Hessen in Amerika: Massengrab deutscher Soldaten gefunden

In der Schlacht von Red Bank im Jahr 1777 kämpften etwa 2.000 hessische Soldaten unter englischer Führung gegen die amerikanische Armee. Nun wurden am Schauplatz der Schlacht menschliche Überreste gefunden, die von der tödlichen Niederlage erzählen.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 11. Aug. 2022, 09:49 MESZ
Gemälde der Schlacht von Trenton: George Washington steht über hessischen Soldaten, die in der Schlacht von ...

Die Gefangennahme der hessischen Soldaten nach der Schlacht von Trenton am 26. Dezember 1776. Der Sieg George Washingtons über die Hessen, die in der Schlacht für Großbritannien kämpften, kam nur wenige Monate vor der Schlacht bei Red Bank, bei der die britisch-hessische Armee abermals verlor.

Foto von John Trumbull, 1756-1843

Am 22. Oktober 1777 errangen die Amerikaner im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gegen die Briten einen entscheidenden Sieg – in der Schlacht von Red Bank. Dieser zog für die gegnerische Seite allerdings zahlreiche Verluste nach sich: Für 377 deutsche Soldaten – sogenannte Hessians, die unter englischer Führung ebenfalls im Krieg gegen Amerika kämpften – bedeutete die Schlacht den Tod. 

Heute ist der Schauplatz der historischen Schlacht, das Red Bank Battlefield in New Jersey, Teil eines Parks, in dem während dieses Sommers öffentliche archäologische Ausgrabungen stattfinden. Dabei wurden nun Überreste von hessischen Soldaten gefunden: erst nur ein Oberschenkelknochen und schließlich ein ganzes Massengrab, in dem bisher etwa 13 Individuen ausgemacht werden konnten – eine kleine Sensation.

„Überreste auf einem Schlachtfeld zu finden, ist sehr ungewöhnlich“, sagt die Historikerin Jennifer Janofsky, die an den Ausgrabungen am Red Bank Battlefield von Anfang an beteiligt war. Man habe eigentlich nach Artefakten wie Goldmünzen gesucht – und das Massengrab in diesem Rahmen nur durch Zufall entdeckt. „Wir haben nicht damit gerechnet, menschliche Überreste zu exhumieren“, sagt sie. Nun gilt es, herauszufinden, wer genau im Red Bank Battlefield Park begraben wurde.

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Die Schlacht von Red Bank

Über 2.000 hessische Soldaten kämpften in der Schlacht von Red Bank auf der Seite der Briten gegen nur etwa 500 Soldaten der amerikanischen Armee. Auch wegen dieser Überlegenheit plante die britisch-hessische Armee am 22. Oktober 1777 Fort Mercer einzunehmen, eine Festung der Amerikaner, die erbaut wurde, um den britischen Einfluss auf Philadelphia zu schwächen. Doch trotz der zahlenmäßigen Unterlegenheit siegten die Amerikaner auf dem Red Bank Battlefield – eine Niederlage, die 377 hessischen und 14 amerikanischen Soldaten das Leben kostete.

Von einem dieser 377 Soldaten stammt wohl der Oberschenkelknochen, den einer der Freiwilligen nun im Park fand. Für Janosfky eine Überraschung. „Es gibt Karten, auf denen Grabstellen eingezeichnet sind. Diese ist keine von ihnen“, sagt sie. Nach dem Oberschenkelknochen-Fund verständigte sie sofort weitere Kolleginnen und Kollegen, die sich die Stätte anschauen sollten. Darunter auch die forensische Anthropologin der New Jersey State Police, Anna Delaney, die bestätigte, dass der Oberschenkelknochen von einem Menschen stammt, und Wader Catts, Archäologe und Experte für Denkmalschutz. Gemeinsam brachten die Forschenden schließlich weitere Überreste, darunter Knochen, Zähne und Schädel, zum Vorschein.

Laut Catts gilt es nun, die Überreste korrekt zuzuordnen. Auch wenn er bisher sicher ist, dass hessische Soldaten in dem Massengrab liegen, ist unklar, um wen es sich bei den 13 Individuen genau handelt. „Wir betreiben hier quasi Tatort-Ermittlungen", sagt er. Catts und Janofsky hoffen nun, mithilfe von DNA- und Isotop-Analysen die Herkunft der vor 245 Jahren Begrabenen genauer bestimmen zu können. „Wir haben eine echte Chance, Informationen aus den Überresten zu gewinnen und zu versuchen, diese mit genetischer oder genealogischer DNA abzugleichen", so Catts. So könne man ganze Familiengeschichten neu aufarbeiten. 

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    Doch warum genau waren hessische Soldaten überhaupt an der Schlacht beteiligt? Zurück geht dieser Umstand auf den Soldatenhandel unter Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel, der die deutschen Soldaten an den englischen König Georg III. „vermietete“. Dabei stellte Hessen-Kassel unter Friedrich II. zwar die meisten Soldaten, aber auch andere deutsche Fürstentümer nahmen an dem Handel teil – darunter Hessen-Hanau, Ansbach-Bayreuth und Anhalt-Zerbst. Insgesamt wurden von 1776 bis 1783 auf diese Weise schätzungsweise 30.000 deutsche Soldaten von Großbritannien angeheuert. Bezeichnet werden sie dennoch allgemein als „Hessians”.

    Auch weil diese Soldaten oft ohne eigene Entscheidungsmacht unter englischer Führung in den Krieg geschickt wurden, ist den Forschenden die Aufarbeitung der Schlacht wichtig. „Die hessischen Soldaten, die hier starben, hatten nicht die Absicht, ihr Leben an diesem Ort zu beenden“, sagt Catts. „Ein Teil dessen, was wir hier zu erreichen hoffen, ist, zu erfahren, wer diese Soldaten waren und ihnen ein gewisses Maß an Würde und Respekt bei der Wiederbestattung zu geben.“

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