Brodelnde Vulkane vor Italien: Wann brechen sie aus?

Die Vulkane der Liparischen Inseln stellen eine Gefahr für Millionen Menschen dar. Wann brechen sie wieder aus? Wissenschaftler tauchen nach Hinweisen.

Von Laurent Ballesta
Veröffentlicht am 20. Juni 2023, 11:34 MESZ
Das "Tal der 200 Vulkane"

Das sprichwörtliche „Tal der 200 Vulkane“ bezeichnet ein Areal mit hydrothermalen Schloten auf einer Achse zwischen Panarea und Stromboli. Die bizarren röhren- und kegelförmigen Schornsteine entstanden über Jahrtausende aus ausgefällten Mineralien. 

Foto von Laurent Ballesta

Die Nacht ist so dunkel wie das Meer, als unser Schiff entlang der italienischen Küste Richtung Süden zieht. Ich stehe am Steuer der Victoria IV und verlasse mich auf eine uralte Navigationshilfe: ein glutrotes Leuchten am fernen Horizont, der sogenannte „Leuchtturm des Mittelmeers“. Es ist die Feuerfontäne von Stromboli, dem Vulkan auf der gleichnamigen Insel, die zu den Liparischen Inseln (auch Äolische Inseln) nördlich von Sizilien gehört. Die Liparischen Inseln sind ein Archipel aus sieben Inseln und weiteren Erhebungen unter Wasser. Sie bilden das pulsierende Herz eines Systems aktiver Unterwasservulkane im Mittelmeer. 

Eine Bedrohung für Millionen

Ich bin mit Francesco Italiano, einem der führenden Vulkanologen Italiens, und dem berühmten Unterwasserfotografen sowie Filmemacher Roberto Rinaldi hergekommen, um das Zischen und Speien der hydrothermalen Schlote am Meeresgrund zu dokumentieren. Hydrothermale Schlote sind Geysire am Meeresgrund, die sich an den Hängen von unterseeischen Vulkanen bilden. Aus ihnen quellen und blubbern Vorhänge aus Blasen mineralreicher heißer Gase. 

Die vulkanische Aktivität in der Region stellt bis heute eine Bedrohung für Millionen von Menschen dar, die auf den Liparischen Inseln und an der Südküste Italiens leben. Italiano und seine Kollegen wollen einen Weg finden, Ausbrüche besser vorherzusagen. Ich als Biologe möchte auskundschaften, welche Arten von Meerestieren sich an derart lebensfeindliche Orte anpassen und wie sie gedeihen können. Wir hoffen, dass wir auf unserer Reise einige Geheimnisse lüften können. Die Schönheit der Welt ist groß. Faszinierender sind ihre Geheimnisse. 

Zunächst ankern wir bei Panarea, der kleinsten der Liparischen Inseln. Der Legende nach sollen schon die Alten Römer hier angelegt haben, um ihre Schiffsrümpfe von den Blasen, die an die Oberfläche sprudeln und einen schwefelartigen Geruch verströmen, reinigen zu lassen. Auf dem Eiland selbst gilt die vulkanische Aktivität als ruhend. Unter der Wasseroberfläche jedoch steigen Wolken aus Kohlendioxid- und Schwefelwasserstoffbläschen so stetig empor, dass es sich anfühlt, als schwimme man durch kopfüber stehenden Regen. Wohin ich auch blicke, sind die Auswirkungen der Säure sichtbar. Die Unterwasserlandschaft ist frei von Korallen und hartschaligen Organismen. Ein unvorsichtiger Röhrenwurm hat sich in allzu großer Nähe der Blasen angesiedelt.

Clavelina dellavallei wirkt wegen ihres durchscheinenden Mantels wie eine grazile Kristallglocke mit bläulichem Schimmer. Diese aus mehreren Polypen bestehende Kolonie scheint optimale Bedingungen vorgefunden zu haben, mit viel Phytoplanktonnahrung und nur wenigen Fressfeinden.

Foto von Laurent Ballesta

Säuren aus dem Meeresboden

Seine kalkige Röhre löst sich bereits auf. Andernorts zeigen die Seegraswiesen der Posidonia, auch Neptungras genannt, weißliche, verätzte Blätter. Nur anaerobe Bakterien, die keinen Sauerstoff zum Leben brauchen, scheinen hier zu gedeihen. An den Felswänden bilden sie einen dicken, filzigen Belag, der sich im sauren Milieu sanft wiegt. Auch wir spüren die Wirkung der Säure auf unseren Gesichtern. Als wir nach einigen Stunden in der ätzenden Umgebung wieder auftauchen, sind unsere Lippen und Wangen aufgesprungen, die verchromten Ventile an unseren Tauchanzügen oxidiert. 


 

BELIEBT

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