Wo beginnt der Weltraum – und wie kommt man dorthin?

Kármán- oder McDowell-Linie: Es gibt unterschiedliche Definitionen dafür, wo die Erdatmosphäre endet und das All beginnt. Klar ist: Um in die unendlichen Weiten des Weltraums zu gelangen, muss man die Schwerkraft überwinden – und schnell sein.

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 21. Feb. 2024, 09:46 MEZ
Ein hell leuchtender blauer und orangefarbener Streifen auf schwarzem Hintergrund.

Sonnenaufgang auf der Erde, gesehen von der ISS. Die blauen und orangefarbenen Schichten deuten auf verschiedene Teile der Erdatmosphäre hin. Und darüber: der Weltraum.

Foto von ESA/NASA

Unendliche Weite, Dunkelheit und Schwerelosigkeit: Der Weltraum fasziniert durch seine besonderen Gegebenheiten, die sich vollkommen von jenen auf der Erde unterscheiden. Die Grenze zum Weltall wurde zum ersten Mal im April 1961 von einem Menschen durchbrochen. Damals trat der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin den ersten bemannten Orbitalflug namens Wostok 1 an – und ebnete den Weg für die internationale Raumfahrt. 

Doch wie gelangt ein Mensch überhaupt in den Weltraum – und wo beginnt der eigentlich?

Kármán-Linie: In 100 Kilometern Höhe beginnt der Weltraum

Eine allgemeingültige Definition dafür, wo der Luftraum aufhört und der Weltraum anfängt, gibt es bisher nicht. Am bekanntesten ist jedoch die sogenannte Kármán-Linie. Sie geht auf den ungarisch-amerikanischen Physiker Theodore von Kármán zurück, der sich bereits in den 1950er Jahren fragte, wo die Grenze zwischen der Erdatmosphäre und dem Weltraum liegen könnte. 

Um eine Antwort zu finden, berechnete Kármán die Höhe, in der ein Flugzeug nicht mehr von aerodynamischen Kräften getragen wird – also den Punkt, an dem die Atmosphäre zu dünn wird. Sein Ergebnis: 100 Kilometer über dem Meeresspiegel. Bis heute wird die Kármán-Linie von der Fédération Aéronautique Internationale (FAI), einem internationalen Verband zur Führung von Luftfahrtrekorden, als offizielle Grenze zum Weltraum anerkannt. Eine klare Unterscheidung von Luft- und Weltraum ist seit Beginn der internationalen Raumfahrt für eine einheitliche Regelung von Flug- und Raumfahrtaktivitäten wichtig.

Uneinigkeit über die Raumgrenze

Mit Kármáns Definition sind allerdings nicht alle einverstanden. Manche Wissenschaftler*innen kritisieren, dass eine allgemeingültige Raumgrenze schwer zu finden sei, da diese sich stetig verschieben würde. Schuld daran sei die unterschiedliche Aktivität der Sonne, die die Dichte der Atmosphäre beeinflusst. 

1994 nahm der Physiker Jonathan C. McDowell vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics eine Neubewertung von Kármáns Berechnungen vor und ergänzte die Ergebnisse aus den 1990ern im Jahr 2018 im Rahmen einer neuen Studie. Dabei fand McDowell heraus, dass die Grenze zum Weltraum eher ein Spektrum von 70 bis 90 Kilometern umfasst. „Ich habe den inneren Rand des Weltraums unter historischen, physikalischen und technologischen Gesichtspunkten untersucht und schlage 80 Kilometer als angemessenere Grenze vor als die derzeit populäre Kármán-Linie in 100 Kilometern Höhe“, schreibt McDowell. 

BELIEBT

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    Je nachdem, wen man fragt, erhält man auch heute noch unterschiedliche Antworten zur Weltraumgrenze. Während die U.S. Airforce 80 Kilometer verwendet, nutzt die NASA Mission Control beispielsweise 122 Kilometer als Wiedereintrittshöhe für Raumflugkörper in die Erdatmosphäre. Die Wiedereintrittshöhe ist entweder gleich oder höher der Kármán-Linie. Denn: Ab spätestens 100 Kilometern muss der Einfluss der Atmosphäre auf einen Flugkörper wieder eingerechnet werden. 

    Wie erreicht man das Weltall?

    Egal von welcher Grenze man ausgeht: In diese extreme Höhe muss ein Mensch erst einmal kommen. Dazu muss man zunächst die Schwerkraft bezwingen – und das mit ausreichend Geschwindigkeit. Um Astronaut*innen in die Erdumlaufbahn zu befördern, muss eine Rakete mit mindestens acht Kilometern pro Sekunde gen Weltraum fliegen, heißt es in einem Beitrag des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR).

    Um die Weltraumgrenze zu erreichen, braucht es genügend Treibstoff und – je nach Höhe, die erreicht werden soll – mehrere Raketenstufen, die nach und nach gezündet werden, um eine weitere Strecke zurücklegen zu können. Auf dem Weg ins All beschleunigt die Rakete immer mehr, das Raumschiff wird immer schneller. Sobald die letzte Raketenstufe das Raumfahrzeug in die richtige Umlaufbahn befördert hat, wird sie abgeworfen und verglüht im All. Das Raumschiff befindet sich daraufhin in der Schwerelosigkeit.

    Für Menschen ist der Flug ins All nicht ungefährlich: Ein längerer Aufenthalt in Schwerelosigkeit kann physische Folgen haben. „Dazu gehören eine Verringerung der Masse und Stärke von Muskeln und Knochen, Haltungs- und Bewegungsprobleme sowie ein bedeutender Rückgang des Blutvolumens, was das Herz-Kreislauf-System beeinträchtigt“, heißt es in einem Beitrag der European Space Agency (ESA). Astronaut*innen durchlaufen deshalb Rehabilitationsmaßnahmen, nachdem sie zur Erde zurückgekehrt sind, um ihren Gesundheitszustand wiederherzustellen. 

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