Astrophysikerin entdeckt neuen Galaxietypus

Die Astrophysikerin Burçin Mutlu-Pakdil träumte als Kind von den Sternen. Heute teilt sie sich ihren Namen mit einer 359 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie.

Von Fehmida Zakeer
Veröffentlicht am 22. Nov. 2018, 18:37 MEZ
Die Astrophysikerin Burçin Mutlu-Pakdil hielt im Rahmen des TED2018-Events im kanadischen Vancouver einen Vortrag.
Die Astrophysikerin Burçin Mutlu-Pakdil hielt im Rahmen des TED2018-Events im kanadischen Vancouver einen Vortrag.
Foto von Ryan Lash

Als Kind sah sich die Astrophysikerin Burçin Mutlu-Pakdil in ihrem Heimatland der Türkei gern die unzähligen Sterne am Nachthimmel an. Damals ahnte sie noch nicht, dass eine Galaxie in 359 Millionen Lichtjahre Entfernung dank ihrer wissenschaftlichen Arbeit eines Tages ihren Namen tragen würde.

Mutlu-Pakdils lebenslange Leidenschaft für die Astrophysik begann in der Mittelschule, als sie im Rahmen einer Schulaufgabe eine interessante Persönlichkeit vorstellen sollte.

„Ich habe meine Schwester nach Tipps gefragt, wen ich für meine Aufgabe vorstellen sollte, und sie schlug Einstein vor, weil er der klügste Mensch der Welt sei“, sagt Mutlu-Pakdil. Sie begann, sich mit Physik zu beschäftigen, und war ganz besessen davon, den Kosmos zu verstehen. Als sie beschloss, Physik zu studieren, musste sie allerdings schon die ersten von vielen Hürden auf ihrem Weg zu ihrem Lebenstraum meistern. Zunächst einmal stand ein Umzug von ihrer Heimatstadt Istanbul nach Ankara an.

„Meine Familie hat meine Entscheidung unterstützt und mich dazu ermutigt, meiner Leidenschaft nachzugehen. Manche von meinen Freunden und Verwandten fanden aber, dass Mädchen ihr zu Hause nicht verlassen sollten, um zu studieren“, sagt Mutlu-Pakdil. Auch einer der Professoren an der Uni stellte ihre Entscheidung infrage, die Stadt zu wechseln, um eine Wissenschaft zu studieren. Es überraschte sie nicht, dass sie eine der wenigen Studentinnen in ihrem Fach war.

„Ich fühlte mich als Frau in der Physik wie eine Außenseiterin und musste lernen, solche Bemerkungen zu ignorieren und mich auf das zu konzentrieren, was ich gern tat.“ Obwohl das mittlerweile nicht mehr der Fall ist, durften Frauen während ihrer Studienzeit keine Hijabs an der Universität tragen.

„Ich habe Hüte getragen und nach anderen Möglichkeiten gesucht, meinen Kopf zu bedecken, aber das war mir wirklich unangenehm. Ich musste schon gegen die Vorurteile ankämpfen, die man gegenüber Frauen in der Wissenschaft hat. Als man mich dazu gezwungen hat, meinen Kleidungsstil zu ändern, hat man mich genötigt, jemand zu sein, der ich nicht bin.“

Für ihr Masterstudium kam sie in die USA an die Texas Tech University. Später erhielt sie ihren Doktortitel in Astrophysik von der University of Minnesota-Twin Cities. Im neuen Land musste sie mit einer ganz anderen Art von kulturellen Differenzen zurechtkommen, fand aber insgesamt eine offenherzigere Atmosphäre vor.

„Ich war in einem neuen Land und vieles war anders. Aber weil ich ich selbst war und mich so anziehen konnte, wie ich wollte, war ich glücklicher, auch wenn es andere Probleme gab.“

Eine runde Sache

Mittlerweile arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Steward Observatory der University of Arizona. Dort analysiert Mutlu-Pakdil Teleskopdaten, um die Geheimnisse des Universums zu ergründen – insbesondere die Frage, wie Galaxien entstehen und sich im Laufe der Zeit verändern.

Es gibt etwa eine Billiarde bekannte Galaxien im Universum. Die meisten sind Spiralgalaxien, genau wie unsere Milchstraße. Zwar gibt es fundierte Theorien zur Entstehung der häufigsten Galaxietypen, aber seltene Galaxien sind von besonderem Interesse für Astronomen, die mehr über die Evolution des Kosmos erfahren wollen, so Mutlu-Pakdil.

BELIEBT

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    Hoags Objekt ist eine seltene Ringgalaxie. Auf diesem Bild des Hubble-Weltraumteleskops erkennt man die charakteristische Form dieses Galaxietyps besonders gut.
    Foto von NASA, R. Lucas stsci, Aura

    Eine solche untypische Galaxie ist Hoags Objekt, die nach Arthur Allen Hoag benannt wurde, der sie 1950 entdeckte. Hoags Objekt war das erste bekannte Beispiel einer Ringgalaxie. Es besteht aus einem hellen Ring aus relativ jungen, blau leuchtenden Sternen, in dessen Zentrum sich eine symmetrische Ansammlung älterer Sterne befindet. Die beiden Elemente haben keine sichtbare Verbindung zueinander. Solche Galaxien sind äußerst selten und machen vermutlich nur etwa 0,1 Prozent aller bislang beobachteten Galaxien aus.

    Als Mutlu-Pakdil und ihr Team die keine Galaxie PGC 1000714 zum ersten Mal bemerkten, hielten sie sie zunächst ebenfalls für eine Galaxie vom Hoag-Typ. Aber als Mutlu-Pakdil sich dann eingehender mit der Galaxie beschäftigte, stellte sie erstaunt fest, dass das ungewöhnliche Objekt noch eine weitere Besonderheit aufwies.

    „Zwischen dem äußeren blauen Ring und dem roten Kern entdeckten wir einen diffusen, rötlichen inneren Ring, der den zentralen Körper umgibt“, erzählt sie. „Wir hatten eine Galaxie vor uns, die so noch nie jemand gesehen hatte.“

    Der Himmelskörper erhielt den Beinamen Burçins Galaxie und stellt Astronomen vor eine spannende neue Frage: Wie entstand dieses seltsame Objekt überhaupt? Genau wie bei anderen Ringgalaxien ist der rötliche Kern älter als der blaue äußere Ring. Aber in Burçins Galaxie ist der zusätzliche innere Ring das älteste Element, und muss demnach zuerst entstanden sein.

    Regeln des Lebens

    Mutlu-Pakdil und ihr Team erforschen das interessante Objekt weiterhin. Sie hofft, dass ihre Arbeit und ihre Geschichte andere Zugewanderte und Studierende inspirieren wird – insbesondere Menschen aus unterrepräsentierten Gruppen.

    „Wann immer mich Schulen einladen oder ich von Leuten über die sozialen Medien kontaktiert werde, betone ich ganz besonders, dass man seine wissenschaftliche Neugier nicht aufgrund von äußerem Druck einschränken sollte“, sagt sie. „Es ist vielleicht kein einfacher Weg, aber man sollte seiner Leidenschaft nachgehen.“

    Ein Verlag hat Mutlu-Pakdil bereits gefragt, ob sie ein Buch über ihre Erfahrungen als Astrophysikerin schreiben möchte, und 2018 wurde sie zum TED Fellow gewählt.

    „Diese Plattform gab mir eine Stimme und eine Präsenz, die ich mir nie erträumt hätte.“ Als sie ihren TED Talk vorbereitete, testete sie ihn zunächst an Freunden, die meinten, er wäre zu schwer zu verstehen. „Ich habe mehrere Entwürfe gemacht. Ich habe einfach herumprobiert, bis ich einen Entwurf hatte, der die Informationen vermittelte, die ich mitteilen wollte, ohne dabei zu technisch zu sein“, erzählt sie.

    „Aber das ist auch eine Regel des Lebens, oder? Beim ersten Versuch bekommt man vielleicht nicht gleich das Ergebnis, das man gern hätte. Wann immer etwas nicht gelingt, steht man wieder auf und versucht es noch mal, bis man es schließlich schafft.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

     

    Weltall

    Aufnahmen: Wenn zwei Galaxien zusammenstoßen

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