Können Pflanzen schreien?

Von wegen idyllisch: In unseren Gärten könnte es lauter zugehen als gedacht. Forschende haben herausgefunden, dass Pflanzen vor allem unter Stress Laute von sich geben – und manche Tiere sie hören können.

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 6. Apr. 2023, 10:31 MESZ
Kaktus mit Mikrofonen.

Was hat dieser Kaktus wohl zu sagen? Forschende der Universität Tel-Aviv konnten mithilfe von Ultraschall-Mikrofonen nachweisen, dass Pflanzen Geräusche von sich geben.

Foto von Universität Tel-Aviv, Twitter

In unseren Gärten könnte es klingen wie in einer Popcornmaschine – zumindest für Lebewesen, die Frequenzen im Ultraschallbereich wahrnehmen können. Wie das kurze, dumpfe Ploppen eines erhitzten Maiskorns hört es sich nämlich an, wenn eine Pflanze ‚schreit‘.

Denn stumm sind Pflanzen offenbar nicht: Sie können nicht nur über chemische Botenstoffe oder optische Signale kommunizieren, sondern auch akustisch. Vor allem, wenn sie gestresst sind, können Pflanzen laut werden. Das haben Forschende der Universität Tel-Aviv unter der Leitung von Molekularbiologin Lilach Hadany nun erstmals herausgefunden. Für ihre Studie hat das Team die Geräusche verschiedener Pflanzenarten aufgezeichnet und analysiert. Ihre bahnbrechenden Ergebnisse veröffentlichten sie in der Zeitschrift Cell

Wie erzeugen Pflanzen Geräusche?

Die Studie von Hadany und ihrem Team basiert auf der Annahme, dass sich manchmal kleine Luftblasen im Xylem – dem Wasserleitsystem der Pflanzen – bilden, die beim Platzen potenziell ein leises Plop-Geräusch machen könnten. Stehen Pflanzen unter Stress, erhöht sich die Luftblasenbildung im Xylem. Damit müsste auch die Geräuschdichte bei gestressten Pflanzen zunehmen. 

Unklar war bislang, ob das Platzen der Luftbläschen tatsächlich Schallwellen auslöst, die von außen wahrgenommen werden können. Aus diesem Grund untersuchten die Forschenden verschiedene Pflanzenarten mithilfe von sensiblen Ultraschall-Mikrofonen in einer schalldichten Box. Die Mikrofone wurden 10 Zentimeter entfernt von den Pflanzen platziert und sollten so potenzielle Geräusche festhalten. Hauptsächlich fokussierte sich das Team im Versuch auf Tomaten- und Tabakpflanzen – aber auch Weizen, Mais, Kakteen und Taubnesseln wurden in der Studie berücksichtigt. 

Bevor die Forschenden ihre Aufnahmen starteten, unterzogen sie die Pflanzen verschiedenen Behandlungen: Manche bekamen für fünf Tage kein Wasser, manchen wurde der Stängel eingeschnitten und manche blieben unversehrt. So wollten die Forschenden herausfinden, ob der Zustand der Pflanzen die Geräuschbildung beeinflusst. 

Gestresste Pflanzen sind lauter  

Tatsächlich konnte das Team bei allen Pflanzen charakteristische Klickgeräusche verzeichnen, die wie das Ploppen von Popcorn klingen. „Unsere Aufnahmen zeigten, dass die Pflanzen in unserem Experiment Geräusche im Frequenzbereich zwischen 40 und 80 Kilohertz erzeugten“, sagt Hadany. Das sei in etwa so laut wie menschliches Sprechen in normaler Lautstärke. „Scheinbar kann so eine idyllische Blumenwiese also ein relativ lauter Ort sein“, so die Molekularbiologin. Da die Pflanzengeräusche jedoch im Ultraschallbereich liegen – einer höheren Frequenz – sind sie für das menschliche Gehör nicht wahrnehmbar. 

BELIEBT

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    “Unsere Funde zeigen, dass die Welt um uns herum voller Pflanzengeräusche ist.”

    von Lilach Hadany
    Universität Tel-Aviv

    „Pflanzen ohne Stress erzeugten im Durchschnitt weniger als einen Laut pro Stunde, während gestresste Pflanzen – sowohl die dehydrierten als auch die verletzten – Dutzende Laute pro Stunde absetzten“, so Hadany. 35 Klicklaute pro Stunde konnten beispielsweise bei den ausgetrockneten Pflanzen festgestellt werden, 25 waren es bei den verletzten. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Geräusche tatsächlich von den platzenden Luftbläschen in den Xylemen stammen könnten. 

    Pflanzengeräusche enthalten spezifische Informationen

    Und noch etwas Interessantes konnten die Forschenden feststellen: Die Geräusche variierten je nach Pflanzenart und dem spezifischen Stress. So analysierte eine speziell für diesen Zweck trainierte KI die Aufnahmen und konnte die verschiedenen Pflanzen nach einer Lernphase anhand ihrer Laute unterscheiden und sogar ihre jeweilige Art sowie ihr Stresslevel identifizieren. Die Geräusche der Pflanzen beinhalten also Informationen über sie – zum Beispiel über den Wasserhaushalt oder Verletzungen. Somit können Pflanzen sogar ‚mitteilen‘, was ihnen fehlt. 

    „Unsere Funde zeigen, dass die Welt um uns herum voller Pflanzengeräusche ist“, sagt die Forscherin. „Wir nehmen an, dass die Geräusche, die von den Pflanzen ausgehen, in der Natur von anderen Lebewesen wahrgenommen werden, zum Beispiel von Fledermäusen, Nagetieren, verschiedenen Insekten und möglicherweise sogar anderen Pflanzen.“ Diese könnten die Informationen nutzen, um etwas über den Zustand der Pflanze zu erfahren. Wenn man passende Sensoren entwickelt, könnten die Pflanzeninformationen auch für Menschen in Zukunft nützlich sein – zum Beispiel bei der richtigen Pflege. 

     

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