Restaurierung eines alten Gemäldes offenbart Dämonengesicht

Bei der Restaurierung eines Gemäldes aus dem späten 18. Jahrhundert haben Wissenschaftler unter dem alten Lack das Gesicht eines Dämons entdeckt. Sie lassen die Geschichte des Bildes neu aufleben: Es hatte einst für einen Skandal gesorgt.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 13. Nov. 2023, 09:44 MEZ
Ausschnitt des Gemäldes, auf dem drei Menschen um das Bett des Kardinals stehen, während sich der ...

Lange verborgen: das Dämonengesicht im Bild Der Tod von Kardinal Beaufort, das eine Szene aus Shakespeares „Heinrich VI. Teil 2“ zeigt.

Foto von National Trust

Im Jahr 1789 präsentierte der britische Maler Joshua Reynolds der Öffentlichkeit ein Gemälde, das für Aufruhr sorgte. Er hatte eine Szene aus Shakespeares Heinrich VI. Teil 2 auf die Leinwand gebracht: den Tod des Kardinals Beaufort. Darin fleht König Heinrich Gott an „den dreist geschäft'gen Feind“ zu verscheuchen, der des Kardinals „Seele stark belagert hält“. Genau diesen Feind zeigte Reynolds in seinem Gemälde: in Form eines Dämons, der sich aus dem Schatten über den im Bett liegenden Kardinal beugt. Der Skandal war perfekt.

Nachdem das Dämonengesicht über die Jahre vom Gemälde verschwunden war, konnten Restaurator*innen des britischen National Trust das Werk nun in seiner Gänze wiederherstellen. Anlass für das Projekt der gemeinnützigen Organisation, die Objekte aus dem Bereich der Denkmalpflege und des Naturschutzes betreut, war eine Ausstellung zum 300. Geburtstag des Künstlers.

Aufruhr um einen Dämon

Laut John Chu, leitender Kurator für Bilder und Skulpturen des National Trusts, sorgte das Gemälde gleich für mehrere Kontroversen, als es 1789 in der Boydell Shakespeare Gallery in London enthüllt wurde. „Es passte nicht zu den künstlerischen Regeln der Zeit, eine poetische Redewendung so wörtlich in einer monströsen Figur darzustellen“, so Chu. Es lägen sogar Aufzeichnungen zu Gesprächen vor, die Reynolds vor der Präsentation des Gemäldes geführt hatte. Darin sei ihm geraten worden, das Gesicht vom Gemälde zu entfernen – doch Reynolds blieb stur.

Ausschnitt aus der Version des Gemäldes vor (links) und nach der Restaurierung (rechts).

Foto von National Trust

Dafür wurde er stark kritisiert. Der Kunstkritiker Humphry Repton war nach der Enthüllung des Gemäldes beispielsweise der Meinung, man hätte den im Drama genannten „Feind“ nur dann malen dürfen, wenn die Figur auch in Theaterinszenierungen des Stückes aufgetaucht wäre. Ein Kritiker der Times wählte direkt nach der Enthüllung des Gemäldes noch härtere Worte: „Der Kobold am Kissen des Kardinals kann das Bild nicht verderben, aber er macht dem Urteilsvermögen des Malers keine Ehre. Wir befürchten, dass eher Sir Joshuas von irgendeinem Unhold besessen war, als er beschloss, die Idee wörtlich zu nehmen.“

Diese Kritik hatte auch Folgen für die Kunstdrucke des Werks, die das Museum damals zum Verkauf anbot. Während in der ersten Auflage das Dämonengesicht noch zu sehen ist, versuchte man für die zweite Auflage im Jahr 1792 – kurz nach dem Tod Reynolds – das Element von der Druckplatte zu entfernen.

BELIEBT

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    Wiederbelebung durch Restaurierung

    In den folgenden Jahrzehnten verschwand das Gesicht auch im originalen Gemälde nach und nach in den dunklen Schatten des Bildes. Das hatte unter anderem mit der Maltechnik des Künstlers zu tun: Durch die Wahl der Farben und Materialien zerfiel das Gesicht nach und nach in kleinere Farbinseln und verlor an Klarheit. Möglicherweise wurde aber auch nachgeholfen, indem man weitere abdunkelnde Farb- und Lackschichten über dem Gesicht auftrug. John Chu vermutet, dass das Gemälde von früheren Restauratoren missverstanden wurde – und das Gesicht darum mit der Zeit von immer mehr Schichten bedeckt wurde, bis es ganz verschwand. 

    Durch die Bemühungen der Restaurator*innen des National Trust kann das Gemälde jetzt wieder so bestaunt werden, wie Reynolds es beabsichtigt hatte. „Wir wollten sicherstellen, dass das Werk immer noch das darstellt, was Reynolds ursprünglich gemalt hat“, sagt Becca Hellen, die leitende nationale Konservatorin des Trust für Gemälde. Dazu wurden alle nicht-originalen Lackschichten entfernt – und der Feind über dem Bett wieder freigelegt. 

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