Straßen voller Alkohol: Die Bierflut von London

Im Jahr 1814 erschütterte London eine Tragödie der anderen Art. Nach einem Unfall in einer Brauerei ergossen sich tausende Fässer Bier auf den Straßen des Stadtteils City of Westminster. Acht Menschen starben. Eine Chronik der Bierflut.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 23. Apr. 2024, 08:46 MESZ
Sepia-Zeichnung des Brauerei-Gebäudes mit Pferdekutschen auf den Straßen.

Die Horse Shoe Brewery in London um 1800. Hier nahm das Unglück im Jahr 1814 seinen Lauf.

Foto von Public Domain / Unbekannter Künstler

17. Oktober 1814, sechs Uhr abends. Die Bewohner der Häuser, die an die Londoner Brauerei Henry Meux & Co. angrenzen, essen zu Abend, unterhalten sich und sitzen beieinander. Plötzlich ertönt ein ohrenbetäubendes Geräusch: Wände und Möbel zerbersten und ein Schwall tiefdunkler, klebriger Flüssigkeit ergießt sich durch die Räumlichkeiten. Später wird klar: Fast eine Million Liter Bier haben sich an diesem Abend in einem riesigen Schwall den Weg durch die Nachbarschaft gebahnt und gleich mehrere Menschen in den Tod gerissen.

Die Todesopfer der Londoner Bierflut 

Der Ursprung des Unglücks ist die Lagerhalle der Henry Meux & Co. Brauerei, ehemals Horse Shoe Brewery, nahe der Tottenham Court Road. Dort platzt an dem Oktoberabend ein riesiges Lagerbehältnis mit einem Fassungsvermögen von 3.555 Fässern Bier, so viel wie etwa eine Million Pinten. Das sogenannte Porter, eine besonders dunkle, starke Biersorte, ergießt sich zunächst in einem Schwall über das Gelände der Brauerei und reißt dort weitere Behältnisse um, deren Inhalt sich ebenfalls in der Bierflut ergießt. Schließlich rollt die Welle dann über die Straßen, die an das Brauereigelände anschließen.

Die Henry Meux & Co. Brauerei im Jahr 1906, fast 100 Jahre nach dem Unglück.

Foto von Historic England Archive

In der Zeitung The London Magazine, or, Gentleman's Monthly Intelligencer wird später berichtet werden, dass zwei Häuser direkt neben der Brauerei komplett demoliert wurden. Ein Mutter-Tochter-Paar, das beim Abendessen in einem dieser Häuser von der Bierflut überrascht wird, wird aus der Wohnung gespült und stirbt. Sogar eine Straße weiter, in der Great-Russell-Street, werden laut Zeitungsbericht Häuser beschädigt. Darunter der dort ansässige Pub Tavistock Arms, in dem eine junge Angestellte von einer eingestürzten Wand begraben wird und ebenfalls stirbt.

Unzählige Bewohner*innen von Kellerwohnungen auf der Great-Russell-Street und den benachbarten Straßen, müssen sich auf ihre Möbel retten, um nicht zu ertrinken. Insgesamt sterben acht Menschen, weitere werden verletzt, darunter auch Mitarbeiter der Brauerei.

 

BELIEBT

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    Besitzerwechsel in der Horse Shoe Brewery

    Zum Zeitpunkt des Unglücks gehört die im Jahr 1764 als Horse Shoe Brewery gegründete Brauerei bereits seit fünf Jahren dem englischen Braumeister Sir Henry Meux. Er hatte die Brauerei fünf Jahre zuvor gekauft, in Henry Meux & Co. umbenannt und sich auf die Herstellung von Porter spezialisiert.

    Trotz des Unfalls geht die Produktion in der Brauerei nach Reparaturarbeiten noch mehr als 100 Jahre weiter. Erst im Jahr 1921 schließt die bis heute als Horse Shoe Brewery bekannte Brauerei endgültig, nachdem die Bierproduktion von den Besitzern in eine größere Brauerei im südlichen London verlegt wird. Im Gedächtnis ist sie den Londonern wohl dennoch bis heute – als Verursacher der tödlichen Bierflut von 1814.

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