Einer der Runensteine vor einem dunklen Hintergrund.

Runensteine von Jelling: Wie viel Macht hatte Wikingerkönigin Thyra?

Ein Studienteam aus Dänemark hat das Geheimnis der Runensteine von Jelling gelöst – und damit die mächtige Position einer dänischen Königin offenbart.

Die beiden Runensteine von Jelling wurden einst von zwei Königen Dänemarks errichtet – Vater Gorm der Alte und Sohn Harald Blauzahn. Heute gilt der größere von ihnen als das erste Dokument, in dem Dänemark als politische Einheit verzeichnet wurde.

Foto von ROBERTO FORTUNA, NATIONAL MUSEUM OF DENMARK
Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 30. Okt. 2023, 09:51 MEZ

Im 10. Jahrhundert war das von Wikingern beherrschte Dänemark im Wandel. Eine der wichtigsten Figuren in dieser Zeit war nach aktuellem Forschungsstand der Wikingerkönig Gorm der Ältere. Aufzeichnungen über ihn und seine Frau Thyra Danebod gibt es heute nur wenige, bekannt sind sie aber durch die Runensteine von Jelling, die ihnen zu Ehren errichtet wurden. 

Ein Studienteam des Dänischen Nationalmuseums hat diese nun erneut untersucht und ein 1.000 Jahre altes Geheimnis gelüftet, das zeigt, dass Gorms Frau Thyra eine besondere Rolle in der dänischen Geschichte innehatte. Seine Ergebnisse veröffentlichte das Team im Fachmagazin Antiquity.

Auf den Spuren eines Runenmeisters

Die Runensteine von Jelling stehen auf zwei großen Grabhügeln im Ort Jelling im dänischen Jütland und wurden in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts angefertigt. Den ersten, kleineren Runenstein widmete König Gorm seiner Frau, den zweiten ließ sein Sohn und Thronfolger Harald Blauzahn zum Andenken an beide Eltern errichten. Dieser zweite Stein gilt heute als erster Beleg für die Existenz eines politisch vereinten Dänemarks, von dem Gorm vermutlich der erste König war.

In ihrer Studie konzentrierten sich die Forschenden aber auf die Rolle von Thyra Danebod. Ihr Name taucht auch auf weiteren Runensteinen auf – bislang war allerdings nicht klar, ob sie dieselbe Person meinen. Zwei davon sind die Runensteine von Læborg Bække, die nachweislich von dem Runenmeister Ravnunge-Tue errichtet wurden.

Dier Runenstein von Læborg ist etwa 236 Zentimeter groß und konnte durch seine Inschrift einem bestimmten Runenmeister zugeordnet werden.

Foto von ROBERTO FORTUNA, NATIONAL MUSEUM OF DENMARK

Ob eine Verbindung zwischen den Runensteinen von Jelling und von Læborg Bække besteht, untersuchten die Forschenden in ihrer Studie. Ihre Vermutung: Wenn auch die Runensteine von Jelling von Ravnunge-Tue gefertigt wurden, ist wahrscheinlich auf allen Steinen von derselben Thyra die Rede. 

So untersuchte das Team mithilfe von 3D-Scans die Spuren der Schnitztechniken der einzelnen Runensteine. Dabei zeigte ihnen der Winkel des Meißels und des Hammers sowie die Kraft, mit der die Buchstaben in den Stein geschlagen wurden: Ravnunge-Tue muss auch die Runensteine von Jelling geschnitzt haben – und alle Inschriften meinen dieselbe Thyra. Das macht sie zu der bislang am meisten auf Runensteinen genannten Personen in der dänischen Geschichte. Und eine der wenigen Frauen, die überhaupt auf Runensteinen genannt werden.

Die Rolle Thyras bei der Entstehung des dänischen Staats 

„Die Tatsache, dass wir jetzt den Namen des Runenschnitzers der Steine von Jelling kennen, ist unglaublich; aber was die Entdeckung noch erstaunlicher macht, ist die Tatsache, dass wir wissen, wer die Chefin von Ravnunge-Tue war“, sagt die dänische Runologin und Archäologin Lisbeth Imer, die an der Studie beteiligt war. 

BELIEBT

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    Diese Erkenntnis zeigt laut den Forschenden, dass Thyra weitaus mächtiger gewesen sein muss, als bislang angenommen. Ihr Mann Gorm der Alte, der hauptsächlich mit dem politischen Umschwung in Dänemark in Verbindung gebracht wird, taucht bisher nämlich nur auf einem Runenstein auf – und zwar nur gemeinsam mit Thyra. „Sie stammte wahrscheinlich aus einer edleren, älteren Familie als Gorm der Alte, den wir normalerweise als ersten König von Dänemark bezeichnen“, so Imer. Könnte heißen: Thyra war zumindest teilweise verantwortlich für den Status ihres Mannes.

    Diese Erkenntnis ist laut Imer ein wichtiger Schritt, um die Geschichte Dänemarks besser zu verstehen – zumal sie mit dem Runenstein in Verbindung steht, der landläufig als „Geburtszertifikat Dänemarks“ bezeichnet wird.

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