Die Flüsse des Mars flossen noch länger als gedacht

Dank hochauflösender Aufnahmen konnten Forscher alte Flussbetten auf dem Mars vermessen – mit überraschenden Ergebnissen.

Von Maya Wei-Haas
Veröffentlicht am 29. März 2019, 13:42 MEZ
Der NASA-Rover Mars 2020 soll im Jezero-Krater landen. Die 45 Kilometer breite Senke war Forschern zufolge ...
Der NASA-Rover Mars 2020 soll im Jezero-Krater landen. Die 45 Kilometer breite Senke war Forschern zufolge einst von einem See bedeckt. Dieses zusammengesetzte Bild, das mit zwei Instrumenten des Mars Reconnaissance Orbiter der NASA gemacht wurde, zeigt das alte Flussdelta im Jezero-Krater. Forscher hoffen, es nach Spuren einstiger mikrobieller Lebensformen durchkämmen zu können.
Foto von NASA, JPL, Jhuapl, Msss, Brown University

Heutzutage wechseln sich auf der Marsoberfläche kalte Tage mit noch kälteren Nächten ab. An Wasser ist nicht mehr zu denken. Was von der lebensspendenden Flüssigkeit noch übrig ist, tröpfelt je nach Jahreszeit als salzige Schlacke an Hängen herab, ist in unterirdischen Seen eingeschlossen oder an den Polkappen vereist.

Doch das rostrote Marsgestein zeugt von einer feuchtfröhlichen Vergangenheit: Tiefe Furchen durchziehen eine Landschaft voller ausgetrockneter Seen, Schwemmkegel und glatter Flusssteinchen. Lange gingen Forscher davon aus, dass die längst vergangene, feuchtwarme Phase des Planeten nur kurz währte. Eine aktuelle Studie in „Science Advances“ deutet nun aber darauf hin, dass diese Flüsse womöglich viel länger existierten als vermutet.

Laut der neuen Analyse sind die uralten Flussbetten tiefer als vergleichbare Vertiefungen auf der heutigen Erde. Wichtiger noch: Das Wasser rauschte wohl noch vor 3.4 bis 2 Millionen Jahren durch sie hindurch. Das ist eine recht späte Phase in der Geschichte des wasserführenden Mars, in welcher der Planet laut den Annahmen der Wissenschaftler eigentlich schon am Austrocknen war.

„Die Klimageschichte des Mars wird traditionell wie folgt beschrieben: Früher war er warm und feucht, heute ist er kalt und trocken. Aber die Belege deuten darauf hin, dass die klimatische Evolution des Mars deutlich komplizierter war“, schrieb Kathryn Steakley vom Mars Climate Modeling der NASA in einer E-Mail. Sie selbst war an der aktuellen Studie nicht beteiligt.

Sobald man von Wasser auf dem Mars spricht, kann man sich der Aufmerksamkeit der Zuhörer gewiss sein – denn wo einst Wasser war, hätte vielleicht auch Leben sein können. Allerdings ist es noch zu früh, sich Namen für eventuelle Marsfossilien zu überlegen. Noch gibt es viele unbeantwortete Fragen darüber, was genau in dieser vergangenen Epoche des Mars geschah und wie die Flüsse trotz der veränderten Klimabedingungen weiterhin Wasser führen konnten.

BELIEBT

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    „Das macht die ohnehin schon schwierige Frage, was genau auf dem frühen Mars ein feuchtwarmes Klima ermöglichte, noch schwieriger zu lösen“, sagt der Studienautor Edwin Kite, ein Planetenwissenschaftler der University of Chicago.

    Rauschende Flüsse, tiefe Seen

    Die heutige Marsatmosphäre ist zu dünn, um sonderlich viel Wärme von den Sonnenstrahlen zurückzuhalten. Viele Wissenschaftler sind sich daher einig, dass der Rote Planet einst über eine dichtere Atmosphäre verfügte, die für mehr Wasser an der Oberfläche sorgte. Trotzdem war der Mars schon damals kein tropisches Paradies. Die Sonne war zu jener Zeit 25 bis 30 Prozent schwächer als heutzutage. Das bedeutet, dass die felsige Marslandschaft durch die Sonneneinstrahlung viel weniger erwärmt wurde.

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    „Die Bedingungen auf der Oberfläche gaben es schon immer nur gerade so her, dass da noch flüssiges Wasser fließen konnte“, sagt Alan Howard vom Planetary Science Institute in Tucson, Arizona, der an der Studie nicht beteiligt war.

    Ein paar Faktoren könnten dazu beigetragen haben, die wässrige Vergangenheit zu begünstigen. Auf der Erde erzeugt unser äußerer Erdkern ein schützendes Magnetfeld, welches dafür sorgt, dass unsere relativ dichte Atmosphäre nicht einfach vom nächsten Sonnenwind weggefegt wird. Vermutlich war das auch auf dem frühen Mars der Fall. Eventuell unterschied sich die Marsatmosphäre in ihrer Zusammensetzung auch von ihrem heutigen kläglichen Überrest. Einige Experten vermuten beispielsweise, dass Vulkanausbrüche die Atmosphäre mit Treibhausgasen angereichert haben.

    Aber wie auch immer es zu der warmen, feuchten Phase kam – sie hielt nicht lange an. Die alte Marsatmosphäre wurde abgetragen und mit ihr verschwanden viele der Seen und Flüsse. Kite und seine Kollegen dachten zunächst, dass die rauschenden Flüsse nach dieser Phase zu kleinen Rinnsalen zusammenschrumpften, die sich nur noch in relativ niedrigen Höhenlagen halten konnten.

    „Das war die Hypothese“, sagt Kite. „Und da lagen wir falsch.“

    Schwimmen mit dem Strom

    Die Begeisterung über die hochauflösenden Aufnahmen der Instrumente im Marsorbit – darunter auch HiRISE, das High Resolution Imaging Science Experiment – führte dazu, dass die Forscher mehr als 200 alte Flussbetten vermaßen. Anhand ihrer Größe, ihrer Biegungen und des relativen Alters des umliegenden Terrains schloss das Team auf eine unerwartet langanhaltende und späte Phase mit fließendem Wasser.

    Unklar bleibt, woraus sich die Flüsse damals speisten. Einige Wissenschaftler, darunter auch Kite und sein Team, erforschen, ob sich in den niedrigen Druckverhältnissen der Atmosphäre Eiswolken bilden konnten. Solche Wolken treiben auch heute noch über dem Mars. Wenn sie größer wären, könnten sie vielleicht genug Wärme zurückhalten, damit Schnee und Eis auf der Oberfläche schmelzen. Womöglich ist aber auch die Datierung der Flüsse falsch, was bedeuten würde, dass sich die Flussbetten schon viel früher bildeten, als eine deutlich dichtere Marsatmosphäre den Planeten erwärmte.

    Auch Kite gibt zu, dass sich ohne bessere Schätzungen zur Tiefe der Flussbetten oder ihrer Sedimente nur schwer genau bestimmen lässt, wie viel Wasser einst durch sie hindurchrauschte. Die bloße Breite der Betten lasse nur begrenzte Schlussfolgerungen zu, stimmt auch Howard zu. Und auch diese Maße könnten leicht irreführend sein, da ein Fluss nicht zwingend sein ganzes Bett ausfüllt.

    Aber anhand der verfügbaren Informationen „sind die Grundannahme und die Schlussfolgerungen – nämlich, dass das ganz schön große Wassermassen waren – realistisch, wie ich finde“, sagt Howard.

    Bald schon können die Wissenschaftler auf mehr Hinweise hoffen: Der Rover Mars 2020 soll im Jezero-Krater landen, in dem sich eines dieser Flussdeltas aus der späten Phase befindet, wie Kite sagt. Der Rover kann dann Bilder der Sedimente machen, was den Wissenschaftlern dabei helfen würde festzustellen, wie viel Wasser sich in den Krater ergoss. Gewissheit gäbe es am Ende aber nur, wenn man einen Orbiter Milliarden Jahre in die Vergangenheit schicken könnte, um sich die Oberfläche des Planeten anzusehen.

    Zumindest Howard zeigt sich amüsiert über die Vorstellung: „Das würde ja die ganzen Kontroversen und das Interesse daran zerstören, sich dieses Bild aus den spärlichen Belegen zusammenzupuzzeln, die wir aktuell haben. Dann wäre die Wissenschaft ein bisschen weniger spannend.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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