Können Bäume uns aus der Mikroplastikverschmutzung retten?

Unser Planet erstickt in Plastik. Nun hat eine Studie einen neuen Hoffnungsschimmer aufgetan: Birken könnten helfen, das Mikroplastik-Problem zu verringern.

Von Deborah Roth
Veröffentlicht am 23. Feb. 2022, 10:24 MEZ, Aktualisiert am 23. Feb. 2022, 12:32 MEZ
Birken als Bodenreiniger für Mikroplastik.

Birken als Bodenreiniger für Mikroplastik.

Foto von Kat Austen, Studio Austen

4900 Millionen Tonnen Plastik haben wir Menschen seit den 1950er Jahren auf dem Globus verteilt. Bis in die entlegensten Ecken, in alle unsere aquatischen und terrestrischen Ökosysteme, über Wasser, Luft und Boden. Vor kurzem hat Mikroplastik sogar den Grund des Marianengrabens und den Gipfel des Mount Everest erreicht – und damit den tiefsten und höchsten Punkt der Erde.

Das Problem wächst, und nach Antworten wird gesucht. Ein Forschungsteam hat nun einen natürlichen Lösungsweg gefunden, Mikroplastik aus den Böden zu entfernen. Ein wichtiger Schritt, denn die Verschmutzung durch Mikroplastik an Land ist derzeit viel größer als in den Meeren – sie wird je nach Umgebung auf das vier- bis 23-fache geschätzt.

Unter der Leitung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und dem Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Bäume in Berlin-Brandenburg. Unterstützung bekamen sie in diesem interdisziplinären Vorreiterprojekt von Studio Austen, einem Berliner Kunststudio. Anhand von Hänge-Birken (Betula pendula Roth.) konnten sie im Rahmen der Studie feststellen: Während ihrer Wachstumsphase nehmen Birken Mikroplastik über ihre Wurzeln auf.

Wissen kompakt: Plastik
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Birken helfen, Schadstoffe abzubauen

Birken werden schon länger zur Sanierung kontaminierter Flächen eingesetzt. Die Baumart nimmt industrielle Schadstoffe in ihrem Gewebe auf und speichert diese dort. Anschließend siedeln sich Mikrobengemeinschaften auf dem wachsenden Baum an und bauen die Schadstoffe und Schwermetalle ab.

Zudem hat die Birke den Vorteil, dass sie gestörte Flächen schneller stabilisiert und somit eine Wiederaufforstung ermöglicht, das sie in gemäßigten eurasischen und nordamerikanischen Landschaften weit verbreitet ist.

Für die Studie war vor allem das dichte Wurzelsystem des Baumes ein ausschlaggebendes Kriterium. Birkenwurzeln gehen nicht allzu tief in die Erde, sondern wachsen nahe der Bodenoberfläche, gerade dort, wo die Konzentration der Mikroplastikverschmutzung nachweislich am höchsten ist.

So lag für die Forscher die Frage nahe, ob Birken die Fähigkeit haben, Mikroplastikpartikel direkt aufzunehmen – und somit nicht nur Schwermetalle, sondern auch Kunststoff aus dem Boden ziehen.

BELIEBT

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    Birkenwurzeln nahmen 5 bis 17 Prozent Mikroplastik auf

    Die Forschenden markierten Mikroplastikkügelchen (5-50μm) mit fluoreszierendem Farbstoff und gaben sie in die Erde von eingetopften Bäumen. Nach fünf Monaten untersuchten sie Wurzelproben mithilfe von Fluoreszenz- und konfokaler Laser-Scanning-Mikroskopie. In verschiedenen Abschnitten und Schichten des Wurzelwerks fanden sie fluoreszierendes Mikroplastik vor, dabei trug der prozentuale Anteil der Wurzelabschnitte mit Mikroplastikpartikeln bei den Versuchsbäumen 5 bis 17 Prozent.

    „Derzeit wissen wir, dass die Birke Mikroplastik aus dem Boden aufnimmt, aber wir wissen nicht, wie viel sie aufnehmen und speichern kann”, sagt Kat Austen, die Hauptautorin der Studie, die das Studio Austen leitet und am IGB Projektkoordinatorin für das bürgerwissenschaftliche Projekt ACTION ist. „Unsere Pilotstudie deutet allerdings darauf hin, dass die Birke ein echtes Potenzial für langfristige Lösungen zur Bodensanierung hat – einschließlich der Verringerung der Menge an Mikroplastik im Boden und möglicherweise im Wasser.”

    Umweltproblem: Mikroplastikverschmutzung in Böden, Wäldern und Agrarland

    Das Abwasser spielt im Übrigen bei der Verbreitung von Mikroplastik auch eine große Rolle. 80 bis 90 Prozent der darin enthaltenen Partikel, etwa von synthetischen Kleidungsfasern, verbleiben im Klärschlamm. Dieser wird in Deutschland zum Großteil verbrannt, laut Plastikatlas 2020, wird er zum Teil aber auch als Dünger auf Felder ausgebracht, und zwar weltweit.

    Dadurch landen jährlich viele Hunderttausend Tonnen Mikroplastik auf und in den Böden. In landwirtschaftlichen Umgebungen und in der Nähe von Straßen ist die Belastung am höchsten – hier kommt der Reifenabrieb von Autos erschwerend hinzu. In städtischen Wäldern ist der Anteil nach wie vor kaum bekannt, obwohl Mikroplastik in Wäldern und städtischen Feuchtgebieten nachgewiesen wurde, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Studie.

    Folgen für Bäume unklar

    Eine weitere Unbekannte ist auch die Auswirkung der Mikroplastikaufnahme auf die Gesundheit der Bäume: „Wir zeigen, dass sehr kleine Kunststoffpartikel in Baumwurzeln gelangen können. Der Kunststoff, den wir in den Birken beobachten, ist Polyamid (Nylon) - dieser Kunststoff ist nicht biologisch abbaubar, inwiefern die Aufnahme dieser Partikel mit der Gesundheit der Bäume korreliert, werden wir anhand einer künftigen Studie prüfen”, erklärt Austen.

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