Die Minen von König Salomon: Frische Spuren in einem alten Mysterium

Eine Analyse tierischer Abfälle konnte bestätigen, dass das große Bergarbeiterlager aus dem Goldenen Zeitalter des berühmten biblischen Monarchen stammt.

Von Michelle Z. Donahue
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:29 MEZ
Königin von Saba und König Salomon
Die Königin von Saba besucht den prächtigen Hof des Königs Salomon in dieser erdachten Szene des britischen Malers Edward Poynter.
Foto von Heritage Images, Getty Images

Tiermist, der jahrtausendelang durch das trockene Klima des israelischen Timna-Tals konserviert wurde, bringt frischen Wind in die alte Debatte über den biblischen König und die Quelle seines legendären Reichtums.

Archäologen entdeckten den 3.000 Jahre alten Dung in einem antiken Bergarbeiterlager, das auf einem Sandstein-Tafelberg liegt und als „Slaves’ Hill“ (dt. Sklavenhügel) bekannt ist. Das Gebiet ist durchzogen von Kupferminen und Schmelzhütten – Orten, an denen Erz erhitzt und zu Metall verarbeitet wurde. 

Der Archäologe Erez Ben-Yosef von der Universität Tel Aviv begann 2013 mit der Ausgrabung der Stätte. Letztes Jahr legten er und sein Team die Überreste von mehreren ummauerten Strukturen frei, die auch ein befestigtes Tor umfassten, als sie scheinbar relativ frische Tierhinterlassenschaften entdeckten.

Archäologen entdeckten 3.000 Jahre alten Dung in einem antiken Bergarbeiterlager, das auf einem Sandstein-Tafelberg liegt und als „Slaves’ Hill“ bekannt ist.
Foto von Erez Ben-Yosef and CTV Project

„Wir dachten, dass hier vielleicht Nomaden mit ihren Ziegen vor ein paar Jahrzehnten ihr Lager aufgeschlagen hatten“, sagte Ben-Yosef und verwies darauf, dass die Exkremente noch nicht verrottete Pflanzenreste enthielten. „Aber die [Radiokarbon-]Datierungsergebnisse kamen aus dem Labor zurück und bestätigten, dass es sich um Esel und andere Nutztiere aus dem 10. Jahrhundert vor Christus handelte. Das war kaum zu glauben.“

Obwohl das extrem hohe Alter und der außergewöhnlich gut erhaltene Zustand des Dungs verblüffend waren, sind die Implikationen der Radiokarbondatierung noch viel erstaunlicher.

„Bis zu dem Beginn unseres Projekts 2013 ging man davon aus, dass es sich um eine Stätte aus der späten Bronzezeit handelt, die im Zusammenhang mit dem ägyptischen Neuen Reich im 13. und 12. Jahrhundert v. Chr. stand“, erklärte Ben-Yosef. Es gibt eindeutige Beweise für ägyptische Präsenz während dieser Jahrhunderte, und heutige Besucher des nahegelegenen Timna Parks werden von Schildern begrüßt, auf denen alte Ägypter abgebildet sind.

Die hochpräzisen Radiokarbondatierungen des Dungs sowie einiger Textilien und anderer organischer Materialien deuten jedoch darauf hin, dass die Hochphase der Stätte im 10. Jahrhundert v. Chr. lag – der Ära der biblischen Könige David und Salomon.

Eine künstlerische Darstellung des Bergarbeiterlagers, die auf den archäologischen Funden basiert.
Foto von Ronnie Avidov and the CTV Project

DIE LANGE SUCHE NACH SALOMONS MINEN

Laut der hebräischen Bibel war Salomon für seine große Weisheit und seinen gleichermaßen großen Reichtum bekannt. Seine zahlreichen Bauprojekte umfassten auch einen Tempel in Jerusalem, der verschwenderisch mit goldenen und bronzenen Objekten verziert war. Eine solche Struktur hätte große Mengen an Metall aus Bergbaubetrieben im industriellen Maßstab benötigt, die sich irgendwo im Mittleren Osten befanden, aber die Schriften schweigen sich über deren Standorte aus.

In den 1930ern verkündete der amerikanische Archäologe Nelson Glueck (gesprochen Glick), dass er die berühmten Minen gefunden hätte, als er die kupferreiche Arava erforschte – eine Senke, die sich vom Toten Meer südlich bis zum Roten Meer erstreckt und an der Grenze zwischen dem heutigen Israel und Jordanien verläuft.

 „Man weiß, dass es auf der ganzen Länge des Wadi Araba Kupfer- und Eisenvorkommen gibt“, schrieb Glueck in seinem Artikel „On the Trail of King Solomon’s Mines“ (dt. „Auf den Spuren von König Salomons Minen“), der 1944 in der Februar-Ausgabe des National Geographic erschien. „Diese wurden im Altertum intensiv bearbeitet, besonders während der Herrschaft König Salomons.“

Der Archäologe Nelson Glueck (zweiter von links) glaubte, dass er Salomons Minen in der kupferreichen Senke Arava südlich von Israel und Jordanien gefunden hatte.
Foto von Kenneth Garrett, National Geographic Creative

Viele Archäologen, die in Gluecks Fußstapfen traten, vertraten allerdings die Ansicht, dass Salomon und David nicht die mächtigen Könige waren, als die sie in der Bibel dargestellt wurden. Stattdessen seien sie Stammesfürsten gewesen, die nicht in der Lage waren, größere Bergbaubetriebe und Handel über lange Strecken zu betreiben.

Die Kritiker widersprachen auch der traditionellen biblischen Chronologie, welche die Herrschaft von David und Salomon im 10. Jahrhundert v. Chr. verankert. Infolgedessen wurde Glueck „zur Witzfigur der Gelehrtenwelt“, erzählt Thomas Levy, Professor für Archäologie an der University of California, San Diego und ein National Geographic Explorer. 

Aber neuere Entdeckungen der letzten Jahrzehnte könnten das Blatt wenden und Gluecks Vertrauen in die biblische Chronik rechtfertigen.

1997 begann Levy mit einer mehrjährigen Ausgrabung in Khirbat en-Nahas, einer Stätte im südlichen Jordanien, die laut Glueck ein altertümliches Zentrum der Kupferproduktion gewesen sein könnte. Levy und sein Team gruben sich durch mehr als sechs Meter an Resten von Kupferschlacke, bevor sie jungfräulichen Boden erreichten. Das deutete darauf hin, dass dort im großen Stil Metall erzeugt wurde. „Unsere Ausgrabungen stützen viele von Gluecks Erkenntnissen“, schrieb Levy 2006.

Kupferstücke lassen sich in der abgelegenen Region in Jordanien mühelos finden. Der Archäologe Thomas Levy hat dort ein altertümliches Bergbauzentrum ausgegraben.
Foto von Dmitri Kessel, The Life Picture Collection, Getty Images

Der jüngste Fund im Timna-Tal könnte Gluck noch mehr Punkte bringen, der die Stätte Slaves’ Hill 1934 entdeckte und benannte. Der dortige Bergbaubetrieb konnte bislang nicht mit König Salomon selbst in Verbindung gebracht werden, aber er deutet darauf hin, dass die Region eine komplexe Gesellschaft beheimatete – wahrscheinlich Edomiter, Kontrahenten des alten Königreichs Israel.

Die Richtigkeit der biblischen Passage, laut der König Salomon seine Armeen tief in die Wüste marschieren ließ, um die Edomiter anzugreifen, wird seit Langem debattiert. Laut Ben-Yosef deuten die befestigten Mauern, die er um das Schmelzwerk herum gefunden hat, jedoch darauf hin, dass die Stätte sehr wahrscheinlich ein militärisches Ziel gewesen ist.

Wenn die Behauptung der Bibel korrekt ist, dass David die Edomiter in die Knie gezwungen hat, hätte er sich vielleicht auch in einer Position befunden, Tribut zu Verlangen. „Es ist gut möglich, dass Jerusalem seinen Reichtum durch die Besteuerung dieser Bergbauarbeiten erlangte“, meint Ben-Yosef.

HINWEISE AUF FERNHANDEL

Die Dungproben enthielten Samen und Pollen, die so gut erhalten waren, dass Ben-Yosefs Team Rückschlüsse auf die Nahrung der Tiere ziehen konnte. Diese hielt eine weitere Überraschung bereit: Das Futter war aus einem Gebiet importiert worden, das über 160 km weiter nördlich in der Nähe der Mittelmeerküste lag. Die Entfernung zu Jerusalem betrug etwa 300 km, was im Altertum eine zweiwöchige Reise mit dem Esel bedeutete.

Der Fernhandel war der Schlüssel zum Überleben an diesem abgelegenen Standort, der von Wüste umgeben ist. Alles musste auf Eseln hergebracht werden – selbst die nächste Wasserquelle war etwa 20 km entfernt –, was das ganze Unternehmen zu einer komplexen und kostspieligen Angelegenheit machte.

„In dieser Zeit war Metall ein unerlässliches Produkt, vergleichbar mit Öl heutzutage“, erklärt Ben-Yosef. „Daher hat es sich für die Menschen damals durchaus gelohnt, so viel in dieses Unterfangen mitten in der Wüste zu investieren.“

Er erklärt, dass mehr als 1.000 Tonnen Schmelzabfälle in Slaves’ Hill gefunden wurden, was auf eine Metallherstellung im industriellen Ausmaß hindeutet, die eines altertümlichen Staates oder Königreichs angemessen gewesen wäre. Ob Israel oder Edom ein solches Entwicklungslevel während des 10. Jahrhunderts v. Chr. erreicht haben, bleibt heiß umstritten, aber Ben-Yosef ist von den neuen Funden ermutigt.

„Bis vor Kurzem hatten wir aus dieser Periode der Ära fast gar nichts“, resümiert er. „Aber jetzt wissen wir nicht nur, dass es eine Quelle für Kupfer war, sondern auch, dass sie aus der Zeit von König David und seinem Sohn Salomon stammt.“

König Salomons Minen
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