Sensationelle Meteoriteneinschläge: Die fünf bedeutendsten Funde in Deutschland

Ein lauter Knall, gefolgt von einem dumpfen Geräusch – so erlebten Anwohner den jüngsten Meteoriteneinschlag auf einem Hausdach in Elmshorn. Er entpuppte sich als Glücksfall für die Forschung – und ist bei Weitem kein Einzelfall in Deutschland.

Von Heidrun Patzak
Veröffentlicht am 13. Juni 2023, 10:31 MESZ
Meteoriten über Berlin

Besonders nachts, wie hier am Himmel über Berlin, werden sogenannte Meteore gut sichtbar.

Foto von Declan Hillman - stock.adobe.com

Es passiert täglich, sogar stündlich: Gesteinskörper aus dem All treten in die Erdatmosphäre ein. Etwa sechs Tonnen prasseln täglich auf uns herab. Mitbekommen tun wir davon nur in den seltensten Fällen etwas, da die überwältigende Mehrheit der sogenannten „Feuerkugeln“ lediglich so groß wie ein Staubkorn ist. Sobald sie in die Erdatmosphäre eintreten, verglühen sie vollständig. Größere Exemplare erscheinen als heller Feuerball, den wir nachts als Sternschnuppe am Himmel bewundern können. Schaffen es größere Gesteinskörper, in unsere Erdatmosphäre einzudringen und bewegen sich bis zur Erdoberfläche, spricht man von Meteoriten oder Meteoriteneinschlägen.

Der Ursprung der Meteoriten

Forscher können ziemlich genau feststellen, woher die Meteorite kommen. Der überwiegende Anteil von ihnen kann auf den Asteroidengürtel zwischen Jupiter und Mars zurückgeführt werden, in extrem seltenen Fällen stammen sie vom Mond oder vom Mars. Hunderttausende Gesteins- und Metallbrocken kreisen in diesem Asteroidengürtel. Dabei kann es immer wieder zu Zusammenstößen oder Schwerkrafteinflüssen im kosmischen Schutt kommen. Die Folge: Einzelne Gesteins- oder Metallbrocken verlassen den Gürtel und können mit den inneren Planeten kollidieren – unter anderem mit der Erde. Sobald Teile mit hoher Geschwindigkeit in die Erdatmosphäre eintreten, wird eine Leuchtspur sichtbar. Der Gesteinskörper verliert dabei sehr viel seiner Masse und zerfällt in viele kleine Stücke – die meisten davon verglühen. In diesem Fall, wenn sie von der Erdoberfläche aus sichtbar werden, nennt man sie Meteore. 

BELIEBT

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    Dieter Heinlein ist Meteoritenexperte für das Institut für Planetenforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

    Foto von Gabriele Heinlein

    20.000 Meteorite jährlich: Das faszinierende Innenleben der Feuerkugeln

    Forscher gehen davon aus, dass jedes Jahr zwischen vierzig und achtzigtausend Tonnen Meteorite und Staubfragmente in die Erdatmosphäre eintreten, allerdings treffen nur etwa 20.000 von ihnen auch wirklich auf den Erdboden. „Grundsätzlich gibt es zwei Typen von Meteoriten: Metall-Meteorite und Stein-Meteorite“, erklärt der Physiker Dieter Heinlein gegenüber National Geographic. Er ist technischer Leiter des Europäischen Feuerkugelnetzes und Meteoriten-Experte des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt. „Metall-Meteorite bestehen vorwiegend aus Eisen und Nickel, eventuell mit mineralischen Einschlüssen von Graphit und Troilit. Stein-Meteorite bestehen zumeist aus Silikatmineralien und enthalten zudem auch kleine Anteile von Eisen und Nickel.“  Die meisten Meteoriten verfügen zudem über ein sehr charakteristisches Merkmal: Eine braun-schwarze Schmelzkruste, die, je nachdem, wie lange der Meteorit bereits auf der Erde liegt, durchaus schon verwittert sein kann. Einen Krater hinterlassen Meteoriten nur, wenn sie zusätzlich zu ihrer Masse auch eine extrem hohe Geschwindigkeit haben – 185 solcher Impaktkrater sind weltweit bekannt. 

    Sensationelle Funde: Der Ursprung unseres Planeten

    Warum aber sind Meteoriten so interessant für die Forschung? Das liegt vor allem an dem gehaltvollen Innenleben der Steine: Meteoriten gehören zu den ältesten Gesteinen unseres Sonnensystems und können Forschern helfen, mehr über dessen Ursprung und die Erdgeschichte zu erfahren. Weil sie als eine Art Gedächtnis unseres Planeten dienen, sind ihre Funde sensationell. Am leichtesten lassen sich Gesteinsreste aus dem All in Wüsten und der Antarktis entdecken. In Deutschland rechnen Experten nur etwa alle zehn Jahre mit einem Meteoritenfund – oder noch spektakulärer, sogar mit einem Einschlag, wie zuletzt in Elmshorn. National Geographic gibt gemeinsam mit dem Meteoritenexperten Dieter Heinlein einen Überblick über die fünf bedeutendsten Meteoritenfunde in Deutschland. 

    Kurz nach dem Einschlag auf den Dachpfannen konnte ein 233,4 g schwerer Steinmeteorit auf dem Hausgrundstück in Elmshorn gefunden werden.

    Foto von Carsten Jonas, AKM

    Einschlag mit Augenzeugen: Oldenburg (1930)

    Für wenige Meteoriteneinschläge gibt es Augenzeugen, doch am 10. September 1930 konnten ein Schäfer und ein radelnder Landwirt die Einschläge zweier Steinmeteoriten nahe der Stadt Oldenburg hören und sehen. In etwa vier Kilometern Höhe brach der Meteorit Oldenburg (1930) in zwei Teile, einer davon schlug nur etwa neunzehn Meter von dem Platz ein, auf dem sich Schäfer Clemens Bley mit seiner Herde aufhielt. „Die Chondrite von 11,73 und 4,85 Kilogramm Masse konnten damals unmittelbar nach dem Aufschlag geborgen und in ein Museum gebracht werden“, berichtet Dieter Heinlein. In der gleichen Gegend kam es in den letzten hundert Jahre zu zwei weiteren Meteoritenfunden: Benthullen (1949) und Cloppenburg (2017). Dass es in diesem Gebiet zu einer solchen Meteoritenballung kommt, ist nach Einschätzung von Dieter Heinlein zwar „kurios, aber rein zufällig“, handelt es sich doch bei allen drei Funden um jeweils unterschiedliche Meteorite, die in keinem Zusammenhang miteinander stehen.

    Ein echter Brocken: Blaubeuren (1989)

    Der Meteorit Blaubeuren (1989) brauchte ein wenig, bis seine große Stunde schlug. Denn bereits im Jahr 1989 fand ein Hausbesitzer aus dem mittelalterlichen Städtchen Blaubeuren beim Graben eines Kabelkanals einen 30 Kilogramm schweren Stein. Aufgrund starker Verwitterung fehlte ihm die charakteristische, dunkle Schmelzkruste, die Meteorite beim Flug durch die Erdatmosphäre bekommen, weshalb er lange für einen irdischen Stein gehalten wurde. Erst 31 Jahre später, im Jahr 2020, ließ sein Finder den Stein untersuchen. „Der unscheinbare Klotz entpuppte sich als größter Steinmeteorit, der je in Deutschland gefunden wurde“, so Heinlein. Dabei habe der Meteorit bereits einige Jahre mehr auf dem Buckel: „Sein irdisches Alter beträgt über 9000 Jahre“. Auf so rekordverdächtig große Steine sind die Labore des deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums nicht eingestellt und für weitere Untersuchungen musste das schwere Gerät eines Steinmetz- und Bildhauermeisters zur Unterstützung herangezogen werden. Das Besondere an Blaubeuren (1989) ist aber nicht nur seine schiere Größe. Bei dem Material handelt es sich um einen sogenannten „Brekzie“, also einem Gestein, das mehrere Kollisionen erlebt und anschließend aus verschiedenen Bruchstücken „zusammengebacken“ wurde. 

    Typisch für einen Steinmeteoriten wie dem Blaubeuren (1989) sind die metallischen Einschlüsse, die durch den Schnitt in das Gestein sichtbar werden.

    Foto von DRL/ U. Köhler

    Beinahe im Märchenschloss eingeschlagen: Neuschwanstein (2002)

    „Seit 1966 gibt es in Deutschland eine systematische Himmelsüberwachung zur Registrierung von Feuerkugeln und zur Berechnung von Meteoritenfällen“, erklärt Dieter Heinlein. Doch es sollte Jahre dauern, bis das Netzwerk einen spektakulären Meteoriteneinschlag dokumentieren konnte und einen Fund ermöglichte: 2002 konnte mit Hilfe der Aufnahmen von zehn Kameras des Feuerkugelnetzes die Bahn eines Steinmeteoriten über Süddeutschland und Österreich berechnet und seine drei Einzelteile in den Monaten nach dem Einschlag gefunden werden. Heinlein selbst war als Leiter des deutschen Meteoritenüberwachungsnetzes an den wissenschaftlichen Untersuchungen beteiligt. Der Meteorit Neuschwanstein (2002) wartet mit beeindruckenden Zahlen auf: Mit etwa 75.000 km/h trat der geschätzt 300 kg schwere Meteorit in die Erdatmosphäre ein. Der Flug innerhalb der Erdatmosphäre wirkte wie ein Sandstrahlgebläse, das ihn abbremste und große Teile abtrug. Dabei hinterließ der Meteorit eine 91 km lange Leuchtspur am Himmel. Mit „nur noch“ gut 200 km/h und etwa einem Zehntel seiner ursprünglichen Masse bohrten sich schließlich drei Meteoriten-Teile (zwischen 1,6 und 2,8 kg schwer) im Ostallgäu in die Erdoberfläche. Wäre zu der Zeit des Meteoritenfalls kein starker Gegenwind gewesen, hätten die Bruchstücke möglicherweise sogar das Märchenschloss Neuschwanstein getroffen. 

    Der wichtigste Meteoritenfall in Deutschland: Flensburg (2019)

    Schon der Eintritt des Meteoriten Flensburg (2019) in die Erdatmosphäre war spektakulär: Am 20. September 2019 sorgte eine Tageslichtfeuerkugel und ein Überschallknall an der gesamten deutschen Nordseeküste für Aufruhr. Ein Kitesurfer machte durch Zufall ein Video des Meteoriten als helle Feuerkugel mit Flugbahn. „Nur wenige Stunden nach seinem Fall wurde er von einem aufmerksamen Gartenbesitzer in Flensburg gefunden und konnte unter dem Raster-Elektronenmikroskop untersucht werden“, so der Meteoritenexperte Heinlein. Zwar habe dieser Meteorit lediglich Tischtennisballgröße und wiege nur 24,5 Gramm, doch „Typ und Material dieses Meteoriten ist weltweit einzigartig und wissenschaftlich enorm interessant“. Das Ergebnis der Untersuchungen: Bei Flensburg (2019) handelt sich um keinen gewöhnlichen Eisenmeteoriten, sondern um einen kohligen Chrondriten vom Typ C1. Er enthält viele Carbonate (also Kohlenstoff) die zu den ältesten gehören, die jemals in unserem Sonnensystem gefunden wurden. Zudem enthält der Flensburger Meteorit Aminosäuren, die Grundbausteine allen Lebens, und etwa zehn Prozent Wasser. Daraus lässt sich schließen, dass bereits drei Millionen Jahre nach Entstehung der allerersten Festkörper in unserem Sonnensystem flüssiges Wasser vorhanden war. Außerdem unterstützt der Fund die These, dass es Meteoriten waren, die erstmals Wasser und damit Leben auf unsere Erde brachten.

    „Der war noch warm“: Elmshorn (2023)

    „Ein wunderbarer Meteoritenfall“, schwärmt Heinlein über Elmshorn (2023). Am 25. April 2023 wurden zwei Hausdächer in einem Wohngebiet in Elmshorn von kleineren Steinmeteoriten getroffen, einer davon war groß wie ein Tennisball, und durchschlug das Dach eines Hauses. „Die Hauptmasse von 3,7 Kilogramm landete aber in einem Gartengrundstück und schlug nur ein Loch in den Rasen“, berichtet der Experte. Zu Schaden kam glücklicherweise niemand. Einer der Meteorite konnte unmittelbar nach dem Aufschlag auf das Hausdach geborgen werden, dabei war der Stein sogar noch warm. „Frisch gefallene Meteorite sind beim Aufprall auf die Erde nicht etwa glühend heiß, sondern warm“, erklärt Heinlein dazu. Dass die Meteoriten nur Minuten nach deren Einschlag gefunden wurden, ist ein echter Glücksfall für die Planetenforschung, denn sie ermöglichte eine Radionuklidmessung, bei der auch kurzlebige Radioisotope untersucht werden können. Diese geben Aufschluss über Herkunft und Geschichte der Steinmeteoriten. Erste wissenschaftliche Erkenntnisse gibt es bereits: Es handelt sich um Chondriten vom Typ H, der eine intensive Brekziierung aufweist. Diese entstand durch komplizierte Verfestigungsprozesse und Kollisionen innerhalb des Asteroidengürtels. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind sie vor viereinhalb Milliarden Jahren zusammen mit den Planeten unseres Sonnensystems entstanden.

    Das National Geographic Magazin 6/23 ist seit dem 25. Mai im Handel erhältlich.

    Foto von National Geographic

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