Gewappnet für die Katastrophe: Forschende wollen ein Biolager auf dem Mond errichten

Klimawandel und Naturkatastrophen bedrohen die Biodiversität der Erde. Um sie zu schützen, soll ein lunarer Speicher entstehen – mit Zellen von Pflanzen, Tieren und anderen lebenden Organismen.

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 11. Sept. 2024, 09:47 MESZ
Blick auf den Mond nahe der Erdoberfläche.

Sicherer als auf der Erde? Ein Bunker auf dem Mond könnte bald tierische und pflanzliche Zellen von der Erde sichern. 

Foto von NASA Johnson / Flickr

Der Svalbard Global Seed Vault in Norwegen ist der größte von insgesamt 1.400 Saatgutspeichern weltweit. In seinem Inneren lagern mehr als eine Million gefrorene Samenproben von lebenswichtigen Nahrungsmitteln aller Länder, damit diese im Katastrophenfall nachgezüchtet werden können. Darunter die Samen von Reis, Mais, Weizen und Kartoffeln. Durch seine Lage im Arktisgebiet, fast 120 Meter unter der Erde, soll der Bunker in der Lage sein, die Sammlung gefroren zu halten und vor Außeneinwirkungen zu schützen.

Doch allmählich wird der Klimawandel zur Bedrohung für die vermutlich wichtigste Saatgutbank der Welt: 2017 sorgte schmelzender Permafrost für eine Überflutung der Sammlung mit Schmelzwasser. Zwar wurde das Saatgutlager seitdem wasserfest gemacht, der Vorfall zeigt aber trotzdem, dass sogar ein arktischer, unterirdischer Bunker den klimatischen Veränderungen der Erde zum Opfer fallen kann.

Aus diesem Grund überlegten Forschende aus den USA, wie man ein derart wichtiges Depot sicherer gestalten könnte, und entwickelten einen Plan für ein sogenanntes Biorepository – auf dem Mond. 

Warum sollte es ein Biolager auf dem Mond geben?

Ein Biorepository ist ein Biolager, das nicht nur Proben von Pflanzen lagert, sondern auch von Tieren und anderen lebenden Organismen. Dazu zählen zum Beispiel Zellen, DNA oder Blut. In ihrer Studie, die in der Zeitschrift BioScience erschien, zeigen die Forschenden, welche Vorteile ein solches Biorepository auf dem Mond hätte und wo es errichtet werden könnte. 

Ein großer Vorteil wäre zum Beispiel die Lage: Abgeschieden von der Erde ist die Wahrscheinlichkeit eines Katastrophenfalls deutlich geringer. Noch dazu ist der Mond der perfekte Ort, um biologisches Material extrem kalt zu lagern. Da tierische Zellen viel niedrigere Lagertemperaturen benötigen als Pflanzenzellen – etwa minus 196 Grad Celsius –, wollen die Forschenden das biologische Material kryogen einfrieren. Von Kryokonservierung spricht man, wenn man Zellen oder Gewebe in flüssigem Stickstoff einfriert. Auf dem Mond gibt es zahlreiche Krater mit teilweise dauerhaft im Schatten liegenden Regionen, in denen Temperaturen von bis zu minus 246 Grad Celsius herrschen und wo das Material optimal lagern könnte. 

Blick auf Mondkrater während der Apollo 11-Mission. In den Kratern in den Polarregionen des Mondes könnte das biologische Material künftig bei extrem niedrigen Temperaturen lagern. 

Foto von National Geographic Image Collection/NASA

Ein weiterer Vorteil: Durch die konstant niedrigen Temperaturen bräuchte es für die Kryokonservierung weder Menschen noch Elektrizität, was die Lagerung insgesamt sicherer macht. Und um die DNA-schädigende Strahlung aus dem Weltraum zu blockieren, könnten die Proben unterirdisch oder in einer Struktur mit dicken Wänden aus Mondgestein gelagert werden.

Irdische Biodiversität – eingelagert auf dem Mond

Als Hauptmaterial, das in dem Biorepository auf dem Mond gelagert werden soll, kämen laut den Forschenden Fibroblasten infrage – teilungsaktive Zellen des Bindegewebes. Für viele Arten könnten diese Zellen problemlos kryokonserviert werden: Man entnehme sie aus der Haut des Tieres, was deutlich einfacher sei als eine Entnahme von Eizellen oder Spermien. 

Mithilfe von diesem Verfahren wollen die Forschenden die Biodiversität der Erde im Falle einer Naturkatastrophe in einem Bunker auf dem Mond sichern. Die Forschenden sprechen bewusst nicht vom ‚Weltuntergang‘: „Wenn die Erde biologisch zerstört wird, spielt auch dieses Biorepository keine Rolle mehr“, sagt Mary Hagedorn, Kryobiologin am Smithsonian’s National Zoo and Conservation Biology Institute (NZCBI) und Hauptautorin der Studie. „Das Biolager bietet eher einen weiteren, parallelen Ansatz zum Erhalt der kostbaren Biodiversität der Erde.“

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    „Zunächst würden wir mit dem Biorepository auf dem Mond die heute am stärksten gefährdeten Arten auf der Erde ins Visier nehmen“, sagt Hagedorn. „Unser letztendliches Ziel wäre es aber, die meisten auf der Erde vorkommenden Arten kryogen zu konservieren.“

    Wie transportiert man Zellen sicher ins All? 

    Damit das Mond-Biolager in die Realität umgesetzt werden kann, wollen die Forschenden als nächstes Strahlenbelastungstests mit den kryokonservierten Fibroblasten auf der Erde durchzuführen, um geeignete Verpackungen zu entwickeln, in denen die Proben sicher zum Mond gelangen könnten. Danach wollen sie diese Verpackungen auf der ISS im Weltraum testen. Noch sucht das Team dazu aktiv nach Partner*innen in der Raumfahrt. 

    Sollte ihre Idee eines Tages Wirklichkeit werden, stellen sich die Forscher das Biorepository auf dem Mond als eine öffentliche Einrichtung mit kooperativer Verwaltung vor, an der öffentliche und private Geldgeber, wissenschaftliche Partner*innen, Länder und öffentliche Vertreter*innen beteiligt sind. Ähnlich wie gerade schon beim irdischen Svalbard Global Seed Vault in Norwegen. 

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