkelsten Vertreter unter den Monden des Pluto hielten, ist in Wirklichkeit genauso hell wie seine drei kleinen Geschwister.
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