Deutsche Forscher züchten in Antarktis Pflanzen für den Mars
Inmitten von eisiger Kälte und beißendem Wind trotzt ein kleines Gewächshaus dem antarktischen Klima. Dort wächst der künftige Salat fürs Weltall.
Das ewige Eis der windgepeitschten Antarktis ist alles andere als ein idealer Lebensraum für frische, grüne Pflanzen. Und doch wachsen an der Küste des Kontinents Gurken. Neben ihnen kämpfen entfalten Mangold und würziger Rucola ihre Blätter, während frische Kräuter zartes Grün tragen.
Diese Gewächshausbewohner sind die Stars eines der diversen Wissenschaftsprojekte der Neumayer-Station III. Die deutsche Forschungsstation wird vom Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung betrieben. Das Hauptziel des Gewächshausprojekts ist im wahrsten Sinne des Wortes abgehoben: Es ist ein Labor, in dem erforscht werden soll, wie man in Zukunft Pflanzen im Weltall züchten kann. Genau genommen wollen die Forscher herausfinden, ob künftige Astronauten frisches Obst und Gemüse anbauen können, wenn sie irgendwann den Mars erreichen.
Neben der Internationalen Raumstation ISS ist Neumayer vermutlich einer der besten Orte, um diese Thematik zu ergründen. Die Station befindet sich an der Ostküste des Weddell-Meeres auf dem antarktischen Ekström-Schelfeis und kann nur mit einem Flugzeug oder Eisbrecher und auch nur während des antarktischen Sommers erreicht werden – und selbst dann muss das Wetter mitspielen.
„Dieser Ort ähnelt dem Weltraum mehr als jeder andere auf Erden“, sagt die Fotografin Esther Horvath, die im Januar neun Tage auf der Station verbrachte. Neumayer unterscheidet sich von anderen Polarforschungsstationen dadurch, dass sie das ganze Jahr über auf dem Schelfeis in Betrieb ist. Zu jeder Zeit leben dort nur neun Crewmitglieder. Einen Großteil ihrer Arbeit verrichten sie in einem großen Gebäude, das auch über einen kleinen Basketballplatz, einen Großbildfernseher und andere Annehmlichkeiten verfügt, die während der Freizeit zur Verfügung stehen.
„Im Grunde lebt man ein ganzes Jahr auf der Station, ohne das Gebäude zu verlassen“, so Horvath. Ein Turnus dauert 14 Monate. Während dieser Zeit gibt es nur eine einzige Nahrungslieferung. Zivile Besucher sind nicht erlaubt. Aufgrund der Abgeschiedenheit der Station ist es erforderlich, dass ein Teammitglied sowohl Arzt als auch Chirurg ist.
Ähnlich wie auf der ISS leben die Menschen in der Neumayer-Station auf beengtem Raum in einer unerbittlichen Umgebung. Jeder Ausflug nach draußen setzt eine sorgfältige Planung voraus. „Wenn irgendwas [Schlimmes] passiert, kommt da niemand hin“, sagt Horvath.
Das macht das Gewächshaus zu einer willkommenen Abwechslung. Es liegt etwa 365 Meter vom Hauptgebäude entfernt, in dem die Wissenschaftler leben und arbeiten. Sofern das Wetter nicht zu schlecht ist, kann jeder dorthin laufen und sich eine Dosis Grün inmitten der grauweißen Landschaft gönnen.
„In der Antarktis riecht man nichts. Aber wenn man ins Gewächshaus kommt, riecht man Tomaten, Paprika, Gurken und Gemüse“, sagt Horvath. „Das hat etwas sehr Beruhigendes, das einem wieder Energie gibt.“
Neben den psychologischen Vorteilen bietet das Gewächshaus Forschern bereits Einblicke in das Thema des Pflanzenanbaus im Weltall.
Eine spannende Herausforderung besteht dabei darin, den Garten ferngesteuert zu bewirtschaften. Alles wird dort aeroponisch angebaut, was bedeutet, dass die Pflanzen sich in einer Aufhängung befinden und ihre Wurzeln in der Luft hängen. Die Nährstoffe werden über eine Sprühlösung verabreicht. Dieses Spray wird – genau wie die Temperatur, die Beleuchtung und der CO2-Gehalt – vom Missionskontrollzentrum im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Bremen gesteuert.
Bisher funktioniert das System einwandfrei. Gemessen an der Reaktion der Neumayer-Besatzung könnte ein solches Gewächshaus Aufenthalte im Weltall dramatisch verbessern.
„Laut den Wissenschaftlern und Astronauten ist eines der Dinge, die sie am meisten vermissen, frisches Gemüse und frischer Salat“, erklärt Horvath.
Aufgrund ihrer Position auf dem Schelfeis bewegt sich die Neumayer-Station jeden Tag etwa 40 Zentimeter weiter aufs Meer zu. Wegen der unwirtlichen Umgebung wird die Station irgendwann aufgegeben werden müssen. Bis dahin werden die Forscher aber noch weiter das Meereis vermessen, atmosphärische Veränderungen aufzeichnen, die Ozonwerte beobachten und natürlich im Namen der Weltraumforschung Salat anbauen und essen.
Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.
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