Vulkanausbruch auf La Palma: Erste Eruption seit 50 Jahren

Im Jahr 1971 brach auf der Cumbre Vieja zuletzt ein Vulkan aus – nun ist es wieder so weit. Die Eruption auf der Insel im Nordwesten der Kanaren könnte sich noch eine ganze Weile hinziehen.

Von Robin George Andrews
Veröffentlicht am 23. Sept. 2021, 12:24 MESZ
Der Lavastrom fließt nach der Eruption eines Vulkans der Cumbre Vieja auf der Kanareninsel La Palma ...

Der Lavastrom fließt nach der Eruption eines Vulkans der Cumbre Vieja auf der Kanareninsel La Palma dem Meer entgegen. Der letzte Ausbruch fand im Jahr 1971 statt.

Foto von Arturo Rodríguez

In der 14 Kilometer langen Vulkankette Cumbre Vieja im Süden der spanischen Kanareninsel La Palma hat es immer mal wieder rumort und gerumpelt. Dass sie tatsächlich auch Lava gespuckt hat, kam zuletzt im Jahr 1971 vor – bis am 19. September 2021 an der Westflanke des Stratovulkans durch den Druck aufsteigenden Magmas um 15:12 Uhr Ortszeit mehrere Risse im Gestein aufbrachen. Dies war der Startschuss zu einer enormen Eruption.

Aus der Ferne betrachtet ist dieser Anblick ein spektakuläres Schauspiel: Riesige Lava-Fontänen mit einer Temperatur von fast 1.100 Grad Celsius schießen kreischend über 1.500 Meter in die Luft. Weiter unten am Berg kriechen verflochtene Flüsse aus geschmolzenem Gestein aus den Rissen der Felsen wie Blut aus offenen Wunden.

Die Kanarische Insel La Palma liegt in einer der vulkanisch aktivsten Zonen des Archipels. Ungefähr 85.000 Menschen sind hier zu Hause.

Foto von Arturo Rodríguez

Ohne Vulkane gäbe es La Palma gar nicht: Die Kanarischen Inseln entstanden, als an dieser Stelle ein vulkanischer Hotspot die Erdkruste im Atlantischen Ozean durchbrannte. Die aufsteigende Lava formte ein Archipel, das aus acht Hauptinseln besteht. Auf diesen sind erfreulich vielfältige Ökosysteme entstanden: von subtropischen Wäldern bis hin zu Wüsten. Das Erscheinungsbild La Palmas wird von hohen Bergen geprägt, die oft einen wolkenfreien Blick in den Sternenhimmel erlauben. Darum ist die Insel Standort des Roque-de-los-Muchachos-Observatoriums, einer der größten Sternwarten Europas.

„Dieser jüngste Vulkanausbruch zeigt, dass die geologische Geschichte solch einer kleinen, hübschen Insel sowohl Fluch als auch Segen sein kann“, sagt Helen Robinson, Geowissenschaftlerin an der University of Glasgow in Schottland und 2015 Teil des Teams, das die Vorgänge an der Cumbre Vieja überwacht.

Diese fällt nach wie vor durch hohe vulkanische Aktivität auf. In den vergangenen 7.000 Jahren kam es zu einer Vielzahl von Eruptionen an der zerklüfteten Nord-Süd-Achse des Bergkamms, die von Rissen, Kegeln, Kratern und Öffnungen gezeichnet ist. Seit dem 15. Jahrhundert haben hier eine Reihe von Lavaströmen auf ihrem Weg ins Meer wiederholt viele Gebäude beschädigt. Sie bahnen sich ihren Weg durch Risse im Felsgestein der Vulkane, wie es zum Beispiel auch beim Kīlauea auf Hawaii oder den fortlaufenden Eruptionen auf Reykjanesskagi, einer Halbinsel im Südwesten Islands, zu beobachten ist.

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    Am Nachmittag des 20. Septembers 2021 sieht es nicht so aus, als würde die Eruption der Cumbre Vieja bald ein Ende finden. Nach Angaben von Pedro Hernández, Vulkanologe am Instituto Volcanológico de Canarias (INVOLCAN), fließt die Lava zu diesem Zeitpunkt weiterhin wie ein feuriger Wasserfall in westlicher Richtung dem Meer entgegen. Zwar sei der größte Teil der Insel nicht von dem Ausbruch betroffen, 5.000 Menschen, deren Häuser dem Lavastrom in die Quere kommen könnten, seien jedoch evakuiert worden. „Es wurden bereits mehr als 20 Gebäude zerstört”, sagt Perdo Hernández. Laut Berichten der Nachrichtenagentur Reuters mussten mehr als 500 Touristen ihre Hotels verlassen. Auf der Nachbarinsel Teneriffa wurden 360 Gäste eines Resorts evakuiert.

    Wie lang von dem Lavastrom eine Gefahr ausgehen wird, ist schwer einzuschätzen. Eruptionen auf La Palma können zwischen wenigen Wochen und mehreren Monaten andauern. „Um den Zeitrahmen konkret zu bestimmen, müssten wir das Volumen der ausbrechenden Lava unter der Cumbre Vieja kennen“, erklärt Pablo J. González, Vulkanologe beim Obersten Rat für wissenschaftliche Forschung auf Teneriffa. „Diese Information haben wir aber nicht.“

    Änderungen an der Form des Felsens in der Umgebung des Vulkans und die seismischen Klänge der Beben in seinem Inneren könnten Hinweise geben, die bei der Suche nach einer Antwort helfen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Cumbre Vieja ihre Geheimnisse nicht bereitwillig preisgeben wird.

    Dem jüngsten Vulkanausbruch ging eine Reihe von Schwarmbeben voraus. Die sorgfältige Überwachung dieser Ereignisse machte es den Behörden möglich, rechtzeitig vor der Eruption mit den Evakuierungsmaßnahmen zu beginnen.

    Foto von Arturo Rodríguez

    Erdbeben kündigen Eruption an

    La Palma, die nordwestlichste Insel der Kanaren, ist eine vulkanische Chimäre, eine Mischung verschiedenster großer und kleiner Vulkanstrukturen. Im Süden liegt die Cumbre Vieja, zu Deutsch „Alter Höhenrücken”, die anders als der Name vermuten lässt mit ihrem Alter von 125.000 Jahren eher zu den jüngeren Formationen auf der Insel zählt. Zuletzt brach hier im Jahr 1971 einer der kleinsten Vulkane der Kette, der Teneguia, aus. Man kann jedoch nicht sagen, dass es seitdem an der Cumbre Vieja still geblieben wäre.

    Laut Itahiza Domínguez Cerdeña, Seismologe am National Geographic Institute auf Teneriffa, wurden seit Oktober 2017 in knapp 29 Kilometern Tiefe unterhalb des Vulkans neun Schwarmbeben aufgezeichnet. Als Schwarmbeben bezeichnet man eine Erdbebenserie, bei der sich in einem begrenzten Teil der Erdkruste innerhalb eines bestimmten Zeitraums mehrere Erdbeben ereignen.

    Eine Woche vor dem Ausbruch des Vulkans belief sich die Tiefe, in der Erdbeben stattfanden, nur noch auf etwas mehr als 11 Kilometer. Einige Tage vor der Eruption wurden die Erschütterungen direkt unter der Erdoberfläche registriert. Zwischen dem 10. und 19. September 2021 wurde eine unglaubliche Anzahl von 25.000 Beben von den Seismografen aufgezeichnet – die meisten von ihnen waren für die menschlichen Sinne nicht wahrnehmbar. Bei der lauter werdenden Kakofonie, die die Geräte aufnahmen, handelte es sich um das Geräusch, das die Erdkruste machte, während sie verschoben und verformt wurde. Laut Itahiza Domínguez Cerdeña wurde dies durch „den Druck ausgelöst, der beim Eindringen des Magmas in die Erdkruste entstand“.

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    Am Wochenende vor dem Ausbruch hatte sich der Boden um mehr als 15 Zentimeter erhöht – ein Hinweis dafür, dass eine mittelgroße Menge Magma in den oberen Erdmantel eingedrungen war.

    Nicht immer, wenn das passiert, muss es zwangsläufig zu einer Eruption kommen: Gelingt es dem Magma nicht, den harten Felsen zu durchbrechen, kühlt es wieder ab und steigt nicht weiter auf. Wenn sich aber eine größere Menge geschmolzenen Gesteins unterhalb einer bestehenden Intrusion sammelt, kann dies eine umfangreiche, lang anhaltende Eruption zur Folge haben.

    Die Verformungen der Vulkankette und der seismische Lärm, der in ihr zu hören war, versetzten die Vulkanologen in Alarmbereitschaft. Am 13. September 2021 warnten die Behörden die 35.000 Bewohner des südlichen Teils der Insel vor einem möglicherweise anstehenden Vulkanausbruch.

    Am 18. September installierten Wissenschaftler in der Umgebung zusätzliche Seismografen, um die verschiedenen Arten von Beben besser identifizieren zu können und präzise zu bestimmen, in welche Richtung sie sich bewegten. Außerdem wurde die Cumbre Vieja von Hubschraubern angeflogen, um von oben herauszufinden, ob der Boden Hitze entwickelte. Kurz vor der Mittagszeit an diesem Tag wurde die Vulkankette von einem kräftigen Erdbeben mit einer Stärke von 4,2 erschüttert.

    Das spanische Militär evakuierte daraufhin 40 Menschen und ihre Nutztiere aus mehreren Ortschaften in der Nähe des Vulkans.

    Am späten Nachmittag desselben Tages brach die Lava explosionsartig aus den bewaldeten Hügeln an der Westflanke der Cumbre Vieja. Sie setzte Bäume und Ackerflächen in Brand, floss über die Hauptstraße und zerstörte acht freistehende Häuser. In der Nacht ließ die Regierung mitteilen, dass 5.000 Menschen, die durch den Ausbruch potenziell gefährdet waren, evakuiert worden seien.

    Die Lava hat zwar noch nicht die dichter besiedelten Teile der nahe gelegenen Gemeinde El Paso erreicht, „doch sie kriecht allmählich auf die enger bebauten Gebiete zu“, sagt Helen Robinson. Noch besteht die Hoffnung, dass diese Ortsteile verschont bleiben, man bereitet sich aber darauf vor, auch diese gegebenenfalls zu evakuieren.

    Am 20. September 2021 wurden Tausende Menschen evakuiert und 20 Gebäude durch den Lavastrom zerstört.

    Foto von Arturo Rodríguez

    Kommt es jetzt zu einem Tsunami?

    Selbst wenn die Eruption über Monate anhalten sollte: Die astronomischen Teleskope des Roque-de-los-Muchachos-Observatoriums sind in Sicherheit. Da die Sternwarte laut ihrem Verwalter Juan Carlos Pérez Arencibia 18 Kilometer von der Cumbre Vieja entfernt und mit einer Höhenlage von über 2.400 Metern fast 1.800 Meter oberhalb der Quelle des Lavastroms liegt, besteht kein Grund zur Sorge.

    „Es könnte sein, dass wir wegen der Asche in der Luft die Teleskope mehrere Tage geschlossen halten müssen und keine Beobachtungen anstellen können, doch dass das Observatorium selbst Schaden nimmt, erwarte ich nicht“, sagt der dort tätige Astronom David Jones.

    Laut Dave Petley, Erdrutschexperte an der University of Sheffield in England, ist so gut wie ausgeschlossen, dass die Cumbre Vieja-Eruption einen Mega-Tsunami auslöst, der die Ostküste der USA treffen würde. Diese Befürchtungen hatte eine äußerst spekulative Studie ausgelöst, die 2001 erschienen ist und seitdem durch die sozialen Medien geistert.

    Der Einsturz der Flanke eines Vulkans ist ein berechtigter Grund zur Sorge. Tatsächlich ist es an der Küste La Palmas vor einigen Tausend Jahren zu mehreren Ereignissen dieser Art gekommen. Eine Studie aus dem Jahr 2015 sagt jedoch: Selbst wenn es zu einem besonders extremen Einsturz käme, würde der dadurch verursachte Tsunami an der Atlantikküste lediglich eine Höhe von zwei Metern erreichen. INVOLCAN zufolge müsste ein extrem starkes Erdbeben gleichzeitig mit einer außergewöhnlich explosiven Vulkaneruption auftreten, um einen solchen Flankeneinsturz herbeizuführen. Die Struktur von Cumbre Vieja ist derzeit aber sehr stabil und Hinweise auf die Möglichkeit eines gemeinsamen Auftretens von Mega-Beben und Super-Eruption gibt es keine.

    Die Lavaströme La Palmas bleiben eine ernstzunehmende Gefahr, die jedoch von einer ganzen Armee aus Vulkanologen und Seismografen streng beobachtet wird. Dank der langjährigen Arbeit der Geowissenschaftler auf der Insel war man auf die aktuelle Situation vorbereitet – lange bevor die erste Lava aus der Cumbre Vieja brach.

    „Es ist gut, dass die Wissenschaftler die Vulkane so streng überwachen“, sagt Helen Robinson. „Sonst hätten sie bei Weitem nicht das Wissen, das sie heute haben.“

    Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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