Künstlicher Humor: ChatGPT macht bessere Witze als Menschen

Forschende aus Kalifornien haben untersucht, ob Künstliche Intelligenz so geistreich und lustig sein kann wie ein Mensch. Die Ergebnisse des Komikwettstreits sind deutlich – und könnten traurige Folgen haben.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 12. Juli 2024, 10:13 MESZ
Zwei Menschen sitzen im Café beieinander und lachen.

Selten so gelacht: Das humoristische Talent von LLMs übertrifft das der meisten Menschen. Sind Witze in Zukunft also KI-Sache?

Foto von Jacob Lund / adobe Stock

Noch vor einigen Jahren war man sich sicher: Es gibt Bereiche, in denen KI uns niemals das Wasser reichen wird, weil nur der menschliche Geist die Fähigkeit zur Kreativität besitzt. Dass diese Annahme nicht ganz richtig war, beweisen inzwischen verschiedene KI-Tools, die Bilder, Musik und Texte generieren – und eine neue Studie, die in der Zeitschrift PLOS ONE veröffentlicht wurde.

Ihr Hauptautor Drew Gorenz, Sozialpsychologe an der University of Southern California (USC), wurde zu der Forschungsarbeit von der Debatte über den Einsatz großer Sprachmodelle – sogenannte LLMs – in der Unterhaltungsbranche inspiriert. Drehbuchautoren und Texter machen sich Sorgen, durch KI ersetzt zu werden, und sehen nicht nur ihre Existenz, sondern auch menschliche Kunst und Kreativität bedroht. Gorenz, der selbst in seiner Freizeit als Stand-Up-Comedian auftritt, wollte wissen, ob diese Angst begründet ist, und stellte das LLM ChatGPT 3.5 in einer eigentlich typisch menschlichen Disziplin auf die Probe: dem Humor.

KI lustiger als der Durchschnittsmensch

In der ersten Runde des Kampfes Mensch gegen Maschine mussten ChatGPT und 105 menschliche Teilnehmende drei verschiedene Aufgaben lösen. Zunächst sollten sie neue, witzige Bedeutungen für die Akronyme „S.T.D.“, „C.L.A.P.“ und „C.O.W.“ finden. Dann galt es, Lücken in vorgegebenen Sätzen wie „Ein weniger bekannter Raum im Weißen Haus ist ____“ auf lustige Weise zu füllen. Die dritte Aufgabe war, als Reaktion auf eine unangenehme Situation humorvoll Kritik zu üben. Zum Beispiel sollte als Antwort auf schlechten Gesang die Lücke in dem Satz „Um ehrlich zu sein, das zu hören war wie: _____“ ergänzt werden.

Die so entstandenen 180 KI- und 945 menschlichen Witze wurden anschließend von einer neuen Gruppe bewertet. Natürlich wurde ihren Mitgliedern nicht verraten, von wem die Witze stammten. Es stellte sich heraus, dass die KI die Lacher klar auf ihrer Seite hat: 70 Prozent der Testpersonen fanden die von ihr generierten Witze am lustigsten. Bei 25 Prozent kamen die Witze der menschlichen Teilnehmenden besser an. Fünf Prozent zeigten keine Präferenz. Diese Verhältnisse änderten sich auch nicht, als das Studienteam die Ergebnisse im Detail für unterschiedliche demografische Gruppen betrachtete.

„ChatGPT kann keine Emotionen empfinden, ist aber besser darin, Witze zu generieren als der Durchschnittsmensch“, sagt Gorenz. „Damit liefert die Studie den Beweis, dass man die Emotionen, die einen guten Witz ausmachen, nicht empfinden muss, um sich einen auszudenken.“ Offenbar reiche es aus, die Muster und Regeln der Komik zu kennen und umzusetzen, um lustig zu sein.

LLM gegen Comedians: Gags aus der Maschine

In der zweiten Runde der Studie musste ChatGPT gegen Menschen antreten, die mit Humor ihr Geld verdienen. Das Studienteam fütterte das LLM mit 50 Schlagzeilen der satirischen Nachrichtenwebsite The Onion – vergleichbar mit der deutschen Seite Der Postillon – und forderte es auf, 20 neue Schlagzeilen im selben Stil zu erstellen. Eine anschließende Prüfung ergab, dass das KI-Tool die Schlagzeilen wirklich selbst erstellt und nicht von einer anderen Quelle kopiert hatte. Die insgesamt 70 Schlagzeilen wurden, wieder ohne Offenlegung des Urhebers, einer Gruppe von 200 Personen vorgelegt, die sie auf einer Skala von 0 bis 6 bewerteten.

BELIEBT

    mehr anzeigen

    Auch, wenn die als am lustigsten befundene Schlagzeile – „Mann entdeckt neues Gefühl, kann aber nicht darüber reden“ – von ChatGPT erstellt wurde, war das Ergebnis dieses Mal ausgewogener als in der ersten Runde. Von den vier beliebtesten Schlagzeilen waren zwei Originale von The Onion und zwei KI-generierte. Insgesamt bevorzugten fast 49 Prozent der Testpersonen die von Menschen geschriebenen Schlagzeilen, knapp 37 Prozent lachten mehr über die Schlagzeilen von ChatGPT, der Rest zeigte keine Tendenz.

    Übernehmen KI-Tools bald Jobs in der Kreativbranche?

    Ein kleiner Witz kann viel erreichen: Laut einer Studie aus dem Jahr 2023 bekommt man zum Beispiel eher den Zuschlag für einen Job, wenn man seine Vorzüge im Bewerbungsgespräch auf humorvolle Weise vorträgt. Außerdem fördere ein lustiger Einstieg in eine E-Mail das Vertrauen und die Zufriedenheit in Verhandlungen. Für alle, die in Sachen Humor Probleme haben, sind die Ergebnisse der kalifornischen Studie also gute Nachrichten, denn sie zeigen, dass sich dieses Defizit erfolgreich mithilfe von LLMs ausgleichen lässt.

    Für Menschen, die mit Comedy und dem Schreiben von Witzen ihren Lebensunterhalt verdienen, sieht die Sache anders aus. Das humoristische Potenzial von ChatGPT und ähnlichen KI-Tools unter anderem dadurch beschränkt, dass sie Witze lediglich in Textform liefern können, während Stand-Up-Comedians auch Mimik und Gestik zur Verfügung stehen. Inhaltlich und qualitativ ist KI dem Menschen in Sachen Komik jedoch dicht auf den Fersen. „Für professionelle Comedy-Autoren deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass LLMs ein ernsthaftes Beschäftigungsrisiko darstellen könnten“, sagt Studienautor Norbert Schwarz, Psychologieprofessor an der USC.

    Ob wir in Zukunft nur noch über maschinell erstellte Witze lachen werden, wird sich zeigen. Als nächstes soll erforscht werden, ob KI Witze nicht nur generieren, sondern auch verstehen kann und in der Lage dazu ist, vorauszusagen, welche Zielgruppe worüber lachen wird.

    loading

    Nat Geo Entdecken

    • Tiere
    • Umwelt
    • Geschichte und Kultur
    • Wissenschaft
    • Reise und Abenteuer
    • Fotografie

    Über uns

    Abonnement

    • Magazin-Abo
    • TV-Abo
    • Bücher
    • Disney+

    Folgen Sie uns

    Copyright © 1996-2015 National Geographic Society. Copyright © 2015-2024 National Geographic Partners, LLC. All rights reserved