Ostsee-Fund: Das älteste Kanonenrohr der europäischen Geschichte?

Vor der Küste Schwedens hat ein Taucher ein über 600 Jahre altes Kanonenrohr gefunden. Das macht es vermutlich zum ältesten in Europa – und zeigt, wie früh die Menschen bereits Waffen mit auf See nahmen.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 20. Sept. 2023, 08:46 MESZ
Kanonenrohr aus Blei und Zinn.

Dieses Rohr hat am Grunde der Ostsee mehrere Jahrhunderte überstanden.

Foto von BO NIKLASSON / BOHUSLÄNS MUSEUM

Im 14. Jahrhundert wurden maritime Handelsrouten über die Ostsee bereits rege genutzt. Ein wichtiges Handelszentrum war dabei Marstrand, eine kleine Hafenstadt im Westen Schwedens. Vor der Küste dieser Stadt hat ein Taucher im Jahr 2001 ein Kanonenrohr entdeckt – vergraben im Sediment am Grunde der Ostsee in etwa 20 Metern Tiefe.

Dass der Hobbytaucher damals nichtsahnend einen Sensationsfund an Land brachte, wurde erst jetzt im Rahmen einer Studie bekannt. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Meeresarchäologen Staffan von Arbin von der Universität Göteborg fand heraus: Das Rohr stammt aus dem 14. Jahrhundert – und ist somit möglicherweise das älteste bisher entdeckte Kanonenrohr Europas.

Krieg und Kanonen auf der Ostsee

Im 14. Jahrhundert galt meist: Wo gehandelt wurde, gab es auch Konflikte. So auch auf der Ostsee. Dennoch gebe es, laut dem Forschungsteam, nur spärliche historische Nachweise für die Nutzung von Kanonen zu dieser Zeit. Erst im 15. Jahrhundert häufen sich solche Hinweise dann – Informationen über die konkrete Funktionsweise dieser frühen Kanonen finden sich laut dem Team aber auch dann noch kaum.

Umso spektakulärer ist der Fund der Kanone in der Ostsee. Den Beweis dafür, dass diese aus dem 14. Jahrhundert stammt, konnten die Forschenden mithilfe der Radiokarbonmethode erbringen. Im Rohr fanden sie ein Stück Stoff, das vermutlich Teil einer Kartusche war, mit der die Waffe abgefeuert wurde. Die Reste dieses Stoffs ließen sich auf die Zeit zwischen 1285 und 1399 datieren.

Hinweise auf die Zeitspanne, in der das Rohr verwendet wurde, lässt auch seine Machart zu. Eine chemische Analyse der Kanone ergab, dass sie aus einer Legierung aus Blei und geringen Mengen Zinn bestand – für eine Kanone, die regelmäßig in Benutzung sein soll, eine eher schlechte Wahl. „Es ist klar, dass derjenige, der die Kanone goss, nicht über das nötige Wissen und Verständnis über die Eigenschaften der verschiedenen Kupferlegierungen verfügte“, sagt Arbin. Das zeige, dass die Kunst des Kanonengusses zur Zeit der Nutzung des gefundenen Kanonenrohrs in Europa noch in den Kinderschuhen steckte – und erst im Laufe der nächsten Jahrhunderte perfektioniert wurde.

Wo ist das Schiff, zu dem die Kanone gehörte?

Doch wie kam das Kanonenrohr überhaupt an den Grund der Ostsee? „Es ist natürlich möglich, dass die Kanone entweder versehentlich oder absichtlich von einem vorbeifahrenden Schiff oder einem Schiff in Not abgeworfen wurde“, schreiben die Forschenden in ihrer Studie. Wahrscheinlicher sei jedoch, dass es zu einem Schiff gehörte, das an dieser Stelle unterging.

Dieses gilt es jetzt zu finden. „Jetzt wollen wir natürlich versuchen, auch das Schiff [...] zu lokalisieren und zu dokumentieren“, sagt Arbin. Er erhofft sich zwar nicht, ein intaktes Schiff zu finden, Überreste des Wracks sollten am Grund der Ostsee aber noch liegen. So kann möglicherweise bald nachvollzogen werden, welchem Schiff genau das vielleicht älteste Kanonenrohr Europas gehörte. 

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