Trauer und Wut über das vernichtende Feuer im brasilianischen Nationalmuseum

„Die verlorenen Sammlungen waren von unschätzbarem Wert.“

Von Michael Greshko
Veröffentlicht am 7. Sept. 2018, 17:55 MESZ

Seit mehr als 200 Jahren schützt das Nationalmuseum der Bundesuniversität von Rio de Janeiro – auf Portugiesisch Museu Nacional – als älteste und wichtigste Museumsinstitution Brasiliens sein Erbe. Jetzt ist das größte Naturhistorische Museum Lateinamerikas nur noch ein ausgebrannter Schatten seiner selbst. Am Abend des 2. September wütete hier ein gewaltiges Feuer und verbrannte etwa 90 Prozent der 20 Millionen Artefakte zu Asche. Todesopfer gab es jedoch keine. 

Während die Feuerwehr daran arbeitete, den Brand zu löschen, schafften Museumsmitarbeiter und Freiwillige was immer sie tragen konnten aus dem Gebäude. Dazu gehörte auch ein Teil der Weichtiersammlung. Der ausgestellte Bendegó-Meteroit ist eines der wenigen Stücke, die den direkten Feuerkontakt überstanden haben. Er ist der größte je in Brasilien gefundene Meteorit. Die Wissenschaftler hegen zudem die Hoffnung, dass einige der Objekte in den archäologischen und paläontologischen Sammlungen überlebt haben könnten. Sie wurden in Metallbehälter verwahrt und durch diese geschützt. 

Duane Fonseca ist Biologe an der Bundesuniversität von Rio de Janeiro. Er twitterte am 4. September, dass sich etwa 80 Prozent der wichtigsten Forschungspräparate der Abteilung für Wirbellose während des Feuers in einem anderen Gebäude befanden. Sie überstanden den Brand unbeschadet, ebenso wie die Bibliothek des Museums und das botanische Archiv. Außerdem haben  Forscher erst kürzlich einige der ägyptischen Artefakte des Museums mit einem 3D-Scanner erfasst und damit zumindest ihr Äußeres für die Nachwelt erhalten. 

Der Großteil der Sammlung – die Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit und Forschung aus 200 Jahren – ist jedoch vermutlich vernichtet worden. Dazu gehörten auch seltene Fossilien sowie Audioaufnahmen indigener Völker, deren Sprachen teilweise nicht mehr von noch heute existierenden Stämmen gesprochen werden.  

„Die verlorenen Sammlungen waren von unschätzbarem Wert“, erklärte Luiz Rocha gegenüber National Geographic in einem früheren Interview. Der brasilianische Ichthyologe hat schon mehrfach mit den Sammlungen des Museu Nacional gearbeitet. „Sie waren unglaublich einzigartig: Vieles davon ist unersetzlich. Man kann hier keinen monetären Maßstab anlegen.“ 

Viele Wissenschaftler haben die brasilianische Regierung für diese Tragödie scharf kritisiert. Sie gehen davon aus, dass das Unglück hätte verhindert werden können. Jahrlange Budgetkürzungen und immer wieder hinausgezögerte Renovierungsmaßnahmen sorgten im Museu Nacional für bröckelnden Putz und offenliegende, elektrische Leitungen. Die beiden Hydranten waren beim Eintreffen der Feuerwehr am Einsatzort nachweislich leer, was die Rettungskräfte dazu zwang, auf Wasser aus herbeigeschafften Lkws und dem nahegelegenen See zurückzugreifen.   

Seitdem sich die Nachricht des Feuers am Sonntag verbreitete, betrauern Menschen und Museen auf der ganzen Welt den Verlust. „Dies ist ein schwarzer Tag für das Erbe Brasiliens und das der ganzen Welt. Doch wir möchten auch unsere unerschütterlichen Glauben an die Kraft und Professionalität der brasilianischen Museumsmitarbeiter zum Ausdruck bringen. Wir haben vollstes Vertrauen in ihre Fähigkeiten, sich von diesem schmerzhaften Geschehnis zu erholen“, bekräftigte der International Council of Museums in einer Mitteilung

Nun  wird bereits diskutiert ob und wie das Museu Nacional wieder aufgebaut werden sollte. Aber in der Zwischenzeit arbeiten die Studenten vor Ort bereits an einem eigenen Wiederherstellungsprojekt.  

„Angesichts der Tragödie schließen sich die Studenten der Museumskunde der UNIRIO [die Bundesuniversität Rio de Janeiro] zusammen, um das Andenken an das Nationalmuseum zu bewahren“, gibt das Nationalmuseum in einer Email an. „Wir bitten alle, die Aufnahmen (Fotos/Videos/sogar Selfies) der Sammlungen und Ausstellungsräume besitzen, diese mit uns zu teilen.“ 

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht  

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