Nach Vulkanausbruch: Maya bauten Pyramide aus Asche

Die Eruption des Vulkans Ilopango vor 1.500 Jahren in Mittelamerika war die größte seit Beginn der Aufzeichnungen. Sie brachte der Mayakultur in der Region Tod und Zerstörung, nicht jedoch den bisher angenommenen Untergang.

Ausgrabungen an einer Maya-Stätte in El Salvador haben eine überraschende Verbindung zwischen dem Ausbruch des Ilopango-Vulkans und dem Bau einer kolossalen Pyramide vor ungefähr 1.500 Jahren zutage gefördert.

Foto von Akira Ichikawa
Von Erin Blakemore
Veröffentlicht am 22. Sept. 2021, 14:47 MESZ

Als vor 1.500 Jahren der Vulkan Ilopango im heutigen El Salvador ausbricht, ist es das verheerendste Ereignis dieser Art seit Beginn der Aufzeichnungen – bis heute. Die Eruption schleuderte pyroklastische Sedimente – eine Mischung aus Bimsstein und Asche, die auch Tephra genannt wird – mit einem Volumen von fast 44 Kubikkilometern in die Luft. Die Festkörper, die wieder auf die Erde fielen, bedeckten das Tal am Boden. Die Partikel, die in der Luft verblieben, hatten vermutlich starke Auswirkungen auf das damalige Klima und führten damit zu sinkenden Temperaturen auf der gesamten Nordhalbkugel.

Von dem Vulkanausbruch, der auch unter dem Namen Tierra Blanca Joven-Eruption (TBJ) bekannt ist, wurde lange vermutet, dass er den Untergang der Mayakultur beschleunigte, die zu dieser Zeit in Mexiko und Mittelamerika ihre Blütezeit erlebte. Eine neue Studie, die in der Zeitschrift Antiquity veröffentlich wurde, kommt nun aber zu einem völlig anderen Schluss: Ihr zufolge brachte die Eruption nicht das bisher angenommene Unheil – zumindest nicht in einer Region, die knapp 40 Kilometer von der Caldera entfernt liegt. Stattdessen gibt es Hinweise darauf, dass der Ausbruch des Ilopangos den Bau einer gigantischen Maya-Pyramide nach sich zog – ein Zeichen der Widerstandsfähigkeit ihrer Erbauer.

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„Von Ereignissen wie Vulkanausbrüchen und Dürren wird häufig vermutet, dass sie Hauptverursacher des Zusammenbruchs oder Niedergangs antiker Zivilisationen sind“, sagt Akira Ichikawa, Postdoktorand an der University of Colorado in Boulder. „Die Ergebnisse meiner Forschung zeigen aber, dass die Menschen in diesen Zivilisationen sehr viel belastbarer, anpassungsfähiger und innovativer waren als bisher gedacht.“

Der Anthropologe leitete Ausgrabungen in San Andrés, einer präkolumbischen Maya-Stätte im Zapotitán-Tal in der Nähe des heutigen San Salvadors, der Hauptstadt von El Salvador. Hier befindet sich die Campana-Struktur, eine gewaltige Pyramide, die vermutlich zur Zeit ihrer Erbauung alles um sie herum überragt hat.

Beim Freilegen mehrerer Grabungsschnitte stieß das Team auf acht Schichten Baumaterial. Darunter fanden sie eine fast fünf Meter dicke, aus reinem weißen Tephra bestehende Schicht, in der sich nur wenige Keramikscherben und wenig anderes Material fanden. Die Wissenschaftler schließen daraus, dass die Bauarbeiter Asche und Bims sorgfältig durchsiebt haben, bevor sie das Material zum Bau der Pyramide einsetzten.

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    Zwischen Vulkanausbruch und Baubeginn lag ein bemerkenswert kurzer Zeitraum – laut den Ergebnissen der Radiokarbondatierung lediglich fünf Jahre. Akira Ichikawa zufolge gibt es zum genauen Datum der Tierra Blanca Joven-Eruption zwar unterschiedliche Schätzungen, da bei späteren Generationen der Maya Tephra jedoch nicht als Baumaterial nachgewiesen werden konnte, muss der Bauprozess kurz nach dem Ausbruch begonnen haben.

    Kathryn Reese-Taylor, Archäologin und Professorin an der University of Calgary in Kanada, hat die Entstehung der Mayakultur erforscht. Sie sagt, dass die Erbauer der Pyramide Tephra aufgrund der weißen Farbe als Baumaterial gewählt haben könnten. „Die Farbe hatte möglicherweise eine tiefere Bedeutung“, sagt sie.

    Heiliger Vulkan

    Vulkane hatten Akira Ichikawa zufolge in den mittelamerikanischen Kulturen einen heiligen Status. „Dem Vulkan eine monumentale Struktur zu widmen, war für die Menschen ein logischer Weg, zukünftige Ausbrüche abzuwenden.“

    Laut Mark Elson, außerplanmäßiger Professor für Anthropologie an der University of Arizona in Tucson, waren die Maya nicht die Einzigen, die Vulkane verehrten. Zum Beispiel hätte man im schwarzen Basalt in der Nähe des Sunset Craters – einem Vulkan in Arizona, der ungefähr im Jahr 1085 ausbrach – die Abdrücke von Maiskolben gefunden. „Wir glauben, dass der Mais von den Hopi als Opfergabe in den Lavastrom geworfen wurde, um den Vulkan zu besänftigen“, erklärt er.

    Eine topografische Karte der Gräben (Tr) und Gruben (P), die die Archäologen in der Ausgrabungsstätte San Andrés untersucht haben.

    Foto von Akira Ichikawa

    Akira Ichikawa sagt jedoch, dass die Maya Tephra „nicht aus religiösen oder symbolischen Gründen als Baumaterial wählten, sondern weil es praktisch und funktional war.“ Von einem Kollegen erfuhr er, dass das Tephra, das bei der Eruption entstand, aufgrund seiner exzellenten Verdichtungseigenschaft auch heutzutage zum Bauen genutzt wird.

    Ob nun religiös motiviert oder nicht: Die Baustelle war ein Ort, an dem die Menschen aus der Region – Überlebende der Eruption aus dem Tal und Zugezogene – zusammenkamen, um auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten: Ein Gedanke, der bei Akira Ichikawa großen Anklang findet. Er stammt aus Japan, einem Land, dessen Geschichte von Katastrophen gezeichnet ist.

    „Um ein monumentales Bauwerk zu erschaffen, muss man als Gruppe zusammenarbeiten. Das ist ein effektiver Weg zurück zu einer Art Normalität“, sagt er. Gemeinschaftssinn, Kooperationsfähigkeit und Verbundenheit würden es Menschen möglich machen, so gut wie jede Katastrophe zu überstehen.

    Noch ist unklar, wie viele Menschen an dem Bau der Campana-Struktur beteiligt waren. Akira Ichikawa schätzt, dass 100 Personen dreizehn Jahre lang mindestens vier Monate pro Jahr hätten arbeiten müssen, um sie zu vollenden – 1.500 Arbeiter hätten für das Errichten der Pyramide nur etwa elf Monaten benötigt. Andere offene Fragen sind, wie die Arbeiter sich in der Bauphase mit Nahrung versorgt haben und ob der Bau auf Geheiß eines Herrschers stattfand oder religiös motiviert war.

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    Die Ergebnisse der Untersuchungen der Folgen des Vulkanausbruchs vor 1.500 Jahren sind für die moderne Welt durchaus relevant. „Die Erforschung solch vergangener Katastrophen kann uns dabei helfen, auf zukünftige Katastrophen besser zu reagieren“, sagt Mark Elson. „Die Dinge werden schließlich nicht besser werden.”

    Für Kathryn Reese-Taylor ist die Maya-Studie eine wichtige Ergänzung der dürftigen Forschungen zu der Geschichte dieser Region. „In diesem Gebiet kam es häufig zu Vulkanausbrüchen“, sagt sie. „Doch trotz dieser Schicksalsschläge gaben die Menschen nicht auf. Sie kamen zurück und errichteten alles neu – größer und besser als zuvor. Das versetzt mich wirklich in Erstaunen.“

    Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht

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