Styropor-Fresser: Sind Superwürmer die Antwort auf unser Müllproblem?

Die Larven des Großen Schwarzkäfers können Kunststoff verdauen. Diese neue Erkenntnis könnte die Grundlage für die Entwicklung neuer Recyclingmethoden bilden.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 17. Juni 2022, 14:17 MESZ
Superwürmer auf Styroporplatten.

Erfolgreiches Experiment: Larven des Großen Schwarzkäfers – sogenannte Superwürmer – fressen Polystyrol. In Experimenten zeigte sich, dass sie dieses nicht nur verdauen können, sondern daraus sogar Energie gewinnen können.

Foto von Chris Rinke

Die Welt ertrinkt im Plastikabfall. Weil Kunststoff inert ist – also kaum durch mikrobielle Prozesse abgebaut wird –, sieht es derzeit so aus, als würde dieser Müllberg unseren Planeten noch über viele Jahrhunderte belasten. Bis eine Plastiktüte, die im Meer schwimmt, zersetzt ist, vergehen zwanzig lange Jahre, bei Einwegwindeln und Plastikflaschen sind es sogar 450 Jahre. Die dabei entstehenden Mikroplastikpartikel verschwinden nicht. Sie werden mit der Zeit nur kontinuierlich kleiner, reichern sich in ihrer Umgebung an und stellen über Generationen hinweg eine gefährliche Belastung für die Umwelt dar.

Auf der Suche nach einem Mittel im Kampf gegen die Kunststoffflut haben sich Enzyme als besonders vielversprechende Kandidaten herausgestellt. Diesen Ansatz haben auch Wissenschaftler der University of Queensland in Saint Lucia, Australien, verfolgt. Dabei fanden sie heraus, dass die Larven des Großen Schwarzkäfers (Zophobas morio) mithilfe von Enzymen in ihrem Darm Polystyrol – besser bekannt als Styropor – verdauen können. Ihre Studie wurde jetzt in der Zeitschrift Microbial Genomics veröffentlicht.

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Schon früh in der Menschheitsgeschichte kamen Biopolymere zum Einsatz. Heutzutage wird Kunststoff fast ausschließlich aus fossilen Brennstoffen hergestellt. Erfahrt, wie genau Plastik produziert wird und was wir tun können, um die schädlichen Auswirkungen von Kunststoffen auf unseren Planeten und unser Leben zu verringern.

Darmbakterien produzieren Enzyme

Das Team unter der Leitung von Chris Rinke, Hauptautor der Studie, arbeitete in seinem Experiment mit 171 Larven des Großen Schwarzkäfers, die aufgrund ihrer Länge von rund sechs Zentimetern auch als Superwürmer bezeichnet werden. Die Insekten wurden in drei Gruppen aufgeteilt, die über einen Zeitraum von drei Wochen entweder mit Weizenkleie, Polystyrol oder gar nicht gefüttert wurden.

Innerhalb eines Tages begannen die Superwürmer der Polystyrol-Gruppe damit, von den Styroporblöcken zu fressen. Die Sensation: Sie überlebten diese eigentlich nährstofffreien Mahlzeiten nicht nur, sie nahmen sogar – im Vergleich zu der Gruppe ohne Nahrungszufuhr – leicht an Gewicht zu.

Die Gewichtszunahme der Styropor-Larven lag allerdings nur bei einem Viertel der Masse, um welche die Superwürmer zunahmen, die mit Kleie gefüttert wurden. Gesund ist die Kunststoffdiät also nicht, trotzdem deute die Beobachtung darauf hin, „dass die Würmer Energie aus dem Styropor gewinnen können – wahrscheinlich mit Hilfe ihrer Darmmikroben“, erklärt Rinke. Die mit Styropor aufgezogenen Superwürmer hätten den gesamten Lebenszyklus durchlaufen und seien nach ihrer Verpuppung als erwachsene Käfer geschlüpft.

Der Superwurm – die Mini-Recyclinganlage?

Mithilfe der Metagenomik – einer molekularbiologischen Methode, mit der die Gesamtheit der in einer Probe anwesenden Mikroorganismen erfasst wird – identifizierten die Forschenden die Bakterien im Darm der Superwürmer, die die polystyrolabbauenden Enzyme produzieren. Zu den wichtigsten gehört das Stäbchenbakterium Pseudomonas aeruginosa sowie Arten der Gattungen Sphingobacterium, Corynebacterium und Rhodococcus. Sie alle produzieren Enzyme der Hydrolase-Gruppe, die mithilfe von Wasser Substrate spalten können.  

„Superwürmer sind wie Mini-Recyclinganlagen, die das Polystyrol mit ihren Mäulern zerkleinern und es dann an die Bakterien in ihrem Darm verfüttern“, erklärt Rinke. Da jedoch eine Styropor-Diät allein für die Larven nicht gesund ist, schlägt er vor, dem abzubauenden Polystyrol Lebensmittelabfallstoffe oder landwirtschaftliche Bioabfälle beizufügen. „Dies könnte eine Möglichkeit sein, die Gesundheit der Würmer zu verbessern und gleichzeitig die massenhaften Lebensmittelabfälle in den westlichen Ländern zu verwerten“, sagt er.

Recycling: Der Superwurm zeigt, wie es geht

Langfristig ist es jedoch das Ziel der Wissenschaftler, ein superwurmfreies Recyclingsystem zu entwickeln, das die mechanische Zerkleinerung von Plastik durch die Larven nachahmt, um dieses anschließend durch enzymatische Prozesse zu zersetzen.  Die Abbauprodukte dieser Reaktion können Rinke zufolge dann von anderen Mikroben für die Herstellung hochwertigerer Verbindungen – etwa den Biokunststoff Polyhydroxyalkanoat – verwendet werden.

Laut Jiarui Sun, Doktorandin an der University of Queensland und Co-Autorin der Studie, sollen die Darmbakterien des Superwurms im nächsten Schritt im Labor gezüchtet und ihre Fähigkeit zum Abbau von Polystyrol weiter getestet werden. „So können wir herausfinden, wie sich der Prozess auf ein Niveau hochskalieren lässt, das für eine ganze Recyclinganlage erforderlich ist“, erklärt sie.

Bereits im Jahr 2016 entdeckten japanische Wissenschaftler ein Bakterium, das mithilfe zweier Enzyme Polyethylenterephthalat – kurz PET – innerhalb von Wochen vollständig abbauen kann. Zuletzt verzeichneten Forschende der Universität Leipzig einen bemerkenswerten Erfolg, indem sie aus Komposterde ein Enzym isolierten, das PET so in seine Grundbausteine zerlegt, dass daraus neues PET hergestellt werden kann.

Ein kleiner Wurm hat nun die nächste Möglichkeit für den biologischen Abbau von Kunststoffabfällen aufgezeigt. Auch wenn von der Entdeckung bis zur einsatzfähigen Umsetzung noch Zeit vergehen wird, ist Rinke guter Dinge. „Unser Team freut sich sehr darauf, die Wissenschaft voranzutreiben, um diese Möglichkeit Wirklichkeit werden zu lassen.“

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