Sensationsfund in Nachbargalaxie: Ein ganz besonderes Schwarzes Loch

Schwarze Löcher sind schwer nachzuweisen – vor allem, wenn sie inaktiv sind. Nun haben Astronomen ein Solches zum ersten Mal außerhalb der Milchstraße entdeckt – und seine außergewöhnliche Entstehung nachvollzogen.

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 20. Juli 2022, 10:24 MESZ
Inaktives Schwarzes Loch mit massereichem Begleitstern.

Das neu entdeckte inaktive Schwarze Loch (rechts) und sein massereicher, bläulicher Primärstern (Mitte) im Tarantelnebel der Großen Magellanschen Wolke, einer Nachbargalaxie der Milchstraße.

Foto von ESO / L. Calçada

Stellare Schwarze Löcher gibt es im All so viele wie Sand am Meer: Laut einer Studie im The Astrophysical Journal von Januar 2022 existieren schätzungsweise rund 40 Trillionen dieser Vielfraße in unserem Universum. Doch obwohl so viele von ihnen existieren, ist es für Forschende bis heute eine schwierige Aufgabe, sie ausfindig zu machen und nachzuweisen. 

Jetzt haben Astronomen der Katholischen Universität Leuven in Belgien eine herausragende, bisher nicht dagewesene Entdeckung gemacht: Sie fanden ein inaktives Schwarzes Loch, das sich in unserer Nachbargalaxie, der Großen Magellanschen Wolke, befindet. „Bisher wurde kein anderes röntgenstilles Schwarzes Loch außerhalb unserer Galaxie unzweifelhaft nachgewiesen“, so die Forschenden in ihrer Studie in der Zeitschrift Nature Astronomy. Doch genau darum handelt es sich bei ihrem Fund mit dem Namen VFTS 243. Eine weitere Besonderheit: Der Vorgängerstern, aus dem das Schwarze Loch entstanden ist, kollabierte scheinbar ohne Explosion – also ohne Supernova, aus der normalerweise Schwarze Löcher hervorgehen. 

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Unsichtbarer Begleiter: Sternbewegung verrät inaktives Schwarzes Loch

Die Entdeckung ist so außergewöhnlich, weil inaktive Schwarze Löcher besonders schwer zu finden sind. Schwarze Löcher sind vor dem Hintergrund unseres Universums unsichtbar und nur dann zu erkennen, wenn sie Röntgenstrahlung freisetzen. Das passiert bei der Akkretion, wenn sie also aktiv Materie von einem Begleitobjekt wie zum Beispiel ihrem Begleitstern absaugen. Inaktive Schwarze Löcher interagieren aber kaum mit ihrer Umgebung und emittieren deshalb kaum Röntgenstrahlung. Sie sind daher auch im Röntgenbereich unsichtbar – und darum schwer nachzuweisen.

Entsprechend lang dauerte es, bis VFTS 243 entdeckt wurde: Sechs Jahre lang beobachtete das Forschungsteam aus Belgien mithilfe des FLAMES-Spektrographen des Very Large Telescope des European Southern Observatory (ESO) in Chile den Tarantelnebel in der Großen Magellanschen Wolke. Dieser verfügt über besonders viele massereiche Sterne und Doppelsternsysteme. Ein heißer, bläulicher Stern von 25 Sonnenmassen erregte ihre Aufmerksamkeit durch auffallend regelmäßige periodische Bewegungen. Diese sprachen dafür, dass der Stern ein unsichtbares Partnerobjekt besitzt und sie einander etwa alle 10,4 Tage einmal umkreisen. 

Mithilfe des Very Large Telescope des European Southern Observatory (ESO) in Chile konnte das erste inaktive Schwarze Loch außerhalb unserer Milchstraße nach sechs Jahren Beobachtungszeit nachgewiesen werden.

Foto von ESO / B. Tafreshi

„Während die Bewegung des Primärsterns im Spektrum gut erkennbar ist, konnten wir keine Signatur des zweiten Objekts in den spektralen Daten identifizieren“, heißt es in der Studie. Ein Umstand, der darauf hindeutete, dass es sich bei dem Partnerobjekt des Sterns nicht um ein stärker strahlendes Objekt oder einen weiteren Stern handeln konnte. Die Bewegungen des Primärsterns sprachen dafür, dass der unsichtbare Begleiter neun Sonnenmassen schwer sein muss – so wie ein kleines stellares Schwarzes Loch. 

Keine Anzeichen für eine Supernova

Den Forschenden zufolge muss der helle Primärstern reichlich Masse vom Vorgängerstern dieses Schwarzen Lochs abgezogen haben. Sie vermuten aufgrund dieses Zustands, dass auch der Primärstern in den kommenden fünf Millionen Jahren zum Schwarzen Loch werden könnte. Was dann bliebe, wären zwei sich eng umkreisende Schwarze Löcher, die potentiell – in weiteren Milliarden Jahren – kollidieren und verschmelzen könnten. 

Außergewöhnlich ist auch die Entstehungsweise von VFTS 243. Nach gängiger Ansicht der Forschung entstehen stellare Schwarze Löcher, wenn massereiche Sterne am Ende ihres Lebenszyklus explodieren, in einer Supernova aufgehen und ihr Kern daraufhin kollabiert. Bei VFTS 243 war es offenbar anders: „Der Stern, der das Schwarze Loch in VFTS 243 geformt hat, scheint vollständig kollabiert zu sein, ohne Anzeichen einer vorherigen Explosion“, sagt Tomer Shenar, Astrophysiker und Hauptautor der Studie. Anzeichen für solche neuartigen Entstehungsszenarien seien in letzter Zeit häufiger aufgetaucht, aber die belgische Studie liefere einen der ersten und direktesten Hinweise dafür.

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