150 Jahre verschollen: Verlorenes Schiffswrack in Patagonien entdeckt
1859 sank das Walfangschiff Dolphin vor der Südspitze Südamerikas – spurlos. Bei einem Wrack vor der Küste Patagoniens könnte es sich um das verlorene Schiff handeln. Ein Forschungsteam sucht in den Holzbalken nach Antworten.
Forschende haben dieses Schiffswrack aus Patagonien einem vor 150 Jahren verschollenen Walfänger zugeordnet – mit modernsten Methoden.
Als US-amerikanische Schiffsbauer im November des Jahres 1850 das Walfangschiff Dolphin für dessen Jungfernfahrt freigaben, war das Schicksal des Schiffes bereits besiegelt. Nur neun Jahre später sollte das Schiff vor der Küste Patagoniens auf Felsen auflaufen und sinken. Kapitän und Crew konnten sich damals retten – das Schiff hingegen blieb lange Zeit verschollen.
Nun wollen Forschende ein bereits im Jahr 2004 gefundenes Schiffswrack als die verschollene Dolphin identifiziert haben – mithilfe der Jahresringe im Holz der Schiffsüberreste.
Das kurze Leben der Dolphin
Die Geschichte des Walfangschiffes lässt sich hauptsächlich aus Aufzeichnungen des Historikers Walter Nebiker und den Briefen des Schiffskapitäns Captain Norrie nachvollziehen. Aus Nebikers Aufzeichnungen weiß man, dass das Schiff von August bis Oktober 1850 in der Stadt Warren im US-Bundesstaat Rhode Island gebaut wurde, etwa 34 Meter lang gewesen sein muss und bis dato „der wahrscheinlich schnellste Rahsegler aller Zeiten“ war.
Kurz nach seiner Fertigstellung segelte das Schiff zweieinhalb Jahre über den Atlantik und den Indischen Ozean, um 1853 beladen mit Öl nach Rhode Island zurückzukehren. Nach einigen weiteren Fahrten zu den Azoren, den Seychellen und nach Australien, brach die Crew der Dolphin schließlich am 2. Oktober 1858 zu ihrer letzten Fahrt auf. Laut dem Bericht des Kapitäns legte die Dolphin bis zu ihrem Untergang noch mehr als 16.000 Kilometer zurück, bis sie schließlich vor der Küste Patagoniens sank.
Erst 145 Jahre später gab es wieder ein erstes vermeintliches Lebenszeichen der Dolphin. Die Sedimente im Wattenmeer vor Puerto Madryn im Süden Argentiniens gaben Teile von Überresten eines Holzschiffs frei. Archäologen bargen das Schiff wenige Jahre später – und spekulieren seither, ob es sich bei dem Wrack um die verschollene Dolphin handelt.
Auf Spurensuche mit Dendrochronologie
Nachdem archäologische Untersuchungen lange keine Klarheit über die Herkunft des Wracks liefern konnten, wählte ein Team aus US-amerikanischen und argentinischen Forschenden nun einen anderen Ansatz: die Dendrochronologie. Mithilfe jener kann man anhand der Jahresringe eines Holzes dessen Alter bestimmen – und so in Verbindung mit der Holzart den Herkunftsort des Materials eingrenzen. Diese Erkenntnisse lassen sich daraufhin mit historischen Aufzeichnungen vergleichen – so auch im Falle der Dolphin. Ihre Studie veröffentlichte das Team im Fachmagazin ScienceDirect.
Für die Bestimmung des Schiffs sägte das Team zunächst Teile des Wracks heraus, um das Holz zu trocknen. Unter den Proben waren Rumpf- und Deckenplanken sowie Teile des Spants, einem tragenden Bauteil des Schiffsrumpfes. Anhand dieser Proben konnten sie schließlich die Holzart, das Alter der dazugehörigen Bäume und deren Fällzeitpunkt bestimmen. „Diese Studie stellt eine Pionierarbeit in der Anwendung dendrochronologischer Methoden für die Datierung und Herkunft nautischer Überreste dar“, so die Forschenden.
Querschnitt einer der Rumpfplanken: Oben die rohe Probe, unten nach dem Abschleifen, um die Jahresringe hervorzuheben. Bei dieser Probe konnten die Forschenden 258 Jahresringe feststellen.
Denn das Ergebnis ist beeindruckend. Die Forschenden verglichen das Holz des Schiffes mit Informationen aus der Datenbank des North American Drought Atlas, in der Ringproben von über 30.000 Bäumen verschiedenster Arten aus den letzten 2.000 Jahre gesammelt sind. So konnten die Forschenden beispielsweise bestimmen, dass einige der Bäume, die Holz für das Schiff lieferten, bereits im Jahr 1679 zu wachsen begannen. Zusätzlich fanden sie heraus, dass ein Teil des Materials von Bäumen stammt, die 1849 gefällt wurden – also ein Jahr vor der Erbauung der Dolphin. Auch Fällort und Baumart der Proben passen zum Entstehungsort des Walfängers.
„Wir können es nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, aber die Analyse der Baumringe zeigt, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass es sich um das Schiff handelt", sagt Ignacio Mundo, Hauptautor der Studie und Pflanzenbiologe am argentinischen Labor für Dendrochronologie. Bestätigung könnte es bald durch Artefakte geben, die in der Nähe des Wracks gefunden wurden und ebenfalls der Dolphin zugeordnet werden sollen.