Europas Rekordsommer häufen sich

Schon im Juni kämpft ein Kontinent mit außergewöhnlicher Hitze. Schuld ist das schmelzende Meereis in der Arktis.

Von Stephen Leahy
Veröffentlicht am 1. Juli 2019, 15:03 MESZ
Am 26. Juni spielen die Pariser und Touristen im Wasserbecken am Palais du Trocadéro, um sich ...
Am 26. Juni spielen die Pariser und Touristen im Wasserbecken am Palais du Trocadéro, um sich abzukühlen.
Foto von Samuel Boivin NurPhoto/Getty Images

Eine weitere tödliche Hitzewelle ist über Europa hinweggerollt. In Teilen Frankreichs, Deutschlands, Polens und Spaniens kletterten die Temperaturen auf über 38 °C – und es stehen uns noch heißere Tage bevor. Eine ähnliche Situation hatte es bereits im letzten Jahr gegeben: Rekordhitze hatte für 700 Todesfälle in Schweden und mehr als 250 Todesfälle in Dänemark gesorgt. Gerade für die skandinavischen Länder sind solche Verhältnisse historisch gesehen eher neu.

Die fünf heißesten Sommer der letzten 500 Jahre erlebte Europa allesamt in den letzten 15 Jahren, wobei der aktuelle Sommer, der gerade erst begonnen hat, in der Statistik noch nicht vertreten ist. Jedes Mal kosteten die Wetterextreme Menschenleben. Die Hitzewelle im Jahr 2003 war dabei die schlimmste: Insgesamt starben mehr als 70.000 Menschen. Sieben Jahre später starben bei einer weiteren Hitzewelle 2010 allein in Russland 56.000 Menschen.

Diese außergewöhnlichen Hitzeereignisse hängen alle mit einem langsameren Jetstream zusammen, der dafür sorgt, dass Wettersysteme über einer Region verharren, erklärt Michael Mann von der Penn State University. Im letzten Jahr schrieb Mann an einer Studie mit, welche die Verlangsamung des Jetstreams – die von West nach Ost verlaufenden Starkwindbänder in der oberen Atmosphäre – mit den extremen Dürren, Hitzewellen, Waldbränden und Überflutungen in der gesamten nördlichen Hemisphäre in Verbindung brachte. Wahrscheinlich ist der Jetstream in diesem Jahr auch die Ursache für die schwachen Monsunregen in Indien und die großflächigen Überschwemmungen im Mittleren Westen der USA.

Galerie: Überleben an den heißesten Orten der Erde

„Meine Kollegen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) haben bestätigt, dass wir das aktuell auch in Europa sehen“, sagte Mann in einer E-Mail.

Der Verlust des arktischen Meereises würde die Erwärmung in den nördlichsten Regionen unseres Planeten begünstigen, was die natürlichen Strukturen des Jetstreams durcheinanderbringt, erklärte Dim Coumou von der Vrije Universiteit und dem PIK. Die Winde des Jetstreams entstehen durch die Temperaturunterschiede zwischen der kalten Luft der Arktis und der warmen Luft der Tropen. Wenn die Temperaturen in der Arktis steigen – in diesem Winter schrumpfte die Eisdecke auf ihre bislang kleinste Ausdehnung zusammen –, verringern sich die Temperaturunterschiede und der Jetstream wird langsamer.

Wie ein langsam fließender Fluss mäandert der Jetstream vor sich hin und kann im Sommer wochenlang an derselben Stelle verharren. Infolgedessen stagnieren auch die Wettersysteme, ob es nun Hitzewellen oder sintflutartige Regenfälle sind.

Auch wenn die Temperaturen in Europa sich noch nicht mit den 51 °C messen können, unter denen Indien aktuell schwitzt, ist die derzeitige Hitze insbesondere für die Nordeuropäer eine ungewohnte Belastung. Auch Mitteleuropa ist auf solche Temperaturen eher schlecht vorbereitet. In Frankreich verfügen weniger als 5 Prozent der privaten Haushalte über eine Klimaanlage, in Deutschland sind es nicht einmal 2 Prozent.

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    Heiße Nächte in der Stadt

    In den europäischen Städten ist die Zahl der besonders heißen Tage fast doppelt so hoch wie im Umland und in ländlichen Gebieten, da sich in Städten die Hitze staut, erklärte Jürgen Krupp vom PIK. Der Beton und der Asphalt speichern tagsüber die Hitze und geben sie nachts wieder ab, sodass es in den Städten wärmer bleibt. Ohne drastische Reduzierungen der CO2-Emissionen wird sich die Zahl der heißen Tage in den Städten bis zum Ende dieses Jahrhunderts verzehnfachen, so Kopp. „Der Mittwoch war hier in Berlin der heißeste Tag, den wir im Juni je hatten.“

    Derzeit gebe es eine ernsthafte Debatte über den Umgang mit der zunehmenden Hitze, erklärte er weiterhin. Je mehr Klimaanlagen genutzt werden, desto höher ist der Energieverbrauch – und damit steigen auch Deutschlands CO2-Emissionen, was wiederum den Klimawandel vorantreibt. Die Mehrheit der deutschen Wünsche sich, dass mehr gegen den Klimawandel getan wird, so Kropp. Dennoch steigt aktuell die Nachfrage an Heimklimaanlagen.

    Europa habe aus der Hitzewelle im Jahr 2003 gelernt, die auf dem ganzen Kontinent mehr als 70.000 Todesopfer forderte, sagte Richard Keller, ein Professor für Medizingeschichte an der University of Wisconsin-Madison. In diesem Jahr rechnet er mit einer geringeren Todesrate. „Frankreich ist deutlich besser vorbereitet, es gibt entsprechende Notdienste und die Leute sind sich der Gefahren besser bewusst“, sagte Keller.

    Viele Schulen in Frankreich wurden geschlossen – über Klimaanlagen verfügt dort kaum eine, wie Keller sagt. In geschäftigen Stadtbereichen wurden temporäre Trinkbrunnen ausgestellt und Kühlbereiche eingerichtet. Parks und Schwimmbäder haben länger geöffnet. Ältere Autos wurden aus der Innenstadt verbannt, da Hitzewellen die Luftverschmutzung verschlimmern.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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