Kunstdruck vs. Original: Warum unser Gehirn auf echte Gemälde mehr reagiert
Von Frida Kahlo bis Pablo Picasso: Kunstdrucke hängen mittlerweile in fast jedem Haushalt. Weshalb die Poster trotzdem nicht annähernd dasselbe auslösen wie ein Originalgemälde.

Ein Tag im Kunstmuseum stimuliert das Gehirn. Das konnten Forschende aus den Niederlanden zeigen.
Ein Besuch im Kunstmuseum ist gut fürs Gehirn. Das ergab eine niederländische Studie, die Neurowissenschaftler*innen im Kunstmuseum Mauritshuis in Den Haag durchgeführt haben. Sie zeigt: Echte Kunstwerke anzuschauen, stimuliert das Gehirn bis zu zehnmal stärker als das Betrachten von Prints mit demselben Motiv.
Was passiert im Gehirn, wenn man Kunst anschaut?
„Wir wollten wissen, was den Unterschied zwischen dem Betrachten eines echten Gemäldes im Mauritshuis und dem Anschauen einer Kopie ausmacht“, heißt es in der Studie. Dazu beobachteten die Forschenden die Hirnaktivität und die Blickrichtungen von 20 Freiwilligen im Alter zwischen 21 und 65 Jahren mithilfe eines Elektroenzephalogramms (EEG) und eines Eyetracking-Geräts. Die Aufgabe der Proband*innen war es, sich zunächst fünf Kunstwerke im Museum anzuschauen – und daraufhin Poster mit den gleichen Motiven im Museumsshop.
Dabei konnten die Wissenschaftler*innen zeigen, dass die Gemälde im Museum bei den Proband*innen etwa zehnmal stärkere positive Reaktionen im Precuneus – einem Teil des Gehirns, der unter anderem für Bewusstsein, Selbstreflexion und persönliche Erinnerungen zuständig ist – hervorriefen als die Poster. Bei Gerrit von Honthorsts Der Geigenspieler lagen diese Reize beispielsweise bei 0,41 von 1 – bei der Kopie lediglich bei 0,05.
Warum die Originale in der Studie deutlich besser abschnitten als ihre Kopien, erklären die Wissenschaftler*innen mit der Umgebung, in der die Kunstwerke hängen. Es gehe nicht nur um die Erfahrung mit dem Gemälde selbst, sondern auch um den Ort, an dem man es betrachte: das Licht, den Rahmen und weitere Umgebungsfaktoren. „Das beweist, dass ein Museumsbesuch für die Erfahrung von Kunst unerlässlich ist“, so die Forschenden.
Besonders faszinierend: Das Mädchen mit dem Perlenohrring


Das Mädchen mit dem Perlenohrring ist mittlerweile eines der bekanntesten Gemälde der Kunstgeschichte. Seine Berühmtheit erlangte das Bild aus dem 17. Jahrhundert jedoch erst durch moderne Rezeptionen.
Die Darstellung zeigt die Blicke der Proband*innen, die sich alle innerhalb eines Dreiecks zwischen Augen, Mund und Ohrring des Mädchens bewegten.
Eines der fünf Kunstwerke zog den Blick der Proband*innen in besonderem Maße auf sich: Beim Mädchen mit dem Perlenohrring (Niederländisch: Meisje met de parel) von Jan Vermeer konnten die Forschenden die höchste Hirnstimulation feststellen.
Der Grund dafür sei die spezielle Komposition des Bildes. Laut den Forschenden werden Betrachtende in eine Art „Aufmerksamkeitsdreieck“ gezogen: Zuerst falle der Blick auf die Augen des Mädchens, die die Betrachter*innen direkt anschauen, dann auf ihren Mund und schließlich auf die Perle an ihrem Ohr. Daraufhin wiederhole sich der Vorgang, sodass man gar nicht wegschauen könne.
