Forschende entwickeln Roboter mit künstlichen Muskeln

Ein Forschungsteam aus Deutschland und der Schweiz hat ein Roboterbein nach menschlichem Vorbild konstruiert. Mit seinen künstlichen Muskeln hüpft es über Gras, Sand und Kiesel.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 18. Nov. 2024, 09:24 MEZ
Toshihiko Fukushima (links) und Thomas Buchner beobachten ihr hüpfendes Roboterbein.

Toshihiko Fukushima (links) und Thomas Buchner beobachten ihr hüpfendes Roboterbein.

Foto von Wolfram Scheible / MPI-IS

Roboter sind uns in vielen Belangen überlegen. Sie arbeiten meist schneller, oft auch genauer. Sie lassen sich nicht ablenken und brauchen keine Pausen. Meckern tun sie auch nicht. Und seit dem Siegeszug der KI übertrumpfen sie uns auch noch bei vielen Denkaufgaben.

Vor rund 70 Jahren erfand der US-Amerikaner George Devol den ersten Industrieroboter. Seitdem tüftelt die Menschheit an programmierbaren Bewegungsautomaten. Die Entwicklungssprünge sind gewaltig. Und doch funktionieren die meisten Roboter immer noch nach dem gleichen Prinzip.

Sie werden nicht von Muskeln, sondern von Motoren angetrieben – einer Technologie, die fast 200 Jahre alt ist. Die Präzision moderner Roboter ist verblüffend. Was ihnen fehlt, ist die natürliche Geschicklichkeit, Anpassungsfähigkeit und Flexibilität von Lebewesen. Doch das könnte sich bald ändern.

Muskeln statt Motor

Ein Forschungsteam aus Deutschland und der Schweiz hat ein Roboterbein mit künstlichen Muskeln erschaffen – nach menschlichem Vorbild. Es läuft und springt über unterschiedliches Terrain wie Gras, Sand und Kiesel. Entwickelt haben es Forschende des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme und der ETH Zürich im Rahmen einer Forschungspartnerschaft.

Herkömmliche Roboterbeine werden mit einem elektromagnetischen Drehmotor angetrieben. Beim neuen muskuloskelettalen Bein ist das anders. Hier kommen elektrohydraulische Aktuatoren zum Einsatz – künstliche Streck- und Beugemuskeln. 

BELIEBT

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    Grafik: Roboterbein mit elektromagnetischem Drehmotor (links) und mit elektrohydraulischen Aktuatoren.

    Roboterbein mit elektromagnetischem Drehmotor (links) und mit elektrohydraulischen Aktuatoren.

    Grafik Thomas Buchner/ETH Zürich und Toshihiko Fukushima/MPI-IS

    Künstliche Sehnen am Roboterskelett

    Die Aktuatoren sind mit Öl gefüllte Kunststoffbeutel. Mit ihren vielen kleinen Kammern erinnern sie an Eiswürfelbeutel. Über künstliche Sehnen sind sie am Roboterskelett befestigt. Für die Muskelkontraktion sorgen Elektroden, also elektrische Leiter. Los geht es mit einem Stromimpuls.

    „Sobald wir Spannung an die Elektroden anlegen, ziehen sie sich aufgrund statischer Elektrizität gegenseitig an“, sagt Thomas Buchner von der ETH Zürich. Je höher die Spannung, desto stärker die Anziehungskraft. Das Öl wird dabei auf eine Seite des Beutels gedrückt, wodurch dieser sich verkürzt. Die künstlichen Muskeln ziehen sich zusammen.

    Werden die Aktuatoren paarweise angebracht, funktioniert das Ganze wie beim Mensch: Verkürzt sich ein Muskel, verlängert sich sein Gegenspieler. Über einen Computercode wird gesteuert, welche Aktuatoren sich zusammenziehen und welche sich verlängern sollen.

    Das Roboterbein mit künstlichen Muskeln im Versuchsaufbau. Es kommt auch auf unebenem Terrain klar.

    Das Roboterbein kommt auch auf unebenem Terrain klar.

    Foto von Thomas Buchner/ETH Zürich und Toshihiko Fukushima/MPI-IS

    Jump 'n' Run: Elektrohydraulische Kniebeugen

    Je nach Bedarf kann das Roboterbein seine künstlichen Muskeln schnell strecken oder beugen. Weil der Bewegungsapparat weich und elastisch ist, kommt das Bein auch auf holprigem Gelände klar. 

    Bei Menschen ist es ähnlich. Wer die Knie nicht richtig beugen kann, wird Probleme beim Balancieren, Springen und Klettern haben. „Die Anpassungsfähigkeit an das Terrain ist ein zentraler Aspekt,“ ergänzt Toshihiko Fukushima vom Max-Planck-Institut.

    Durch Interaktion mit dem Untergrund passen die elektrohydraulischen Muskeln sich automatisch den Bodenverhältnissen an. „Ist die Umgebung weich, erreicht das Roboterbein einen anderen Gelenkwinkel als bei hartem Untergrund“, erklärt Fukushima.

    Anders bei herkömmlichen Robotern: Hier müsse ein Sensor dem Elektromotor ständig mitteilen, in welchem Winkel das Roboterbein sich befindet. 

    Rettungsroboter auf zwei Beinen

    Laufroboter mit künstlichen Muskeln: Die Technologie steckt noch in den Kinderschuhen. Auch die beteiligen Wissenschaftler schränken ein, dass ihr Prototyp im Vergleich zu etablierten Laufrobotern limitiert sei: Das Roboterbein ist an einer Stange befestigt, hüpft im Kreis und kann sich noch nicht frei bewegen.

    Weitere Forschungsarbeit soll helfen, diese Einschränkungen zu überwinden. Das Team sieht viel Potenzial für künftige Anwendungen in der Softrobotik. Weiche Roboter? Softrobotik ist ein Teilgebiet der Robotik, das sich mit organisch inspirierten, nachgiebigen und oft besonders leichten Materialien befasst.

    Für schwere Baumaschinen seien Laufroboter mit elektrohydraulischen Aktuatoren wahrscheinlich weniger geeignet. Als filigrane Helfer könnten sie aber eines Tages vielleicht viel Gutes tun. Zum Beispiel als Rettungsroboter mit zwei oder vier Beinen.

     

     

     

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