Das Leben ist süß – Zucker und seine Folgen

Was wir jeden Tag essen hat einen Einfluss auf unsere Gesundheit und die unserer Umwelt. Doch amerikanische Kinder essen häufiger Pommes Frites als Gemüse.

Von Jon Heggie
Veröffentlicht am 14. Feb. 2019, 11:03 MEZ
Fettverdauung

Zuckerrohr ist die wertvollste Feldfrucht der Welt. Auf 27 Millionen Hektar Farmland wächst der Rohstoff für eine Industrie, die die amerikanischen Konsumenten allein mit elf Millionen Tonnen Zucker pro Jahr versorgt; in Deutschland sind es ca. fünf Millionen Tonnen jährlich. Der durchschnittliche Amerikaner isst 70 Gramm (17,5 Teelöffel) Zucker täglich, der durchschnittliche Deutsche 24 Teelöffel. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt eine Einschränkung des Konsums, aber so einfach ist das gar nicht. Im Verlauf der letzten 50 Jahre haben wir eine Hassliebe zum Zucker aufgebaut – wir wissen, dass wir ihn hassen sollten, aber …

Wahrscheinlich sind wir darauf programmiert, Zucker zu mögen. Unsere evolutionären Überlebensinstinkte lösen das Verlangen nach den Inhaltsstoffen aus, die unser Körper benötigt: Salz, Fett und Zucker. Für unsere frühen Vorfahren war der hohe Energiegehalt von Zucker überlebensnotwendig, da die Nahrung knapp war und wir aktiv danach suchen mussten. Wir standen in Konkurrenz mit Vögeln, anderen Tieren und Insekten um Beeren, Früchte und Honig. Diese süßen Leckereien unterstützten das Überleben und Vorankommen der menschlichen Spezies, aber Tausende von Jahren lang war die Menge durch die jahreszeitliche Verfügbarkeit stark begrenzt. Bis zum Start der Massenproduktion im Jahr 1647 machte Zucker nur einen winzigen Teil in der menschlichen Ernährung aus. 

Zuckermoleküle bilden Kohlenhydrate, die die wichtigsten Energielieferanten für den Körper darstellen. Die süßen, farblosen, wasserlöslichen Verbindungen bestehen aus Kohlenstoff-, Wasserstoff- und Sauerstoff-Atomen und stecken auch im Saft von Pflanzensamen und der Milch von Säugetieren. Man unterscheidet dabei sechs Hauptkategorien. 

Glukose ist ein Monosaccharid oder Einfachzucker, der durch den Blutkreislauf transportiert und von den Zellen aufgenommen wird. Fruktose ist ein weiterer, einfacher Zucker, der in Obst und Honig vorkommt. Er hat die gleiche molekulare Struktur wie Glukose, unterscheidet sich aber in der Anordnung der Moleküle, was ihn süßer schmecken lässt. Kombiniert man ein Molekül Glukose mit einem Molekül Fruktose, entsteht ein Disaccharid oder Zweifachzucker. Maltose und Laktose aus Milch sind Disaccharide, ebenso wie der künstlich hergestellte Maissirup. Der Zweifachzucker Saccharose ist der üblicherweise verwendete Haushaltszucker. Er wird fast ausschließlich aus Zuckerrohr und Zuckerrüben gewonnen. 

In den 1960er-Jahren entwickelte man den Maissirup durch die industrielle Umwandlung von Glukose in Fruktose. Dieses äußerst günstige, super-süße, künstliche Konzentrat kommt flächendeckend in Getränken und Nahrungsmitteln zum Einsatz, in Deutschland ist seine Verwendung jedoch noch nicht sehr verbreitet. Zwischen 1970 und 1990 hat sich der Konsum von Maissirup in den USA verzehnfacht; zugleich stieg die Rate des Übergewichts an. Das Problem bei Maissirup liegt darin, dass Fruktose keine Nährstoffe enthält – es sind nur leere Kalorien. 

Der Körper unterscheidet nicht zwischen natürlichem oder raffiniertem Zucker, er kann jedoch nur Monosaccharide aufnehmen. Enzyme im Dünndarm brechen Disaccharide in ihre individuellen Komponenten auf, aus Saccharose wird Glukose und Fruktose. Diese werden in den Blutkreislauf eingebracht, wo die Glukose zu Muskelzellen weitertransportiert und in Energie umgewandelt wird. Glukose ist der Haupttreibstoff für unser Gehirn und die Neuronen benötigen konstant Nachschub aus dem Blut. Betazellen in der Bauchspeicheldrüse überwachen den Zuckerspiegel in unserem Blut und nutzen dabei Insulin, um ihn konstant zu halten. Überschüssiger Zucker wird als Glycogen zur späteren Verwendung eingelagert. 

Bei der Fruktose sieht das anders aus. Sie wird nur von der Leber abgebaut, die sie in glukoseartige Moleküle umwandelt. Allerdings sind einige Nebenprodukt des Fruktose-Abbaus Fettmoleküle – je mehr Fruktose die Leber verstoffwechselt, desto mehr Fettmoleküle entstehen. Wenn man sie in Form von Softgetränken und verarbeiteten Lebensmitteln in hohem Maß zu sich nimmt, kann das die Leber überlasten und zu gesundheitlichen Problemen führen. 

Jeder Zucker, der Nahrungsmittel zugesetzt wird, ist von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „freier Zucker“ deklariert. Wir müssen wissen, wie viel einem Produkt zugesetzt wurde, da jedes Gramm Zucker – gleich, welcher Art – einem Wert von 3,94 Kalorien entspricht. Zu viel Zucker kann es zudem unmöglich machen, die Nährstoffe, die wir brauchen in ausreichender Menge aufzunehmen, ohne die empfohlene Menge von 2.000 Kalorien pro Tag zu überschreiten. Die WHO empfiehlt, dass freie Zucker weniger als 10 Prozent der täglichen Energiezufuhr eines Erwachsenen betragen und 50 Gramm (12,5 Teelöffel) nicht überschreiten sollten. 

In Norwegen liegt der Durchschnitt bei 7-8 Prozent, in Großbritannien dagegen bei 16-17 Prozent. Kinder essen für gewöhnlich mehr freie Zucker und der Konsum ist in städtischen Regionen insgesamt höher. Das Problem dabei: Freie Zucker sind überall. Abgesehen von seinem heiß begehrten Geschmack wirkt Zucker auch konservierend in Frühstücksflocken, gibt Joghurt mehr Aroma, gleicht die Säure in Tomatensoßen aus und hilft dabei, Kuchen saftig und Kekse knusprig zu machen. Die wohl verrufenste Quelle für freie Zucker sind zuckergesüßte Erfrischungsgetränke, die bis zu 40 Gramm (10 Teelöffel) an freien Zuckern pro Dose enthalten können. Viel von dem Zucker, den wir zu uns nehmen, ist jedoch in verarbeiteten Nahrungsmitteln versteckt, bei denen wir gar nicht an süßen Geschmack denken. So enthält beispielsweise ein Esslöffel Ketchup einen Teelöffel Zucker. Die Regierung sorgte dafür, dass die Kennzeichnung von Nahrungsmitteln sich verbessert und wir damit lernen, dass eine uns unbekannte Zutat, die auf „-ose“ endet, mit großer Wahrscheinlichkeit eine Zuckerart ist. 

Jeder Mensch verstoffwechselt Nahrung anders, doch viele von uns essen mehr Zucker, als wir benötigen. Wir wissen, dass uns das Probleme verursacht und doch hält uns das nicht auf. Uns verführt der Geschmack: In der Natur sind süße Nahrungsmittel in der Regel auch sichere Nahrungsmittel, aber inzwischen bringen wir Süße vor allem mit Wohlbefinden in Verbindung. Wenn wir Zucker essen, schüttet das Gehirn Dopamin und Serotonin aus, zwei Hormone, die die Stimmung verbessern und das Belohnungszentrum des Gehirns aktivieren. Dadurch bekommen wir das große Verlangen nach Zucker, was einer Drogenabhängigkeit nicht unähnlich ist. Der Zuckerrausch verursacht jedoch auch die Ausschüttung von Insulin, was einen Abfall des Zuckerspiegels zur Folge an. Daraus entsteht noch mehr Verlangen und ultimativ ein schädlicher Zucker-Teufelskreis. Darüber hinaus unterdrückt Glukose unsere Hunger-Hormone, Fruktose jedoch nicht. Wir essen also potenziell mehr, unabhängig davon, wie viele Kalorien wir damit zu uns nehmen. Das ist ein Problem. 

Den meisten Menschen ist bewusst, dass übermäßiger Zuckerkonsum zum übermäßigen Kalorienkonsum führen kann, was schließlich zum Übergewicht führt. Damit verbunden sind oft auch gesundheitliche Probleme wie Herzerkrankungen, Krebs und Diabetes. Unbestrittenermaßen hat sich unsere Beziehung zum Zucker seit unserer Zeit als Jäger und Sammler drastisch verändert und das tut sie nun wieder, da der Zucker gerade zum Feind Nummer eins der öffentlichen Gesundheit wird. Es ist unwahrscheinlich, dass wir ihn komplett aus unserem Leben streichen werden, doch mit mehr Verständnis für die Funktionsweise unseres Körpers wenden sich viele Menschen einem moderateren Zuckerkonsum zu.

Was macht unser Leben besser? Auf www.nationalgeographic.de/fragen-fuer-ein-besseres-leben könnt ihr entdecken, wie wir die größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts meistern können.

Dieser Inhalt wurde von unserem Partner bereitgestellt. Er spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung von National Geographic oder seinen Redaktionsmitarbeitern wider.

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