Australiens unberührtes Paradies

Auf den isolierten Tiwi-Inseln haben das kulturelle Erbe der Bewohner und die natürliche Schönheit der Landschaft Jahrtausende überdauert.

Von Gulnaz Khan
bilder von David Maurice Smith
Veröffentlicht am 27. Juni 2018, 13:32 MESZ
Ein Fluss schlängelt sich durch die grüne Vegetation der Tiwi-Inseln.
Ein Fluss schlängelt sich durch die grüne Vegetation der Tiwi-Inseln.
Foto von David Maurice Smith, Oculi

Laut den Schöpfungslegenden der Tiwi entstiegen ihre Vorfahren in einer Zeit außerhalb der Zeit der Dunkelheit, zogen durch das Land und formten die Erde. Es war jene Zeit – die Traumzeit –, während der die Tiwi-Inseln entstanden.

Vor der Nordküste Australiens, wo die warmen Wasser der Timorsee und der Arafurasee aufeinandertreffen, bedecken etwa 7.770 km² Eukalyptuswald, Mangroven, Feuchtgebiete und bildschöne Strände eine Inselkette aus elf kleinen Landflecken. Die Tiwis leben dort seit Tausenden von Jahren in relativer Isolation und pflegen ihre eigene Sprache, Kultur und Kunstformen, die seit Generationen mündlich überliefert werden.

Die Tiwi-Inseln befinden sich an der Grenze zwischen der Timorsee und der Arafurasee .
Foto von David Maurice Smith, Oculi

Ein besonderes Merkmal ihrer Kultur sind die Pukumani-Grabpfähle, die bei Begräbnisritualen zum Einsatz kommen. Die geschnitzten Pfähle sind mit natürlichen Pigmenten bemalt und sollen das Leben des Verstorbenen preisen. Wenn jemand stirbt, verweilt sein Geist oder mobiditi dem Glauben der Tiwis nach in der Nähe des Körpers. Durch Rituale mit Tanz, Musik und Kunst, die am Grab abgehalten werden, soll der mobiditi nach dem Tod seinen Weg in die Geisterwelt finden.

Als die Insel im späten 19. Jahrhundert von den Briten kolonisiert wurden und 1911 christliche Missionare ihren Weg dorthin fanden, wurde die Kultur der Tiwis unwiederbringlich verändert.

1937 gründete die Regierung auf Melville Island eine Siedlung, um „gemischtrassige“ Kinder von den Tiwi-Inseln und später aus dem Rest Australiens unter der Vormundschaft der katholischen Mission unterzubringen. Schätzungsweise 100.000 Kinder der Aborigines und Inselbewohner der Torres-Strait-Inseln wurden zwischen 1910 und 1970 gewaltsam von ihren Familien getrennt. Sie wurden die „gestohlenen Generationen“. Mittlerweile wurde das Vorgehen als Verstoß gegen die Menschenrechte anerkannt.

Heilige Praktiken wie die Pukumani-Pfähle wurden von den Christen als heidnische Rituale verunglimpft. Im Laufe der Zeit fanden Missionare kreative Möglichkeiten, um die lokalen Traditionen der Tiwis mit den Lehren der christlichen Kirche zu vermischen und so die Evangelisierung voranzutreiben. Diese Fusion aus Traditionen der Aborigines und Christen hat auf den Inseln noch heute Bestand.

Junge Jäger durchkämmen die Gewässer vor Pirlangimpi auf Melville Island. Mit Speeren jagen sie nach Fischen Haien, Stachelrochen, Mangrovenkrabben und Schildkröten.
Foto von David Maurice Smith, Oculi

Neben ihren traditionellen Künsten sind die Tiwi-Inseln auch für ihre natürliche Schönheit, ihre Artenvielfalt und ihre traditionelle Landbewirtschaftung bekannt. Auch auf Letztere hatte sich die Kolonisierung merklich ausgewirkt. Als die Bevölkerung von ihrem Land vertrieben wurde und die traditionelle Methoden zur Verhinderung von Waldbränden eingestellt wurden, wüteten während der Trockenzeit unkontrollierte Brände auf den Inseln und zerstörten Wälder und Lebensräume.

Heutzutage können die Tiwis ihr Land wieder selbst verwalten und haben ihr althergebrachtes Wissen mit modernen Naturschutztechniken kombiniert. Die Inseln, die man nur mit einer Genehmigung besuchen darf, beheimaten mehr als 56 Vogelarten, Krokodile, Delfine, Meeresschildkröten und Gabelschwanzseekühe.

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