Die bunte Welt der Nahrungstabus

Besonders schwangere Frauen werden weltweit mit den unterschiedlichsten Speisetabus belegt.

Von Nicole Washington
Veröffentlicht am 20. Sept. 2018, 16:44 MESZ
In manchen Kulturen dürfen Schwangere keine Eier verzehren.
In manchen Kulturen dürfen Schwangere keine Eier verzehren.
Foto von Indiapicture, Alamy

Nahrungstabus scheinen fast so universell zu sein wie Nahrungsmittel selbst. Einige der faszinierendsten dieser Verbote gehen mit einem grundlegenden menschlichen Bedürfnis einher: der Fortpflanzung. 

In Kulturen aus aller Welt gibt es alle möglichen Regeln darüber, was schwangere Frauen essen und nicht essen dürfen. (Als wäre es noch nicht schwierig genug, eine Schwangerschaft ohne gut gemeinte Ratschläge von allen Seiten zu überstehen.) „Die Grundlage für viele Speisetabus für schwangere Frauen liegt in der Vermutung, dass sie von diesen Speisen krank werden“, erklärt der neuseeländische Ethnobiologe Victor Benno Meyer-Rochow, der sich mit Volksweisheiten beschäftigt. 

In einigen dieser Tabus und Mythen findet sich auch ein Körnchen Wahrheit. Viele davon werden zudem auch noch heute befolgt. Wenn sich an die Tabus gehalten wird, trage das dazu bei, dass sich die Mitglieder einer Gruppe miteinander verbunden fühlen, so Meyer-Rochow. 

Die meisten von uns haben zumindest schon mal von einigen religiösen Speisetabus gehört: Während der Fastenzeit sind viele tierische Produkte für Christen tabu. Für Muslime und Juden müssen Speisen halal oder koscher sein. Hindus dürfen kein Rindfleisch essen und für Buddhisten kommt gar kein Fleisch infrage. Außerdem gibt es zahlreiche nicht religiös motivierte Tabus: In den USA werden beispielsweise Pferde und Meerschweinchen ausschließlich als Haustiere gehalten, während ihr Verzehr in Frankreich und Peru kein Problem darstellt. Insbesondere für schwangere Frauen gibt es unzählige kulinarische Verbote. 

Manche Nigerianer glauben, dass der Verzehr von Yams ein Baby zu groß für die Entbindung werden lassen kann. In Tansania wiederum soll Fisch angeblich den Geburtstermin hinauszögern. Wo wir bei Fisch sind: Laut Überlieferungen aus dem alten Jerusalem kann der Verzehr von Fisch Frauen anmutige Kinder bescheren – oder einen Kopf stehenden Fötus und eine besonders lange Geburt, wie man in indonesischen Geschichten liest. 

In den ländlichen Gebieten von Laos ist der Verzehr von Ratten für schwangere Frauen verboten. Im Westen von Malaysia dürfen Raten, Frösche und andere „kleine“ Geister durchaus verzehrt werden, solange der Ehemann oder ein Verwandter das Töten des Tieres übernimmt (der Geist des Babys ist noch zu schwach für größere Tiere wie Schildkröten und Ameisenbären). 

Weitere Nahrungstabus für schwangere Frauen umfassen: 

Eier 

In vielen Kulturen wurden Eier lange Zeit mit Sexualität, Fortpflanzung und neuem Leben assoziiert. Trotz der offensichtlichen Symbolik sind Eier (und oft auch Hühner und andere Vögel, die Eier legen) für schwangere Frauen vielerorts verboten. In Indonesien sind Hühnereiner tabu, da sie die Geburt verlängern können. Genau wie Erdnüsse zählen Eier weltweit zu den Top 8 Nahrungsmitteln, auf die Menschen allergisch reagieren. Studien zufolge sind Eier aber genau wie Erdnüsse in der Schwangerschaft unbedenklich. Allerdings wird in vielen Ländern vom Verzehr weich gekochter oder roher Eier abgeraten, da sie Salmonellen enthalten können.  

Alkohol 

Viele Ärzte empfehlen schwangeren Frauen, komplett auf Alkohol zu verzichten. Obwohl es schon Studien gab, die einem moderaten Alkoholkonsum von etwa fünf Gläsern Wein pro Woche Ungefährlichkeit bescheinigten, sollte man prinzipiell nicht vergessen, dass Stoffe wie Alkohol und Koffein ungefiltert durch die Plazenta und direkt in den Fötus gelangen. Andere Studien warnen vor schweren Schäden, die schon durch ein Glas Alkohol pro Tag entstehen können. Dass zu viel Alkohol dem Baby schaden kann, daran besteht kein Zweifel. Über die genaue Grenze wird zwar noch gestritten, aber feststeht: Ein Verzicht auf Alkohol während der Schwangerschaft wird dem Kind in jedem Fall nicht schaden. 

Kalte Speisen, heiße Speisen 

Laut der traditionellen chinesischen Medizin muss das Qi (Energie oder Lebenskraft) stets im Gleichgewicht gehalten werden, sodass weder Yin noch Yang überwiegen. Da die Ernährung das Qi stark beeinflusst, soll der Verzicht auf gewisse Speisen eine Schlüsselrolle bei der Vermeidung von Fehlgeburten oder anderen Schwangerschaftsproblemen sein. Etliche chinesische Frauen folgen diesen Richtlinien noch heute. 

Schwangere Frauen müssen auf den Verzehr und sogar die Zubereitung kühlender Nahrungsmittel wie Eiscreme, Wassermelonen, Bananen und Mungbohnen verzichten. Solche Speisen haben zu viele Yin-Eigenschaften und könnten eine Fehlgeburt auslösen. Aber „feucht-warme“ Speisen wie Garnelen, Mangos, Ananas und Lychees sollten ebenfalls gemieden werden, da sie beim Baby Allergien oder Hautprobleme verursachen könnten. Scharfe, kalte oder ölige Speisen können das Qi schwächen und zu Unfruchtbarkeit führen. 

Nahrungstabus bieten einen spannenden Einblick in diverse Kulturen der Welt. Es ist kein Zufall, dass sich viele Tabus für Männer und Frauen um wichtige Lebensereignisse drehen: Schwangerschaft und Geburt, Tod, Krankheit und Zeremonien, die den Übergang ins Erwachsenenalter symbolisieren. Laut Meyer-Rochow ist „ein Ziel von Nahrungstabus, bestimmte Ereignisse hervorzuheben und einprägsamer zu machen“. 

Obwohl man eine Schwangerschaft sicher auch ohne Speiseverbote nicht vergessen würde.    

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht. Zusätzliche Berichterstattung in Deutschland von Stephanie Glasa.

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